Was bedeutet #Justice4Mouhamed?
*Content Warning: Rassistische Gewalt, Suizidgefährung*
Am 08.08.wurde der 16-jährige Mouhamed Lamine Dramé in der Dortmunder Nordstadt erschossen. Der Jugendliche befand sich in einer tiefen psychischen Krise, die im Zusammenhang stehen mit der Erfahrung seiner Flucht aus dem Senegal nach Deutschland, mit den konkreten Grenzregimen in der Festung Europa, mit dem Versagen deutscher Behörden im Zuge der Aufnahme Fürsorge zu leisten, mit dem Versagen von psychiatrischer und medizinischer Hilfe. Er landete zufällig und allein in der Wohngruppe einer Jugendhilfeeinrichtung. Seine Betreuungspersonen riefen die Polizei, weil sie berechtigte Sorge hatten, dass Mouhamed sich selbst das Leben nimmt.
Als die Polizei eintraf, saß Mouhamed allein im Hinterhof der Jugendhilfeeinrichtung und hielt sich ein Messer an den Bauch. Die Polizei griff ihn in einem Großaufgebot nachweislich OHNE Bedrohung seinerseits und ohne Vorwarnung mit Pfefferspray und Taser (Elektroschocker) an. Als er dann geblendet und angegriffen aufstand, erschossen sie ihn mit einer Maschinenpistole.
Für uns ist das Mord an einem verzweifeltem und schutzbedürftigen Jugendlichen. Es ist eine grundlose und sinnlose Tötung. Wir fordern daher Aufklärung darüber, wie so etwas passieren kann. Wir fordern Gerechtigkeit für Mouhamed und seine Familie!
Das bedeutet JUSTICE4MOUHAMED.
Wer sind wir?
Wir sind ein Bündnis verschiedener Menschen und Gruppen aus Dortmund. Nach Mouhameds schrecklichem Tod haben sich viele Menschen aus dem Viertel, migrantische Communities und politische Gruppen zusammengefunden, um gemeinsam für eine Ende der brutalen Verhältnisse durch die Polizei und für ein Gedenken Mouhameds zu kämpfen.
Wir nennen uns daher Solidaritätskreis Justice4Mouhamed.
Was fordern wir?
Zum Einen geht es uns um eine lückenlose Aufklärung der Geschehnisse vom 08.08.22. Wir wollen wissen, warum ein Mensch, welcher sich verzweifelt ein Messer an den Bauch hält, für die Polizei als derart gefährlich wahrgenommen werden kann.
Wir beteiligen uns daher an der Nebenklage der Familie, um einen Prozess gegen die agierenden Beamt:innen zu begleiten und die Familie zu unterstützen.
Zum Anderen fordern wir ein Ende der herrschenden Gewaltpraxis der Polizei. Seit 1990 sind hunderte Menschen durch Polizeieinsätze oder in Polizeigewahrsam gestorben. Die meisten von ihnen waren von Rassismus betroffen oder litten unter psychischen Problemen. Für uns sind dies keine Einzelfälle. Wir sehen den Grund dafür, dass so viele Menschen sterben müssen, in den Strukturen der Institution Polizei.
In unserem Viertel, im Dortmunder Norden, leben wir alltäglich mit einer Polizei, die keine Sicherheit und keinen Schutz leistet und der wir nicht vertrauen können: Mouhameds Tod steht in Verbindung mit alltäglicher struktureller, mitunter tödlicher, rassistischer und diskriminierender Gewalt durch Polizei und polizeiliche Institutionen sowie soziale Verwahrlosung“
Wir fordern daher Konsequenzen für alle Beamt:innen, die Schließung der Dortmunder Nordwache und eine radikale Änderung der bestehenden Strukturen.
Was tun wir?
Aktuell arbeiten wir an einer bundesweiten Kampagne, welche die Aufmerksamkeit der Menschen auf das Problem „Tödliche Polizeigewalt“ lenken soll. Um das Problem sichtbar zu machen, veröffentlichen wir zum Einen die Namen von Opfern über soziale Medien, um ihrer zu gedenken und gegen das Vergessen ihrer Geschichte.
Auch arbeiten wir an bundesweiter Vernetzung mit solchen Initiativen, die im Widerstand gegen Polizeigewalt und Rassismus sind. Außerdem denen gedenken, die durch Polizei getötet wurden.
Durch diese Vernetzung hoffen wir das Netzwerk weiter mit aufbauen zu können, welches Familien von Opfern begleitet und unterstützen kann. Es soll langfristig der politische Druck so weit erhöht werden, dass sich die Verhältnisse innerhalb der Polizei und die polizeiliche Ordnung ändert.
Warum gibt es 1000 Mouhameds?
Mouhameds Geschichte und Tod sind für uns kein Einzelfall. Für uns ist diese eine von vielen schrecklichen Beispielen, die klar machen, dass Gewalt und Rassismus tief in den bestehenden Strukturen der Polizei verankert sind. Die Polizei reproduziert alltägliche Formen von Diskriminierung aus der Gesellschaft in ihrem Alltag. Mit dem Unterschied, dass sie über ein riesiges Gewaltpotenzial verfügt und diese Formen von Rassismus, Sexismus, Misogynie, Behindertenfeindlichkeit und Ableismus oder anderen Unterdrückungsformen in Gewalt und Tod enden können.
Rechte Strukturen in der Polizei sind nur die Spitze des Eisbergs.
Unserer Meinung nach wird es Todesopfer von Polizeigewalt so lange geben bis die Strukturen nicht grundlegend aufgebrochen und verändert werden.
Daher ist für uns jedes Todesopfer Ausdruck der unterdrückenden Verhältnisse. Darum gibt es für uns 1000 Mouhameds.
Wie kann ich helfen?
Willkommen ist jeder Mensch, der sich an diesem Kampf beteiligen will.
Kontaktiert uns gerne über unsere Kanäle (Mail oder Instagram) oder kommt zu unseren Kundgebungen immer am ersten Montag des Monats am Kurt-Piehl-Platz in Dortmund. Gerne heißen wir euch auch bei unseren Treffen willkommen.
Wer sich in kleinerem Umfang betätigen will, kann auch über Social Media unsere Bilder und Inhalte weiterverteilen. Entwickelt auch gerne eigene Ideen um den Opfern tödicher Polizeigewalt zu gedenken.
Ich brauche Hilfe
Unabhängig von tödlicher Polizeigewalt ist uns bewusst, dass viele Menschen auch anderen Übergriffen rassistischer, misogyner, ableistischer oder anderer Gewalt ausgesetzt sind. Wir unterstützen euren Kampf genau so und helfen euch gerne weiter, so gut wir können. Wenn ihr Hilfe benötigt oder auf eure Geschichte aufmerksam machen wollt, könnt ihr uns kontaktieren.
Wir stehen in Kontakt mit Beratungsstellen von Opfern von bspw. rassistischer Gewalt und vermitteln euch gerne weiter oder diskutieren mit euch über Lösungen für eure Geschichte.