Weiterer Tod in Polizeigewahrsam in unserer Stadt – Wir trauen und fordern Konsequenzen

Dortmund, 19.10.

Am 19.10.2022 erreichte uns die Nachricht, dass im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld erneut ein Mensch im Rahmen eines Polizeieinsatzes verstorben ist. 

Zunächst einmal möchten wir unsere Trauer über den Tod eines Menschen ausdrücken. Wir sind fassungslos, dass es schon wieder soweit gekommen ist. Wir hoffen, dass dieser Tote nicht namenlos bleiben muss und seine Geschichte nicht vergessen gemacht wird.

Wir können aktuell nicht die genauen Umstände dieses Todes in Polizeigewahrsam einschätzen. Zeug*innenaussagen berichten aber glaubwürdige von einer bekannten, wohnungslosen, männlichen Person, die sich in einer akuten und durchaus aggressiven Krise befunden hat. Daraus entsteht das typische Bild  des politischen Versagens der Polizei: 

Umgang mit Menschen in psychischer Ausnahmesituation

Ein Großteil der Menschen, welche in Polizeieinsätzen ums Leben kommen, befinden sich in psychischen Ausnahmesituationen und/oder leiden an psychischen Erkrankungen. Oft handelt es sich hierbei um Personen, in deren Umgang eine besondere Sensibilität und Kenntnis der Krankheits- oder Gemütslage erfordert. Die Berichte über die Tathergänge, in denen Menschen durch die Hand der Polizei starben, machen deutlich, dass es hier an Kenntnis und Fachkompetenz im Umgang mangelt. Der Umgang mit psychisch erkrankten Menschen gehört zu den alltäglichen Herausforderungen der Polizei. Diese sollte über entsprechende Kompetenzen verfügen, um Herausforderungen, wie beispielsweise aggressives Verhalten und Eigengefährdung, zu begegnen. Hierzu gehört auch das Wissen über verschiedene Erkrankungen sowie die solide Ausbildung in Gesprächsführung und Deeskalations- und Präventionsstrategien und regelmäßiges Training. Auch das Erlernen von sicheren Fixierungsmethoden, die auch in psychiatrischen Kliniken zum Einsatz kommen, sollten zum Repertoire von diensthabenden Polizist*innen gehören, um eine Beruhigung der Situation und die Sicherheit und den Schutz aller Beteiligten zu ermöglichen.

Der Einsatz von Tasern

Nach jetzigem Wissensstand können wir den Zusammenhang des Todes des Opfers zum Einsatz eines Tasers annehmen. Der Einsatz von Elektroschockern, sogenannten Tasern, ist bundesweit kein Standard. Dortmund ist hier ein Experimentierfeld, in welchem der Einsatz dieser Distanzwaffen erprobt wird. Eigentlich besteht die Annahme, dass es sich bei Tasern um eine nicht-tödliche Distanzwaffe handelt. Bereits vor Einführung gab es Proteste gegen den Einsatz von Tasern, da es weil bekannt ist, dass deren Einsätze tödlich verlaufen können, wenn beispielsweise Vorerkrankungen vorliegen. Der heutige Fall  erinnert daran: Der Einsatz von Tasern kann zum Tod eines Menschen führen! Es muss Schluss sein, dass Polizeitaktiken und Waffen an der Gesellschaft im Rahmen unsicherer Feldstudien ausgetestet werden.

Während eine Abkehr von der Benutzung des Tasers vor diesem Hintergrund angebracht wäre, so ist die Verlängerung seines Einsatzes bis 2024 verlängert. Auch in anderen Städten, wie Bochum und Wuppertal, werden die Taser derzeit getestet. Bedingung dafür sei allerdings eine Einschaltung der Bodycams bei Einsatz. Im aktuellen Fall gibt es dazu bis dato keine Hinweise.

Die Betroffenen als marginalisierter Teil der Gesellschaft

Es handelt sich hierbei eigentlich um den offensichtlichsten der Kritikpunkte an tödlicher Polizeigewalt. 

Wenn Menschen durch die Hände der Polizei sterben, handelt es sich nahezu ausschließlich um marginalisierte Gruppen der Gesellschaft. Auch in diesem Fall handelt es sich um eine wohnungslose Person, offensichtlich psychisch beeinträchtigt. Menschen, die Opfer von Polizeigewalt werden, haben oft keinen politischen oder öffentlichen Rückhalt. Eine psychisch kranke wohnungslose Person hat in der Öffentlichkeit und gesellschaftlich kaum Zuwendung und Hilfe zu erwarten. Diese Unterdrückungsstrukturen spiegeln sich im Handeln der Polizei wider, denn sie reproduziert die gesellschaftliche Ablehnung dieser Bevölkerungsgruppen. 

Dieser Fall ist Ausdruck eines erkrankten und diskriminierenden Systems ist und für uns auch deshalb ein Grund, weiterhin die Kritik an der tödlichen Polizeipraktik öffentlich zu machen und zu thematisieren. Denn die Perspektive der Opfer und ihrer Angehörigen wird oft nicht gehört. 

Wir trauern um einen weiteren verstorbenen Menschen. Wir fordern Aufklärung der Umstände seines Todes und Konsequenzen für ein Ende der tödlichen Polizeipraktik.

Mitteilung zum Tod von Kupa Ilungo Medard Mutombo

WIR TRAUERN!

Die Initiative ReachOut veröffentlichte am 06. Oktober 22 eine Pressemitteilung, in welcher sie die Umstände des Todes von Kupa Ilunga Medard Mutombo aus Berlin erläutert. Der 64-jährige psychisch vorerkrankte POC sollte am 14.09. wegen seiner Erkrankung in ärztlicher und polizeilicher Begleitung in eine psychiatrische Klinik gebracht werden. Als er sich zunächst weigerte, drückten ihn die Beamt*innen zu Boden. Kupa wurde daraufhin reanimationspflichtig und musste 20 Minuten wiederbelebt werden!
Er verstarb nun Wochen später an den Folgen im Krankenhaus.

Erneut ist ein psychisch kranker Mensch an den Folgen eines Polizeieinsatzes verstorben.
Erneut handelt es sich um eine Person of Colour.
Erneut handelt es sich für uns hier nicht um einen Einzelfall, sondern um ein Opfer der tödlichen Polizeipraxis!

Die aktuellen Schilderungen beschreiben die bereits bekannten Muster, welche oft mit tödlicher Polizeigewalt einhergehen. So wurde auch hier eine Person in tiefer psychischer Krise der Konfrontation mit insgesamt einem ganzen Einsatzteam ausgesetzt. Da es sich außerdem um eine Person of Colour handelte, ist auch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese bereits traumatische Begegnungen mit der Polizei erfahren musste. Unabhängig von der offensichtlich schweren psychischen Erkrankung ist die Abwehr von Kupa Mutombo sicher verständlich.
In der Arbeit mit psychiatrisch erkrankten Menschen ist diese Abwehr oder auch „Fremdaggression“ Alltag. In den Kliniken müssen täglich Menschen, welche eigen- oder fremdgefährdendes Verhalten zeigen, leider fixiert werden oder aus der psychischen Krise herausgeführt werden.
Es ist daher unserer Auffassung nach unbegreiflich, dass die Beamtinnen mit der Ankündigung einer fremdaggressiven und traumatisierten Person nicht in der Lage sind, den Einsatz deeskalierend und professionell durchzuführen. Laut Angaben der Polizei ist Kupa Mutombo ohne Zutun der Polizei leblos zusammengesackt. Diese Angaben halten wir für nahezu unhaltbar. Denn sollte es sich wie vorangegangen tatsächlich um eine derart gefährdende Person gehandelt haben, dass 13 Beamtinnen zur Fixierung notwendig waren; wie kann die Person dann Minuten später in einen lebensbedrohlichen Krankheitszustand übergehen?
Nach den vorliegenden Berichten und Fakten gehen wir davon aus, dass es sich -ähnlich wie im Falle des von der Polizei ermordeten Afroamerikaners George Floyd- um eine direkte Folge der Fixierungstaktik der Polizei (Druck durch das Knie auf den Nacken einer Person) handelt.
Die Polizei ist unserer Ansicht nach daher voll umfassend für den Tod der Person verantwortlich, zu dessen eigenem Schutz sie gerufen worden waren!

Die Parallelen zu den Ereignissen in Dortmund vom 08.08.22 sind offensichtlich. Auch Mouhamed sah sich in psychischer Krise einem gesamten Einsatzkommando gegenüber. Auch er wurde Opfer von ungerechtfertigtem Gewalteinsatz. Auch in seinem Fall gibt es keine Verantwortungsübernahme durch die Polizei.

Kupa Ilunga Merdad Mutombos Name ist nur einer von vielen. Seine Geschichte ist beispielhaft für das Schicksal derjenigen, die Diskriminierung und Rassismus durch die Polizei ausgesetzt sind.

Wir trauern um Kupa Ilunga Merdad Mutombo. Wir trauern um die Opfer einer fehlerhaften Institution.
Diese Opfer verdienen Gerechtigkeit! Die Polizei muss Verantwortung für ihre tödlichen Strukturen übernehmen und Konsequenzen ziehen!

#JUSTICE4KUPA
#JUSTICE4ALLMOUHAMEDS