Pressemeldung: Prozessbeginn am 19.12.2023

498 Tage nach den tödlichen Polizeischüssen müssen sich ab dem 19.12.2023 fünf der insgesamt über zehn beteiligten Beamt*innen der Wache Nord vor dem Dortmunder Landgericht verantworten.

Der Solidaritätskreis Justice4Mouhamed wird den gesamten Prozess kritisch begleiten und dokumentieren und ruft zur solidarischen Prozessbeobachtung auf.
Am Tag des Prozessauftakts am Dienstag, den 19.12.2023, ist eine Kundgebung vor dem Dortmunder Landgericht angemeldet. Interessierte, die Öffentlichkeit sowie Pressevertreter*innen sind willkommen zu Kaffee oder Tee, der Prozess selbst startet um 14 Uhr. Ob nun im Gerichtssaal oder vor dem Gebäude:
Hier gilt es wie seit fast 500 Tagen – JUSTICE FOR MOUHAMED!

Wünsche der Familie

Wie seit Beginn unserer Arbeit, sieht sich der Solidaritätskreis auch weiterhin der Familie Mouhameds verpflichtet und steht in engem Kontakt mit ihnen. Ihr Wunsch ist auch eine zentrale Forderung des Solidaritätskreises: Ihnen muss die Chance gegeben werden, als offizielle Nebenkläger*innen im Verfahren an diesem teilzunehmen. Darüber hinaus wünscht sich die Familie eine Symbolkraft des Verfahrens über die Bestrafung der Beschuldigten hinaus.
Mouhameds Geschichte soll ein Präzendenzfall werden: Die Familie fordert, dass die Polizei endlich die Verantwortung übernimmt und anerkennt, dass Mouhamed zu Unrecht erschossen wurde. Die Tat darf nicht als Notwehrhandlung konstruiert werden: Nicht Mouhamed war der gewalttätige Angreifer, sondern die ihm eigentlich zur Hilfe gerufenen Polizist*innen! Die Familie erwartet Gerechtigkeit in der Weise, dass Mouhameds Fall sich niemals wiederholen darf.
„Nichts auf der Welt wird Mouhamed zurückbringen. Wir wollen Gerechtigkeit in Mouhameds Namen und für die Familie Dramé. Alle Verantwortlichen, die an Mouhameds Tötung beteiligt waren, müssen erklären, was passiert ist und vor allem Rechenschaft für ihre Taten abgeben. Wir erwarten eine moralische Reparation, in der klar gemacht wird, dass Mouhamed das Opfer war“, stellte Mouhameds Bruder Sidy uns gegenüber fest, als er vom baldigen Prozessbeginn erfuhr.

Was wird verhandelt?

Der Dienstgruppenleiter des Polizeieinsatzes ist wegen Anstiftung zur Körperverletzung angeklagt. Zwei Polizistinnen und einem Polizisten wird wegen des Einsatzes von Pfefferspray bzw. Tasern gefährliche Körperverletzung im Amt vorgeworfen. Der Polizist, der direkt (0,7 Sekunden) nach dem zweiten Taser-Einsatz Mouhamed mit 6 Schüssen aus einer Maschinenpistole erschoss, ist wegen Totschlags angeklagt.
Der Einsatzleiter als Gesamtverantwortlicher in der Hierarchie sowie einsatztaktisch vor Ort, sieht sich demnach mit der geringsten Anklage konfrontiert: Einzig sein dezidierter Befehl zum Einsatz des Pfeffersprays („Einpfeffern…das volle Programm“) ist hierbei juristisch angeklagt. Seine Einsatzkonzeption, die Einteilung des sogenannten Sicherungsschützen, der ebenfalls von ihm angeordnete Angriff mit Tasern – all dies findet in der Anklage gegen ihn keine Beachtung.

Der Solidaritätskreis begrüßt die Schlussfolgerung von Oberstaatsanwalt Carsten Dombert, der bereits im Vorfeld des Prozesses feststellte, der Einsatz sei unverhältnismäßig abgelaufen, weit jenseits einer Notwehr- oder Nothilfelage. Die Polizist*innen hatten eine statische Lage vorgefunden und diese durch ihre falsche Einsatztaktik eskaliert.
Nur jene, die Mouhamed direkt mit Waffengewalt angriffen, sehen sich nun einer juristischen Konfrontation gegenüber – alle übrigen am Einsatz Beteiligten bleiben bis heute gänzlich unbelangt.

Unsere Erwartungen an den Prozess

„Unabhängig vom Verlauf und den Ergebnissen des Prozesses steht für uns fest, dass der Einsatz eine komplett einseitige Gewalteskalation war. Keine Einsatzkonzepte oder Richtlinien der Polizeiarbeit können diesen gewaltsamen Tod rechtfertigen, genauso wenig wie die juristische Reduktion auf individuelles Fehlverhalten oder einen Einzelfall!“
Nur zwei Prozent aller angezeigten Gewalttaten durch Polizist*innen werden vor Gericht angeklagt und einzig der Fakt, dass hier durch den immensen öffentlichen Druck, die von der Dortmunder Polizei zuerst gewählte Strategie der Vertuschung nicht aufging, führte zu diesem Prozess. „Auch am Ende des Prozesses wird unser Kampf gegen rassistische Polizeigewalt sowie strukturelles Versagen der Institution Polizei nicht abgeschlossen sein. Wir werden auch weiterhin gemeinsam mit der Familie Dramé für Gerechtigkeit kämpfen und an Mouhamed erinnern“, so eine Sprecherin des Solidaritätskreises.

Der Solidaritätskreis begrüßt einen kürzlichen, recht spontanen Besuch seitens der Familie hier in Dortmund, bei dem sie erstmals am Tatort trauern konnten.
Bei diesem kurzen Aufenthalt in Deutschland, der nicht vom Solidaritätskreis organisiert wurde, konnten Mouhameds Vater Lamine und sein Bruder Sidy Dramé persönlich begrüßt werden. In diesem Zusammenhang haben sie ihren Wunsch, beim Prozess vor Ort zu sein, nochmals bekräftigt.
„Wir werden alles daran setzen, um der Familie Dramé die Teilnahme am Prozess zu ermöglichen“, so der Solidaritätskreis. Um dieses Ziel zu erreichen, wird in Kürze eine Spendenkampagne starten.

Wir fordern Gerechtigkeit!
JUSTICE FOR MOUHAMED!

  1. Prozesstag:
    Dienstag 19.12.2023,
    Prozessbeginn: 14 Uhr
    KUNDGEBUNG ab 12 Uhr
    Landgericht Dortmund

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