Bericht vom 9. Prozesstag – 20.03.2024

  1. Prozesstag in Kürze:
  • Vernehmung des letzten beteiligten Polizeizeugens: Christon S. (33) gehörte zur Vierergruppe der Zivilbeamten vor Ort. – Seine Aussage ähnelt inhaltlich allen bisher gehörten Polizeiaussagen. Laut ihm habe es vor dem Einsatz des Pfeffersprays eine Diskussion zwischen der Angeklagten Pia B. und Einsatzleiter Thorsten H. über einen möglichen Einsatz des Tasers gegeben. Daraufhin soll H. die Anordnung das RSG 8 (Pfefferspray) einzusetzen gegeben haben. Auch S. beschreibt die ruhige Auffindesituation Mouhameds, dieser sei „wie gefangen in Gedanken“ gewesen.

  • Wie andere zuvor schildert der Zeuge, sein Kollege Kevin S.F. habe sich „viel zu nah“ an Mouhamed heranbegeben. Man sei jedoch „in erster Instanz nicht davon ausgegangen, dass er uns was wollte“. Da Mouhamed auf ihre Anrufungen nicht reagierte sei die Situation immer bedrohlicher geworden, es sei darum gegangen, „die Maßnahme durchzuziehen“, aus polizeilicher Sicht sei „eine Person mit Messer eine Bedrohung an sich“.
  • S. gibt an, dass aus seiner Erfahrung mit „Messertätern“ der Einsatz von Pfefferspray sinnvoll sei, um eine Selbstverletzung der Person zu verhindern und gleichzeitig eine „Entwaffnung“ erzielen zu können. Damit begründet und legitimiert er auch 1,5 Jahre später noch den Einsatz des Pfeffersprays als „mildestes Mittel“.

  • Der Polizeisprech im Gerichtssaal hinterlässt Fragezeichen: Mehrfach spricht Christon S. davon, Mouhamed sei bei der Erstversorgung „wehrig“ gewesen – gleich zweimal beschreibt er seinen Todeskampf als „Gas geben im RTW“. Richter Kelm greift dies auf, beschreibt Mouhamed gar als „renitent“. Auf Nachfrage ergänzt der Zeuge, dass er „überrascht“ war später von Mouhameds Tod zu erfahren, habe sich dieser doch im RTW und Schockraum noch „agil“ verhalten.

  • Verteidiger Brögeler gibt nach der Befragung eine Prozesserklärung ab und offenbart damit eine mögliche Verteidigungsstrategie: In der Anklageschrift werde von einer statischen Lage gesprochen, die hätte gehalten werden können. Man müsse jedoch mal die „Perspektive wechseln“, Zu Beginn sei es eine solche gewesen, doch hätte diese jederzeit kippen können. Nicht wegen eines Angriffs Mouhameds, sondern dadurch, „dass er sich das Messer in den Bauch rammen könnte“. Das hätte zur Ungewissheit bei den Beamten geführt, ob die statische Lage in eine dynamische umkippt – schließlich wären die Beamt*innen auch verpflichtet gewesen, Mouhamed „helfen zu müssen“.

  • Die Verteidiger von Thorsten H. und Markus B. geben an, am 17.04. eine Einlassung (Stellungnahme der Angeklagten) abzugeben. Die Verteidigung des Schützen Fabian S. will diese abwarten und daraufhin entscheiden, ob sie sich auch äußern wollen.

    Am Mittwoch, den 03. April, geht es ab 9:30 Uhr weiter mit der Befragung der RTW Sanitäter*innen. Wir freuen uns über solidarische Prozessbeobachter*innen (Eingang Hamburger Straße 11) sowie Teilnahme an unserer Mahnwache ab 7:30 vor dem Gericht (Kaiserstraße 34).

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