Redebeiträge der Demonstration am 19.11.

Wir veröffentlichen hier, in Absprache mit den entsprechenden Gruppen und Initiativen, einige der Redebeiträge, die am 19.11. während der Demonstration „Es gibt 1000 Mouhameds. Sie verdienen Gerechtigkeit!“ gehalten wurden.

Grußwort von Mouhameds Bruder Sidy

Mohamed Dramé était un frère sympa il aimait tout le monde, il partageait avec tous ses amis le peu qu’il avait. Il vivait une vie harmonieuse, il aimait plaisanter avec tout le monde. Il était passionné du football on le surnommé même Sadio Mané et étais un excellent ailier droite. Il aimait écouter le roi du mbakakh Youssou Ndour, car ses chansons le fortifiaient et lui donnaient plus de courage pour affronter la réalité delà vie.
Après son assassinat toute la famille était meurtrie, ma mère était inconsolable jusqu’à présent elle a du mal à y croire. Mon père aussi est très choqué de sa disparition. On récent une énorme vide dans la famille, franchement mon frère nous manques tellement! Bon! Nous espérons que le meurtre sera illucidé et que les responsables soient traduites en justice pour qu’il puisse reposer en paix. Nous souhaitons aussi que les bonnes volontés nous vienne en aide et que le gouvernement allemand prend des mesures strictes pour qu’on présent le jour du procès. Merci!

Mohamed Dramé war ein freundlicher Bruder, der alle Menschen liebte und das Wenige, was er hatte, mit seinen Freunden teilte. Er lebte ein harmonisches Leben und scherzte gerne mit jedem. Er war ein leidenschaftlicher Fußballer, der sogar Sadio Mané genannt wurde und ein hervorragender Rechtsaußen war. Er hörte gerne den König des Mbakakh, Youssou Ndour, denn seine Lieder stärkten ihn und gaben ihm mehr Mut, um sich der Realität des Lebens zu stellen.
Nach seiner Ermordung war die ganze Familie verletzt, meine Mutter war untröstlich, bis heute kann sie es kaum glauben. Auch mein Vater ist sehr schockiert über sein Verschwinden. Wir haben eine große Lücke in der Familie hinterlassen und vermissen meinen Bruder sehr. Wir hoffen, dass der Mord aufgeklärt wird und dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden, damit er in Frieden ruhen kann. Wir hoffen auch auf die Hilfe von Menschen guten Willens und dass die deutsche Regierung strenge Maßnahmen ergreift, damit wir am Tag des Prozesses anwesend sind. Vielen Dank!

Redebeitrag von zwei Einzelpersonen

Zunächst möchte ich sagen, wie sehr ich mich darüber freue, dass heute so viele Menschen erschienen sind, um Mouhamed zu gedenken und ein Zeichen gegen Polizeigewalt zu setzen.


Es ist wichtig zu verstehen. weshalb die Polizei Mouhamed ermordet hat. Mouhamed wurde ermordet, weil er schwarz war. Seine Hautfarbe, sein Schwarz sein waren sein Todesurteil. Denn schwarze Menschen werden in dieser rassistischen Gesellschaft nicht als verletzliche Menschen wahrgenommen, sondern immer zuerst als Bedrohung. Dabei sind wir diejenigen, die alltäglichen Bedrohungen ausgesetzt sind. Und die Polizei ist eine davon. Mouhamed ist nicht die erste schwarze Person, die Gewalt durch die Polizei erfahren hat und wird leider auch nicht die letzte bleiben. Ich bin mir sicher: Jede anwesende schwarze Person hier kann von rassistischen Erfahrungen mit der Polizei berichten. Denn das ist traurigerweise unser Alltag, unsere Lebensrealität. Freund und Helfer war die Polizei für uns schwarze Menschen noch nie. Stattdessen begegnet sie uns mit Vorurteilen, Ignoranz, Respektlosigkeit und schlicht und einfach purem Hass. Eine Instanz, die eigentlich für unseren Schutz und unsere Sicherheit sorgen soll, nutzt ihre Macht aus, um uns zu diskriminieren und zu unterdrücken. Jedes Mal aufs Neue beweist uns die Polizei ihre Unfähigkeit und demonstriert uns ihr komplettes Versagen in jeglicher Hinsicht. Und die Leidtragenden dabei sind letztendlich WIR.


Aber eines ist sicher: Wir lassen uns nicht unterkriegen, wir werden nicht schweigen und kämpfen weiterhin für unsere Rechte. So wie es schon Patrice Lumumba, Thomas Sankara, Yaa Asantewa, Mammy Yoko und viele weitere taten. Wir sind schwarz, wir sind stolz, wir sind stark. Und wir werden nicht ruhen, ehe wir die Gerechtigkeit erhalten, die wir verdienen, die Mouhamed verdient und die all unsere anderen Brüder und Schwestern verdienen.

Und nun richte ich mich an unsere weißen Mitmenschen. Wir wollen euer Mitleid nicht. Wir wollen eure Wut und eure Empörung! Wir wollen, dass ihr aufhört wegzuschauen und euch aktiv gegen Rassismus einsetzt. Hört zu, wenn wir über die Diskriminierung berichten, die wir tagtäglich erleben und nehmt sie ernst. Seid unsere Stimme, wenn unserer kein Gehör geschenkt wird. Nutzt eure Privilegien, um uns zu unterstützen. Wieso braucht es erst einen Mord an einem Jugendlichen, um euren Aufschrei zu erwecken? Rassismus tötet, aber ihr habt die Macht, das zu verhindern.


Möge Mouhamed in Frieden ruhen.

Initiative Amed Ahmad

Wir sind tief beeindruckt von der power und Solidarität, die hier heute in Dortmund spürbar ist.

Wir richten den Angehörigen und Freund: innen von Mouhamad unser tiefes Mitgefühl aus. Euer Schmerz ist auch unser Schmerz.

Amed Ahmad wurde 2018 in Geldern unrechtmäßig inhaftiert und er starb im Alter von 26 Jahren an den Folgen eines bislang ungeklärten Zellenbrandes.
Die Freund:innen von Amed haben sich nach der ersten gemeinsamen Demo in Geldern im Jahr 2018 verstärkten Repressionen durch die Polizei ausgesetzt gesehen und wenig Zuspruch aus der Gelderner Stadtgesellschaft erfahren. Aufklärung im Fall Amed gab es trotz PUA nicht. Amed wurde in den Ermittlungen vom Opfer zum Täter gemacht. Wir alle wissen: Auf den Staat ist kein Verlass. Für Aufklärung und Gerechtigkeit müssen wir selber kämpfen. Diese Demo ist ein starkes Zeichen gelebter Solidarität!

Für uns ist es sehr ermutigend zu sehen, dass heute, und auch schon in den letzten Wochen, so viele Menschen zusammengekommen sind, denen Mouhamed nicht egal ist, die sich solidarisch zeigen, die Angehörigen und Freund:innen nicht alleine lassen und Veränderungen fordern.
Es ist wichtig, dass die vielen Stimmen derjenigen, die schon zu lange nicht ernst genommen oder überhört wurden, endlich mit ihren Anklagen Gehör und Anerkennung finden.

Denn solange aus diesen Erfahrungen und Forderungen keine tiefgreifenden Konsequenzen gezogen werden, werden weiterhin Menschen in Polizeigewahrsam sterben.

Wir wünschen euch allen, und insbesondere der Familie, den Freund:innen und dem Solidaritätskreis Mouhamed viel Kraft und Solidarität in dieser schwierigen Zeit!

DIDF-Jugend Dortmund

Liebe Freund:innen,

ich bin Ege und spreche hier für die DIDF-Jugend Dortmund. Wir machen seit mehr als 40 Jahren politische Arbeit in der Nordstadt. Hier auf der Seite der Stadt, wo die Menschen leben müssen, die keine andere Wahl haben, weil das Geld für noch teurere Wohnung nicht reicht. Hier leben größtenteils vor allem die Menschen ohne Perspektive. Es sind vor allem die Menschen, die von einem prekären Lebens- und Arbeitsverhältnis ins nächste Rutschen.

In den 40 Jahren, die wir hier sind in der Nordstadt, hat sich an diesen Verhältnissen nichts verändert. Statt uns Menschen aus der Nordstadt endlich eine lebenswerte Zukunft zu schaffen, schickt man uns regelmäßig Polizei ins Viertel, installiert Kameras, um uns zu überwachen und nutzt Taser um uns, wie sie sagen, „außer Gefecht“ zu setzen.

All das sind Maßnahmen die uns nur deutlich zeigen, dass Ihr Menschen aus der Politik, Medien und der Polizei uns schon längst alle pauschal als Kriminell abgestempelt habt. Liebe Polizei, ihr seid nicht Teil der Lösung unserer Probleme! Ihr seid ein Teil des Problems!

Liebe Freund:innen

So auch am 08. August 2022 kamen sie in die Nordstadt ohne Dolmetscher, ohne Psychologen. Sie kamen mit 11 Polizeibeamten, bewaffnet mit Pfefferspay, Taser und verdammt noch mal einem Maschinengewehr, um einen 16-jährigen aufzuhalten oder zu ermorden!

Wir bezweifeln sehr stark, dass nur einer das ehrliche Interesse hatte, Mouhamed zu helfen.

Herbert Reul, Innenminister von NRW, hat sofort versucht nach der Tat darzustellen, wie Mouhamed eine Bedrohung gewesen sein soll. Die Untersuchungen, die nur so weit gingen, weil es einen öffentlichen Druck gab, haben aber deutlich gezeigt, er war zu keinem Zeitpunkt für jemand anderen eine Bedrohung. Erst Pfefferspray, dann Taser und nur 0,7sek später wurde auf den Jungen geschossen.

Herbert Reul, treten sie sofort von ihrem Posten zurück, sie haben gelogen und bewusst Hass geschürt, der zum Mord an einem 16-jährigen geführt hat. Die ständigen Polizeirazzien, wo sie sich stolz hinstellen und von Bekämpfung der Kriminalität prahlen, sind nichts als Schikane. Oder erklären sie mir, was die Handgreiflichkeiten und Erniedrigung der Polizei, gegen eine Schwangere Shishabar Besitzerin, mit Bekämpfung von Kriminalität zu tun haben!

Und wo bleiben eigentlich die Razzien wegen den rassistischen und faschistischen Polizeichats in NRW? Wo bleibt die Bekämpfung von rechten Strukturen im Verfassungsschutz und Bundeswehr? Sie zeigen uns ganz deutlich, was für Sie Priorität hat!

Liebe Freund:innen vergesst nicht…

Es fielen sechs Schüsse,

fünf trafen den Jungen in Schulter, Bauch, Unterarm und Kiefer.

Er verstarb,

während einer Notoperation im Krankenhaus…

DAS IST KEIN EINZELFALL

Wir sagen nochmal deutlich:

Schluss mit rassistischer Polizeigewalt in unserem Viertel!

Reul muss zurücktreten und die Polizei Beamten müssen sofort bestraft werden!

Wir brauchen Perspektiven statt Polizeigewalt in unserem Viertel!

Wir rufen alle Dortmunder:innen zur Solidarität auf, wenn wir zusammen stehen und uns nicht spalten lassen bekommen sie uns nicht klein…

Wir machen kein Schritt zurück!

Recherchegruppe Death in Custody

Hallo Dortmund, wir von der Recherchegruppe Death in Custody grüßen euch solidarisch aus Berlin!

Wir richten unseren Gruß vor allem auch an die Familie von Mouhamed im Senegal, die um Mouhamed trauert und ohne ihn weiterleben muss. Wir wollen im Kampf um Gerechtigkeit an ihrer Seite stehen. Wir gedenken Mouhamed Lamine Dramé und all der anderen, die durch Rassismus und Polizeigewalt aus dem Leben gerissen wurden.

Was wir machen, das wissen viele von euch schon: Wir dokumentieren unter doku.deathincustody.info Todesfälle in Gewahrsam, bei denen rassistische Hintergründe nicht ausgeschlossen werden können. Mittlerweile verzeichnen wir da mehr als 200 solcher Todesfälle. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn die wenigsten Fälle werden von der Öffentlichkeit überhaupt wahrgenommen. Wenn dann doch darüber berichtet wird, tragen die Medien häufig dazu bei, die polizeiliche Version der Ereignisse – und damit auch die Vertuschungsversuche – unkritisch zu verbreiten. All zu schnell werden die Getöteten in der nachträglichen Darstellung zu den eigentlichen Aggressoren erklärt. Damit niemand nachhakt, heißt es dann üblicherweise, die Betroffenen seien vor ihrer Tötung aggressiv gewesen, in einem psychischen Ausnahmezustand oder unter dem Einfluss irgendwelcher Drogen. Als ob das rechtfertigen könnte, dass man sie gewaltsam ums Leben bringt!

Es ist Aufgabe der Zivilgesellschaft, von Angehörigen und Aktivist*innen, Widersprüchlichkeiten in der polizeilichen Darstellung der Ereignisse aufzudecken. Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh hat es vorgemacht: Nur Dank ihrer hartnäckigen und unermüdlichen Arbeit wissen wir heute, dass er im Januar von Dessauer Polizist*innen ermordet wurde. In der offiziellen Darstellung seiner Todesumstände heißt es nämlich, dass er sich – mit Händen und Füßen an einer feuerfesten Matratze gefesselt – selbst angezündet haben soll. Die Initiative hat u.a. mit unabhängigen Brandgutachten bewiesen, dass das nicht stimmen kann, und vielmehr naheliegt, dass er von Dessauer ermordet und zur Vertuschung angezündet wurde.

In NRW möchten wir in diesem Zusammenhang auch auf die Initiative in Gedenken an Amed Ahmad verweisen. Amed Ahmad kam 2018 in einem Zellenbrand der JVA Kleve ums Leben. Warum das Feuer ausbrach, ist bis heute ungeklärt. Hilferufe von Amed Ahmad wurden ignoriert. Der Kurde war aus Syrien nach Deutschland geflüchtet. Er saß über zwei Monate zu Unrecht im Gefängnis, seine Verhaftung war angeblich die Folge einer Verwechslung. Obwohl dieser Irrtum offensichtlich war, wurde er erst aufgeklärt, als Amed Ahmad schon im Sterben lag. Trotz vieler Widersprüchlichkeiten und offener Fragen hinsichtlich der Verantwortung der zuständigen Behörden und Beamt*innen stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren 2019 ein. Amed Ahmads Angehörige und Freund*innen kämpfen seither weiter für Gerechtigkeit.

Auch bei Mouhamed Lamine Dramé erkämpfen nun Initiativen wie der Solidaritätskreis Mouhamed einen öffentlichen Druck, der es der Polizei und Politik schwer macht, ihr Versagen zu vertuschen. Wir haben alle mitbekommen, dass die Darstellung der Polizei zu ihrem tödlichen Einsatz mittlerweile wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen ist. Inzwischen geben selbst Polizisten, die an dem Einsatz beteiligt waren, zu: Mouhamed war nicht aggressiv, er hat einfach nur dagesessen, als sie ohne Vorwarnung mit Tasern und Maschinenpistolen auf ihn schossen. Die gesamten Todesumstände von Mouhamed machen uns sprachlos und fassungslos.

Doch wir dürfen nicht sprachlos und fassungslos bleiben. Ganz im Gegenteil: Jetzt liegt es an uns allen, den öffentlichen Druck weiter aufrechtzuerhalten und gemeinsam zu fordern, dass die Verantwortlichen für Mouhameds Tod endlich zur Rechenschaft gezogen werden!

Schluss damit, die schwerbewaffnete Polizei auf Menschen in Krisen zu hetzen – stattdessen braucht es endlich soziale Lösungen für soziale Probleme und brauchbare Unterstützung für Menschen in psychischen Ausnahmezuständen!

Schluss damit, dass die Polizei töten kann, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen – für eine vollständige Aufklärung, Konsequenzen und vor allem eine Verhinderung weiterer solcher Todesfälle!


Für Mouhamed und all die anderen: No Justice No Peace!

Antifa Medienzusammenhang Dortmund (amzdo)

Die Rede wurde zuerst auf https://www.freie-radios.net/118713 veröffentlich, ihr könnt sie auch dort anhören oder herunterladen.

Es folgt ein Wortbeitrag des Antifa Medienzusammenhangs Dortmund, besser bekannt als @amzdo bei Twitter.


„Bestürzung“ verspürte Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange im August – nicht wegen des tödlichen Polizeieinsatzes, sondern wegen des „Vertrauensverlusts“ der Stadtgesellschaft in die Polizei. Menschen gegenübersitzend, die von polizeilichem Rassismus betroffen sind,brachte er es kurz später gar fertig, hervorgebrachte Kritik als nicht repräsentativ für die Stadtgesellschaft abzuwerten. Nur zwei, jedoch prägende Beispiele dafür, wie sehr die Polizei in Dortmund in ihrer ganz eigenen Wahrnehmung und Realität lebt. Diese Perspektive auf das eigene Handeln wird maßgeblich von einer großen Medienabteilung im Polizeipräsidium geprägt. Kein Tag vergeht ohne Pressemitteilungen und Tweets, die die Polizei und ihre Einsätze genau so darstellen, wie sie selbst das gerne von sich liest. Eine Darstellung, bei der sich die Institution meistens darauf verlassen kann, dass sie von den Medien und damit von Gesellschaft und Justiz unhinterfragt übernommen wird. Für viele Journalist*innen gilt die Polizei noch immer als sogenannte „privilegierte Quelle“, deren Meldungen ohne weitere Nachprüfungen übernommen werden. Und hier liegt das Problem: Denn die Polizei ist keine privilegierte Quelle – sie ist Akteurin. Und dies gerade in der Nordstadt, die seit Jahren ein Experimentierfeld polizeilichen Handelns ist, welches in anderen Teilen Dortmunds undenkbar wäre. Ob Videoüberwachung, „strategische Fahndung“, „gefährliche Orte“ oder Taser-Einsatz. Dabei stets selbst-legitimiert durch die eigenen Erzählung von „kriminellen Strukturen“, „rechtsfreien Räumen“ und der Notwendigkeit einer durchgreifenden, ordnenden Staatsmacht agiert die Dortmunder Polizei hier nach einem Konzept, das man nur unter dem Titel „Rassismus und Repression“ zusammenfassen kann.

Kommunikation ist dabei alles. Jede noch so erfolglose Razzia, jeder Einsatz der vermeintlichen „Wunderwaffe Taser“ wird von Polizei-PR und vorgegaukelter Transparenz in die Social-Media-Welt posaunt – reinste „Copaganda“ und sonst nichts.
Dabei ist man sich der eigenen Deutungsmacht mehr als bewusst und will jegliche Kritik an polizeilichem Handeln im Keim ersticken.
Das erklärt dann auch die „Bestürzung“ der Polizei, wenn diese Deutungshoheit in Frage gestellt wird – ja gar ins Wanken gerät. Zum Beispiel, als die Tötung des 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé sich nicht einfach vertuschen ließ – auch wenn die Polizei alles versuchte, um die Schüsse unmittelbar als Notwehr zu framen.

Doch was brachte die „Copaganda“ dieses Mal ins Wanken?
All die Menschen, die hinsahen, ihre Wut und Trauer aussprachen und miteinander teilten. Der überall wahrnehmbare Aufschrei im Viertel – zu laut, um ignoriert zu werden. Das intuitive Wissen vieler Menschen, dass es genauso gut sie oder ihre
Angehörigen hätte treffen können. Letztlich: Die Menschen in der Nordstadt haben schlicht genug von einer Polizei, die sie ständig diskriminiert, gängelt und angreift.

Und deren Antwort? Hilflos. Sie heißt allen Ernstes: „Talk with a Cop“. Ein Format, in dem sich Polizist:innen einmal in der Woche an öffentlichen Plätzen zum Gespräch stellen. Wie soll das Angst abbauen, wenn gleichzeitig die Kolleg:innen die nächste Razzia durchführen? Wer soll einer Polizei, die offensichtliche Probleme wie Rassismus und Polizeigewalt beharrlich leugnet, irgendetwas glauben? Wer soll einer Institution vertrauen, die mehr als einmal bewiesen hat, dass der Schutz der eigenen Leute über allem anderen steht? Die Abwehrreflexe, die entstehen, wenn das Dunkelfeld der Polizeigewalt erhellt und ihre Version der Geschichte angezweifelt wird, sind bezeichnend.

Nein, wir wollen nicht mit Cops „talken“.
Nein, wir glauben nicht an Einzelfälle.
Nein, wir glauben nicht an die Möglichkeit einer „guten Polizei“.

Wir wollen diese Institution nicht reformieren, wir wollen sie gar nicht mehr.

Wir fordern Alternativen zur Polizei: No justice – no peace – abolish the police!

Bürger*inneninitiative Schlafen statt Strafen

Wir sind alle extrem wütend über den Polizeimord an Mouhamed. Wir sind hier, weil wir ein Ende der ständigen Polizeigewalt verlangen, damit nicht noch mehr Menschen getötet werden!

Diese Polizeigewalt hat in Dortmund vor kurzem neben Mouhamed noch ein weiteres Opfer gefordert. Am 19. Oktober, also genau heute vor einem Monat, hat die Polizei Dortmund einen weiteren Menschen getötet. Sie haben einen weiteren Menschen, der sich in einer psychischen Ausnahmesituation befand, mit einem Taser angegriffen. Dieser Mensch, ein Obdachloser, ist daran gestorben. Leider wissen wir noch nicht mal seinen Namen.

Die Polizei hat ein Rassismus-Problem. Die Polizei kann nicht mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen umgehen. Die Polizei kennt generell nur die Sprache der Gewalt. Wir haben das heute schon in vielen Reden gehört. Auch andere marginalisierte Gruppen bekommen häufig diese Gewalt zu spüren. Armut erhöht die Gefahr, Opfer von Polizeigewalt zu werden, dramatisch. Und besonders Obdachlose sind dem schutzlos ausgeliefert. Da sie in der Gesellschaft als gescheiterte Existenzen stigmatisiert werden, haben sie sehr wenig Rückhalt und Übergriffe gegen sie führen selten zu einem Aufschrei. 

Das hat man auch bei dem Obdachlosen gesehen, der von der Dortmunder Polizei getötet wurde. Er wurde von der Polizei als „Randalierer“ diffamiert, die Lokalpresse hat das einfach übernommen und damit war sein Tod für die Mehrheitsgesellschaft gerechtfertigt. Wir finden, dass das ein Skandal ist! Jeder Mensch hat, unabhängig von seinem Aussehen, von seiner Klassenzugehörigkeit, dasselbe Recht auf ein würdevolles Leben und auf körperliche Unversehrtheit! Niemand darf einfach so Opfer von Gewalt werden!

Die meisten Obdachlosen, mit denen wir reden, berichten uns von Gewalt, Willkür und einem allgemein respektlosen Umgang der Polizei mit ihnen. Da sie sich zwangsläufig ständig im öffentlichen Raum aufhalten, haben sie keinen Rückzugsort, wo sie davor sicher wären. Dazu kommt, dass viele Obdachlose auch mit körperlichen oder psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben, und ein überproportionaler Anteil hat keinen deutschen Pass und spricht nur schlecht oder gar kein Deutsch. Diese Menschen sind mehrfach von Diskriminierung betroffen und erfahren rassistische, klassistische und ableistische Gewalt und Ausgrenzung. Die Polizei hat daran einen großen Anteil, aber sie spiegelt natürlich auch die generelle gesellschaftliche Ausgrenzung dieser Menschen wider.

Politik und Wirtschaft vertreiben mithilfe der Polizei obdachlose Menschen aus den Innenstädten in Dortmund und auch in anderen Orten. Es muss endlich anerkannt werden, dass die Ursache für Wohnungslosigkeit systemische Probleme der Gesellschaft sind, anstatt die Gründe bei den Menschen zu suchen. Wir können die Einstellung der Gesellschaft und die diskriminierende Praxis der Polizei nicht weiter hinnehmen. Wir fordern, dass die Tötung des obdachlosen Menschen in Dortmund unabhängig und unvoreingenommen untersucht wird; wir haben im Fall Mouhamed gesehen, wie wenig man den Darstellungen der Dortmunder Polizei trauen kann.

Es braucht Hilfe und Unterstützung für die Menschen anstatt immer wieder Repression!

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