Der Redebeitrag als Audio-Datei:
Liebe Demonstrierende, Gefährt*innen, Freund*innen,
Der Solidaritätskreis Justice4Mouhamed sendet euch zum internationalen Tag gegen Polizeigewalt solidarische, wütende, trauernde und kämpferische Grüße aus Dortmund.
Wir haben unsere Arbeit begonnen, nachdem der Jugendliche Mouhamed Lamine Dramé, am 8. August 2022, von der Dortmunder Polizei, durch die Schüsse einer Maschinenpistole getötet wurde, nachdem zweimal ein Taser und eine Flasche Pfefferspay gegen ihn eingesetzt wurden, während er sich in einer psychischen Notlage befand und keine Gefahr für dritte darstellte.
Leider ist dieses traurige Ereignis kein Einzelfall. Jedes Jahr sterben Menschen in Händen der Polizei oder durch ihre Einwirkungen.
Heute, aber nicht nur heute, am 15.03. – dem internationalen Tag gegen Polizeigewalt – möchten wir erinnern, denn die getöteten Menschen haben Namen und Geschichten, die sie mit anderen Menschen verbinden. Dem entgegen steht die erschreckende Tendenz der Vertuschung, denn noch immer gibt es keine offiziellen Dokumentationen und nicht bei allen getöteten ist der Name bekannt. Ein Beispiel dafür ist der tödliche Einsatz am 19.10.22, ebenfalls in Dortmund, bei dem ein Wohnungsloser starb, nachdem ein Taser eingesetzt wurde.
Während noch nicht einmal eine offizielle Dokumentation gesichert ist, können wir eine Hochrüstung und Militarisierung der Polizei, bei gleichzeitiger Ausweitung derer Befugnisse z.B. durch verschärfte Polizei- und Versammlungsgesetze beobachten.
Eine Kontrolle der Institution Polizei, die in einem Staat das Gewaltmonopol hat, scheint dabei nicht von Nöten. Wenn der Staat keine Verantwortung, wie zum Beispiel zur Dokumentation von Todesfällen und keine kritische Reflektion vornimmt, so ist die exklusive Logik keine Überraschung mehr. Wenn die Polizei sagt, sie ist ein Spiegel der Gesellschaft, so hat sie ebenso wie diese diskriminierende Tendenzen, die im schlimmsten Falle zum tot führen können. Die Mehrzahl der getöteten Menschen ist of color, migrantisiert, arm, oder/und in einer psychischen Notlage bzw. Ausnahmesituation.
Eine verstärkte Diversitfizierung von Beamt*innen ist in dieser Hinsicht keine Lösung, denn auch diskriminierte Menschen, sich nicht frei von der Fähigkeit andere zu diskriminieren oder zu unterdrücken.
Die polizeiliche Logik folgt einem Gut-Böse-Schema, bei dem die Polizei ersteinmal auf der guten Seite zu stehen scheint, da sie vom Staat legitimiert ist. Nur 2% der Fälle von Polizeigewalt landen vor Gericht, wiederum nur 2% davon werden verurteilt.
In Dortmund findet gerade ein Prozess gegen 5 der am Einsatz beteiligten Polizist*innen statt und dieser verläuft höchst fragwürdig:
-> Es wurde seitens des Gerichts keine Mühe unternommen, der Familie, welche als Nebenklage auftritt, das Erscheinen zu den Gerichtsterminen möglich zu machen, obwohl es ihnen ein dringenden Anliegen war. Die Familie hat einen Angehörigen verloren! Um die Anreise, Visumsangelegeneheiten, etc. mussten wir uns kümmern.
-> Die Haltung des Richters ist gegenüber den Angehörigen respektlos. Ihre Anwesenheit wird weder gewürdigt, noch wird an Stellen pausiert, an denen sie aus emotionalen Gründen nicht mehr folgen können. Für eine Schöffin wurde jedoch pausiert.
-> Die Beamt*innen wurden zu Anfang der Ermittlung von ihren Kolleg*innen in Recklinghausen als Zeug*innen, nicht beschuldigte vernommen, ob die Aussagen nun verwertet werden können, ist weiterhin unklar.
-> auf die Zeug*innen, die Mitarbeitenden der Jugendeinrichtung sowie eine weitere Zeugin wird im Prozess massiver Druck ausgeübt, während sich die Zeug*innen Polizei in den ersten Prozesstagen durch schweigen auszeichnete. Die Beamt*innen werden als Berufszeug*innen merklich stärker respektiert und es scheint ihnen mehr Glaubwürdigkeit geschenkt zu werden.
-> Das Beweismaterial wird nicht auf Bildschirmen gezeigt, sondern solche, die Befugt sind Einsicht zu haben, müssen sich dies am Richtertisch ansehen. Transparenz sieht anders aus.
-> Ein 50 Seitiges Dokument aus den Akten ist immer noch unauffindbar.
-> Es gibt starke Widersprüche in den Schilderungen der Polizei. Dinge die unmittelbar nach dem Einsatz nicht beschrieben werden können, scheinen nun klar.
-> Mouhamed wurde nach seinem Tod noch durch die Polizei angezeigt.
So sieht keine lückenlose Aufklärung, kein Problem- und Verantwortungsbewusstsein aus.
Die Familie wünschte sich eine Anerkennung, dass Mouhamed das Opfer war und Gerechtigkeit in dem Sinne, dass so etwas nicht mehr passiert. In dem stattfindenden Prozess wird es wohl kaum möglich sein, die Strukturen dahingehend zu transformieren.
Dafür braucht es ein Umdenken, eine Abkehr von der strafenden Logik der Polizei.
Es braucht niedrigschwellige Unterstützungsangebote für Menschen in Not- und Krisensituationen, finanzielle Unterstützung für Stadtteilarbeit und soziale Anlaufstellen, soziale Sicherheit, die nicht in Form von Tasern und Maschinenpistolen sondern mit Mitgefühl und Empathie kommt.
– Eine Demilitarisierung der Polizei! Taser sind tödliche Waffen.
– Eine Rücknahme der Polizeigesetze.
– Diskussionen zu Alternativen zur Polizei!
Schauen wir nicht weg, wenn Polizeigewalt passiert – No Justice, no Peace