Am 12.12.2024 ab 13 Uhr wird nach 31 Prozesstagen, die sich über fast ein Jahr erstreckten, am Dortmunder Landgericht das Urteil erwartet. Gegenstand ist der tödliche Einsatz im August 2022, bei dem Mouhamed Lamine Dramé durch die Polizei erschossen wurde. Fünf der zwölf am Einsatz beteiligten Polizist*innen mussten sich vor Gericht verantworten
Der Solidaritätskreis Justice4Mouhamed unterstützt die Nebenklage und schließt sich deren Plädoyer, sowie den Forderungen der Familie Dramé an. So benannte die Anwältin der Nebenklage Lisa Grüter strukturellen Rassismus in polizeilichem Erfahrungswissen und Handeln etwa in Form von „shooting bias“, welche zu Fehlern in der Einsatzplanung führen und tödliche Ausgänge begünstigen. Das Phänomen shooting bias wurde in den vergangenen Jahren immer wieder untersucht. Eine Studie aus dem Jahre 2023 kommt zu dem Schluss, dass Personen, die sich für vorurteilsfrei halten dennoch shooting bias aufweisen. Darüber hinaus ist bekannt, dass Polizist*innen eine mangelnde Selbstreflexion in Bezug auf ihr eigenes Handeln oder eben diese Einstellungen aufweisen.
„Jeder Mensch trägt gewisse Vorurteile in sich. Aufgabe ist jedoch die Bewusstwerdung und der Abbau dieser Vorurteile. Sich der Einsicht zu verschließen, ist Teil des Problems.“ kritisiert Anna Neumann, Sprecher*in des Solidaritätskreises und ergänzt folgend: „Vor allem Menschen mit Migrationsgeschichte, Menschen in psychischen Krisensituationen sowie von starker Armut betroffene Menschen wie Wohnungslose sind von den Folgen dieser Einstellungen bei der Polizei betroffen.“ Im Falle Mouhameds wurde von der Polizei das Bild eines aggressiven Messertäters gezeichnet. Medien wie beispielsweise Spiegel TV übernahmen unkritisch diese Darstellung. Solche Darstellungen vertiefen rassistische Vorurteile, die letzten Endens dem beschriebenen shooting bias Vorschub leisten. „Solch eine Darstellung ist traumatisierend für die Familie Dramé. Ihr Sohn wird in aller Öffentlichkeit diffamiert und eine angemessene und glaubhafte Entschuldigung steht immer noch aus“, sagt Pressesprecher*in Anna Neumann. Inzwischen wurde durch die Staatsanwaltschaft anerkannt, dass Mouhamed kein Angreifer war.
Ebenso wenig nachvollziehbar wie für Anwältin Grüter ist auch für den Solidaritätskreis, warum sich der Strafantrag der Dortmunder Staatsanwaltschaft für Einsatzleiter Thorsten H. unterhalb der Grenze zum Verlust des Beamtenstatus befindet. Laut Grüter solle es zudem nicht nur für ihn, sondern auch für Jeannine B. und Markus B. Konsequenzen geben, da diese sich nicht auf die Annahme von Notwehr berufen könnten. Entgegen dem Plädoyer der Nebenklage fordern die Verteidiger Freispruch für alle fünf Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von 10 Monaten für Einsatzleiter Thorsten H., welche in zwei Jahre Bewährung umgewandelt werden könnte. Zusätzlich soll er 5000€ an eine Dortmunder Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe zahlen.
Es geht nicht um hohe Strafen, sondern um Konsequenzen für unrechtmäßiges polizeiliches Handeln, macht auch das Plädoyer der Nebenklage deutlich. „Es kann nicht sein, dass derart folgenreiches Handeln ohne Konsequenzen bleibt. In unseren Forderungen geht es gar nicht um besonders hohe Strafen, sondern um Verantwortungsübernahme und Veränderung“, so Anna Neumann. Auch brauche es weiterhin eine kritische Reflexion und Aufarbeitung, egal wie das Urteil ausfällt. Neumann betont: „Unsere Gedanken sind heute bei Mouhamed und seiner Familie, sowie bei den vielen Menschen, die durch tödliche Polizeieinsätze ihr Leben verloren haben und für die es immer noch keine Gerechtigkeit gibt.“
Der Solidaritätskreis Justice4Mouhamed wird der Urteilsverkündung beiwohnen und mit einer Mahnwache vor dem Gericht vor Ort sein. Darüber hinaus wird vor diesem Hintergrund für Samstag, den 14. Dezember, ab 13:15 Uhr zu einer Demonstration mit Start an den Dortmunder Katharinentreppen (gegenüber dem Hauptbahnhof) aufgerufen.