Bericht vom 21. Prozesstag – 02.09.2024


Der folgende Bericht enthält konkrete Beschreibungen von Polizeiwaffen aus dem Einsatz vom 8.8.2022 sowie der daraus entstandenen Verletzungen und Obduktionsergebnissen.

Am heutigen Prozesstag sind Ingo L., tätig am Landesamt für Aus- und Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW und Prof. Dr. Sebastian K., Gerichtsmediziner am Klinikum Ulm und Medizinischer Berater im Scientific Advisory Board des Taser-Produzenten Axon geladen.

Der Polizeiausbilder sagt aus, dass Einsatztrainer*innen in der Polizei NRW an den zwei zentralen Fortbildungsorten Selm und Brühl ausgebildet werden und dann als Multiplikator*innen Beamte in ihren Behörden vor Ort weiterbilden. Der Zeuge ist als Lehrender an den zentralen Fortbildungsorten der Polizei tätig.

Zentrale Inhalte der Fortbildungen sind zum einen die Vermittlung von Konzepten und Manualen, welche für die Polizeiausbildung verpflichtend sind, als auch praktisches Training im Umgang mit dem DEIG (Distanzelektroimpulsgerät, „Taser“), dem RSG 8 (Reizstoffsprühgerät, „Pfefferspray“), der MP (Maschinenpistole) 5 und, wie er sagt, der Frage „schießen oder nicht schießen“.

In der Schulung der Multiplikator*innen werden diverse Einsatzszenarien mit unterschiedlichen Parametern eingeübt. Die Beamt*innen trainieren in ihren jeweiligen Behörden nicht all diese Einsatzszenarien, sondern wählen nur einzelne aus. Dadurch kann die Polizei nicht garantieren, dass alle Beamt*innen mit allen vermittelten Fortbildungsinhalten vertraut sind.

Zuerst werden in der Zeugenvernehmung die Funktionen der bei der Tötung von Mouhamed verwendeten Einsatzmittel vom Zeugen erläutert.

Zum Pfefferspray erläutert der Zeuge, dass das „kleine RSG“ mit einer Füllmenge von 45ml von allen Beamt*innen in NRW an Gürtel oder Weste getragen wird und eine Reichweite von ca. 4 Metern habe. Das „große Pfefferspray“ RSG 8 mit 400ml hat eine Reichweite von ca. 7 Metern. Pfefferspray würde laut Polizeikonzept eingesetzt, um einen „erwarteten Widerstand herab[zu]setzen, um Festnahmen durchzuführen“. Es greift Augen, Atemwege und Haut an. Welche Wirkung genau eintritt, sei von Person zu Person unterschiedlich. Teils komme es zu stark verzögerten Reaktionen, bei einem gewissen Anteil von Personen wirke es gar nicht. Die Polizei habe bisher keine Kriterien feststellen können, anhand derer sich erklären ließe, warum das Pfefferspray bei Menschen so unterschiedlich wirkt. Der Zeuge bezieht sich auf eine Ausarbeitung der Bundespolizei, bei der herauskam, dass bei 50% der Betroffenen von Pfefferspray eine sofortige Wirkung eintritt. Die anderen 50% erlitten entweder eine stark verzögerte Wirkung, es müsse „zwei Mal gepfeffert werden, bis eine Wirkung eintritt“, und bei 10% der Getroffenen bleibe eine Wirkung gänzlich aus.

Die Fortbildung zum DEIG sei umfangreicher und werde seit 2020 nach PolG zentral geschult. Die Verwendung der Waffe sei nur mit Abschluss der Fortbildung erlaubt. Jedes DEIG hat zwei Kartuschen, eine Nah- und eine Ferndistanzkartusche, die Distanzen von etwa 1,20m bis 7,50m überbrücken können. Bei längeren Distanzen reißen die Drähte, die aus dem Gerät herausgeschossen werden.

In der Ausbildung werden keine Ge- oder Verbote in Bezug auf das Einsatzgebiet gelehrt. Das sei im Einsatz von den Beamt*innen in jeder Situation abzuwägen und auszuwählen. Das DEIG wird in statischen Situationen und gegenüber unbewaffneten Personen empfohlen. In dynamischen Situationen sowie bei Gegenübern mit Hieb-, Stich- und Schusswaffen sei es grundsätzlich nicht das richtige Einsatzmittel, da sich die Treffsicherheit durch Bewegung und Stress bei den Beamt*innen verringere, sowie die Möglichkeit von Fehlfunktionen oder ausbleibenden Treffern keine ausreichende Sicherheit in Angriffssituationen böten. Die Verwendung bleibe jedoch eine Entscheidung, die im konkreten Einsatz von den Beamt*innen abgewogen werden müsse. Auf das Narrativ der situativen Entscheidung und der Eigenverantwortung im Einsatz beruft sich der Zeuge sich im Verlauf des Verhandlungstages des Öfteren. Auch in Bezug auf den Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmezuständen sowie bei Selbstmordgefährdung erwidert der Zeuge auf Nachfrage, dass es „kein verbindliches Konzept“ gebe, kein Verbot von Einsatzmitteln, sondern lediglich „Hinweise, wie man sich verhalten könnte.“ Auch bei Messersituationen spielen verschiedene Parameter eine Rolle, empfohlen sei, Situationen statisch zu halten, zu befrieden, zu sprechen und beruhigen. In diesem Fall sei ein polizeilicher Schusswaffengebrauch aber „sehr wahrscheinlich“. Die 7 Meter-Regel, die zuvor im Prozess, auch von den Angeklagten, für Messersituationen referenziert wurde, sei keine feste Vorgabe der Polizei, sondern lediglich das Ergebnis eines Selbstversuchs aus der US-Polizei in den 1980er Jahren („Tueller Drill“). Eher seien Faktoren wie Mimik, Gestik und die Einschätzung über eine Tötungsabsicht entscheidend. In jedem Fall sei ratsam, „ein Zeitfenster zu erspielen“, auch durch Rückzug der Beamt*innen. Der Zeuge bestätigt jedoch, dass im Fall des Schießens so lang geschossen werden solle, bis das Ziel, den Angriff abzuwehren, erreicht sei, also die betreffende Person nicht mehr läuft und zu Boden geht: „Schießen, schießen, schießen, bis die Person zu Fall kommt.“

Der Zeuge und zwei Kollegen haben zum Termin ein kleines und ein großes Pfefferspray sowie ein DEIG mitgebracht, die vorgeführt werden. Der Zeuge führt an einer Wand des Gerichtssaals, über dem Platz der Nebenklage, die Laserpunkte vor, die die voraussichtlichen Treffer der beiden Pfeilelektroden anzeigen. Die Spitzen der Pfeile beschreibt der Zeuge als „Angelhaken“, die „unter relativ sicheren Bedingungen wieder zu entfernen“ seien. Diese sollen sich beide in Körper, Oberhaut oder Kleidung einer Person verhaken, wodurch sich der Stromkreis schließt und für ca. 5 Sekunden Strom abgegeben wird. Dadurch wird eine „neuromuskuläre Immobilisation“ verursacht, wodurch die getroffene Person starr und zu Fall gebracht wird. Der Zeuge sagt aber auch aus, dass Treffer mit beiden Pfeilelektroden „unwahrscheinlich“ seien und umso unwahrscheinlicher, je mehr Personen sich bewegen.

Der Zeuge spricht in der Befragung durch die Nebenklage auch ein Stufenmodell an, nach dem nicht nur die Schüsse aus dem Taser, sondern auch schon dessen Präsenz und das Knistern des Geräts Teil seiner Wirksamkeit im Einsatz seien. 70 bis 80 Prozent der Situationen können, so der Zeuge, so ohne die tatsächliche Abgabe von Taserschüssen beendet werden. Hier unterbricht Richter Kelm und fordert den Zeugen zum Vormachen des Knisterns auf, woraufhin der Zeuge das laute Geräusch im Saal vormacht.

Der Zeuge sagt zur MP 5 aus, dass eine solche in jedem Streifenwagen in NRW mitgeführt wird, während jede*r Beamt*in eine P99 Pistole im Dienst mit sich führt. Für beide müsse jährlich eine Prüfung abgelegt werden. Im Gegensatz zur P99 können mit der MP 5 größere Distanzen überwunden und präzisere Treffer erzielt werden. Im Training mit der MP 5 gehe es nicht um die Vermittlung neuer Inhalte, sondern um eine Auffrischung in der Handhabung der Waffe als auch (verstärkt seit 2023) um die Einsatzkommunikation und das Erarbeiten alternativer Verhaltensmuster (außer schießen). Der Zeuge betont: „Die Entscheidung, nicht zu schießen, muss genauso Teil des Trainings sein wie das Schießen“. Zum Einsatz gegen Mouhamed kommentiert der Zeuge: „Dass jemand nicht spricht, berechtigt nicht grundsätzlich zum Einsatz von Waffen.“Seit 2023 wird ein neues Einsatzkonzept zum Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen bei der Polizei NRW vermittelt. Dieses Konzept sei von einer Psychologin bei der Bundespolizei eingeführt worden und habe dort zu positiver Resonanz geführt. Die Entwicklung des Konzepts sei schon vor der Tötung Mouhameds begonnen worden, durch die Präsenz des Einsatzes in den Medien sei dies aber deutlich beschleunigt worden.

Der Zeuge wird unvereidigt entlassen.

Als zweiter Zeuge des Tages sagt der Rechtsmediziner und seit 2017 Berater der Taser- und Bodycam-Produktionsfirma Axon, Prof. Dr. Sebastian K, aus.

Er hat am 11.10.2022 das rechtsmedizinische Sachverständigengutachten über Mouhamed Dramé angefertigt und zeigt begleitend zu seiner kurzen Aussage eine Powerpoint-Präsentation. Beginnend mit allgemeinem Wissen zu Strom ordnet er den Taser mit dessen Stärke von 1,2-1,5 milli-Ampere und einer Eindringtiefe der Pfeilelektroden von maximal 1,15 cm in den Körper, ein. Die dadurch entstehenden Verletzungen, eventuell mit zusätzlichen Oberhautabschürfungen, seien im Millimeterbereich und somit „minimal“. Er führt aus, dass nur dann Elektroimpulse entstehen, wenn eine negative und eine positive Pfeilelektrode gleichzeitig im Kontakt mit einem Körper seien. Hierbei betont er die technische Fortentwicklung vom aktuell von der Polizei NRW genutzten Taser T 7 der Firma Axon, im Vergleich zum neusten Taser T 10 von Axon. Er bestätigt, dass von den zwei Geräten, mit denen auf Mouhamed geschossen wurde, vom ersten Gerät möglicherweise ein Pfeil, aber nicht zwei trafen, wodurch sich der Stromkreis nicht schloss. Die Pfeile des zweiten Tasers trafen Mouhamed, woraufhin über 4,94 Sekunden 109 Elektroimpulse abgegeben wurden. Der erste Taser wurde daraufhin noch drei mal ausgelöst. Hätten beide Pfeile des Tasers Mouhamed getroffen, dann wären noch drei weitere 5 Sekunden-Impulse ausgelöst worden.

Dies konnte durch die Auswertung der in den Tasern verbauten Mikrochips von Axon festgestellt werden.

Der Zeuge berichtet vom rechtsmedizinischen Gutachten, dass Mouhamed 1,61m groß und 57kg schwer war. Der behandelnde Arzt entfernte mindestens zwei Elektroden. Eine Verletzung durch eine Pfeilelektrode wurde im Genitalbereich festgestellt. Die ein oder zwei anderen Treffer konnten nicht identifiziert werden. Möglicherweise lagen sie an Operationsstellen von der Obduktion, weshalb sie nicht mehr sichtbar waren. Außerdem wurde eine Schläfenverletzung, die nicht vom Taser stammte, festgestellt.

Durch den Stromkreis, der zwischen Genitalbereich und Unterbauch entstand, muss Mouhamed eine „starke Schmerzreaktion“ erlitten haben. Dadurch wurde eine „schmerzbedingte Handlungsunfähigkeit“ ausgelöst, jedoch keine „muskuläre Handlungsunfähigkeit“. Der Zeuge erläutert des Weiteren, dass zwischen den Elektroden ein Mindestabstand von 30 cm sein muss, damit die getroffene Person zu Fall kommt. Bei einem Abstand von bis zu 20 cm beschränkt sich die Wirkung auf den Bereich zwischen den Elektroden. Das bedeutet, je nach Abstand der Elektroden führt der Stromkreis zu Schmerzen, jedoch nicht zu einer Bewegungsunfähigkeit. Bei Mouhamed wurde der Stromkreis in einem Radius kleiner als 30 cm geschlossen, wodurch er nicht zu Fall kam.

Auch der zweite Zeuge wird unvereidigt entlassen.

Damit endet der 21. Verhandlungstag. Weiter geht es am Mittwoch, den 4. September, sowie in der darauffolgenden Woche am 9. und 11. September.

Radio Nordpol: Presseschau zum Prozess

Seit Beginn im Dezember 2023 wird der Prozess von regionalen und überregionalen Medien begleitet. Das Interesse der Öffentlichkeit ist groß am ersten Prozess der Nachkriegsgeschichte, in welchem ein Polizeibeamter wegen Totschlags im Einsatz angeklagt ist. Darüber hinaus haben wir uns den aktuellen Podcast des WDR zum Fall einschließlich des Interviews mit dem Hauptangeklagten angehört. Am Ende steht ein inhaltsanalytischer Überblick über die Instrumente von Copaganda. Und es wird von der Beschwerde von Radio Nordpol beim Deutschen Presserat berichtet.

In der Aufzeichnung spricht neben dem Radio Nordpol der Solidaritätskreis Justice4Mouhamed und Nicole von Justizwatch.

Unter folgenden Links kann die Aufzeichnung angehört werden.

Radio Nordpol Website:
https://radio.nrdpl.org/2024/08/22/presseschau-zum-prozess-im-fall-der-toetung-von-mouhamed-lamine-drame/

Spotify:
https://open.spotify.com/episode/1LrUF8Qr1D5QNT08gACdd3?si=f64d7d1e600544d8

Vielen Dank an das Radio Nordpol!

Aufzeichnung: No Justice – No Peace! Prosecute the police? Polizei vor Gericht nach toedlicher Polizeigewalt

Dokumentation der Podiumsdiskussion vom 16.07.2024 in Köln

organisiert von dem Komitee für Grundrechte Demokratie, Solidaritätskreis Justice4Mouhamed, Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen und der Initiative 2. Mai Mannheim.

Unter folgenden Links kann die Aufzeichnung der Diskussionsveranstaltung angehört werden.

Radio Nordpol Website:
https://radio.nrdpl.org/2024/07/30/doku-no-justice-no-peace-prosecute-the-police-polizei-vor-gericht-nach-toedlicher-polizeigewalt/

Spotify:
https://open.spotify.com/episode/3IlAkFt9Hz6haFJ5Ce2fWA?si=KrZ6nyFTR6uH5FUvCq7m9w%0A&nd=1&dlsi=b797bc222a3d4547

Ein riesiges Dankeschön an das Radio Nordpol für die Arbeit!

Ankündigungstext:
Mouhamed D. und Ante P. sind nur zwei von vielen Menschen, die von der Polizei getötet wurden. Und es sind zwei von nur sehr wenigen Fällen, bei denen es zu Gerichtsprozessen gegen die Polizei kam. Die Polizist:innen, die bei diesen Fällen im Einsatz waren, standen bzw. stehen in diesem Jahr in Mannheim und Dortmund vor Gericht.

Wir sprechen mit Angehörigen von Mouhamed D. und Ante P. und mit Vertreter*innen des Solidaritätskreises Mouhamed Lamine Dramé Dortmund und der Initiative 2. Mai Mannheim und fragen:
Wie ist es zu diesen schrecklichen Toden gekommen?
Was können wir dieser rassistischen und ableistischen Gewalt des Staates entgegensetzen?
Was kann ein Strafprozess gegen die Polizei leisten?
Und: Kann es Gerechtigkeit geben?


Spendenkampagnen

Link zum Spenden für Prozesskosten und für die Begleitung der Angehörigen an den Solidaritätskreis Justice4Mouhamed:
via Betterplace:
https://www.betterplace.org/de/projects/131472-prozessteilnahme-der-familie-drame-sowie-solidarische-prozessbegleitung
oder per Überweisung an:
Lückenlos e.V.
IBAN: DE19430609674108589900
GLS Bank Bochum
Verwendungszweck: „Solikreis Justice4Mouhamed“


Link zum Spenden für die Revisionskosten zum Prozess um den Tod von Ante P. und für
solidarische Begleitung der Angehörigen:
via Betterplace:
https://www.betterplace.org/de/projects/133751-solidarische-begleitung-fuer-die-familie-von-ante-p
oder per Überweisung an:
Lückenlos e.V.
IBAN: DE19430609674108589900
GLS Bank Bochum
Verwendungszweck: „Spende Initiative 2. Mai“

Bericht vom 19. Prozesstag – 07.08.2024

Der heutige 19. Verhandlungstag war wieder ein kurzer Schiebetermin. Geladen war der Sachverständige Thomas F. des Bundeskriminalamts (BKA) zur Verlesung der Gutachten zum Pfefferspray (RSG-8).

Im Rahmen der Gutachten wurde ein neues RSG-8 mit einem abgelaufenen RSG-8 verglichen. Auf dem Boden der Sprühdosen ist beim RSG-8 ein Haltbarkeitsdatum aufgedruckt. Bei dem im Einsatz verwendeten RSG-8 war dieses Datum um einige Monate überschritten. Mit der Untersuchung sollte festgestellt werden, ob diese Überschreitung des Haltbarkeitsdatums einen Effekt auf die Funktionalität hatte. Daher wurden Tests und Analysen zu Reichweite und Wirkung gemacht. Bei diesem Gutachten kam heraus, dass das überschrittene Ablaufdatum des RSG-8 keine Auswirkungen auf dessen Funktionalität hatte. Sprühbild sowie Reichweite waren bei beiden Sprays normal. Außerdem wurde bei einer chemischen Analyse festgestellt, dass das Überschreiten der Haltbarkeit des im Einsatz verwendeten RSG-8 keinen Einfluss auf die Wirkung des Reizstoffs hatte.

Es ließ sich feststellen, dass bei dem Einsatz ca. 200 Gramm des Reizstoffs innerhalb von 6 Sekunden versprüht wurden. Das entspricht der Hälfte der Füllmenge beziehungsweise Sprühdauer. Der Polizei stehen unterschiedliche Pfeffersprays zu Verfügung. Im Einsatz wurde die größte Geräteklasse verwendet, welche nur für besondere Einsatzlagen vorgesehen ist.

Im zweiten Gutachten wurden der Sprühverlauf und die Verteilung der Flüssigkeit über die Reichweite untersucht. Die Flüssigkeit wird bei Verwendung des RSG-8 nicht zerstäubt, sondern tritt als Strahl aus. Innerhalb dieses Strahls kommt es zu Tröpfchenbildung, wodurch der Strahl mit zunehmender Distanz breiter wird. Es liegt zu keinem Zeitpunkt ein Sprühnebel vor. Damit das Reizgas wirkt, muss die Zielperson im Gesicht getroffen werden. Bis zu einer Reichweite von 6 Metern kann zielgenau getroffen werden, danach senkt der Strahl sich ab. Bei 4 Metern Distanz wird eine Fläche von 20 x 30 cm und bei 6 Metern Entfernung eine Fläche von 80 x 30 cm getroffen.

Nachdem der Gutachter unvereidigt entlassen wurde, spricht Richter Kelm noch die Prozessbeteiligten auf eine Abstimmung zu weiteren Prozessterminen an. Daraus können wir schließen, dass der Prozess nicht wie geplant am 11.09.2024 enden wird.

Nach nur 20 Minuten endet der 19. Verhandlungstag.

Weiter geht es am Mittwoch, den 14. August, am 9:30 vorm Dortmunder Landgericht. Für den nächsten Termin ist eine sachverständige Person für die MP5 (Maschinenpistole) geladen. Wir freuen uns weiterhin über solidarische Unterstützung im Saal. Alle kommenden Termine unter https://justice4mouhamed.org/prozessbegleitung/.

Bericht vom 18. Prozesstag – 24.07.2024

Der heutige 18. Verhandlungstag war ein kurzer Schiebetermin. Geladen war der Elektroingenieur Ralf I. als Sachverständiger des Landeskriminalamts (LKA), zur Auswertung der beiden eingesetzten Distanzelektroimpulsgeräte (DEIG, “Taser”).

Überraschenderweise aktiviert Richter Kelm zu diesem Anlass zum zweiten Mal im Prozess die Dokumentenkamera, sodass es allen Prozessbeteiligten und Zuschauenden möglich ist, die Fotos aus dem Gutachten zu sehen.

Der Sachverständige berichtet von der Auswertung der beiden Taser, erst durch die Herstellerfirma AXON, die die Protokolle der beiden Geräte auslas, dann durch das LKA.

Die knapp halbstündige Sitzung besteht zu großen Teilen daraus, dass Ralf I. technische Beschreibungen der Waffe aus dem polizeilichen Gutachten verliest. Dabei werden die entsprechenden Bilder aus der Akte von Richter Kelm auf dem Bildschirm gezeigt: die ineinander gewickelten Drähte aus dem Inneren des Tasers, die ca. 2 Zentimeter lange, metallene und mit Widerhaken versehene Pfeilspitze, die Nummerierungen und Messungen der Geräteteile. Genau wird erklärt, wie beim Abschießen die Drähte aus dem Inneren des Geräts hinausgeschossen werden und sich abwickeln. Wenn beide Pfeilelektroden einen Körper treffen, schließt sich der Stromkreis. Es konnte nachgewiesen werden, dass bei dem Taser Einsatz gegen Mouhamed einer der Taser über fünf Sekunden 109 elektronische Impulse abgegeben hat. Aktuell ist noch unklar, ob die andere Elektrode auch Mouhamed getroffen hat und der Stromkreis geschlossen wurde. Eine der Pfeilelektroden traf Mouhamed im Schritt. Auf zwei von vier Pfeilelektroden wurde sein Blut nachgewiesen. Die Pfeilelektroden können im Nachhinein nicht als Paar zugeordnet werden, wodurch nicht klar ist ob sie vom selben Taser stammen und somit ein Stromkreis geschlossen wurde.

Die Frage ob sich ein Stromkreis geschlossen hat oder nicht, ist insofern relevant, da die Polizei sowohl die zweiten DEIG-Schüsse als die Schüsse aus der MP damit rechtfertigen, dass Mouhamed nach dem ersten Tasereinsatz nicht stehen geblieben ist.

Einzelne Rückfragen kann der Sachverständige nicht beantworten, etwa, wann Fern- oder Nahkartuschen angewendet werden. In einem Taser sind immer beide eingesetzt und können, je nach Situation, ausgewählt werden. Die Frage der Nebenklage, ob im Einsatz gegen Mouhamed die falsche Kartusche eingesetzt wurde, bleibt ungeklärt.

In der Aussage unternimmt Ralf I., immer wieder die Perspektivübernahme eines DEIG-Schützen (also Polizisten), indem er formuliert: „Wenn ICH also schießen will,…“

Die gesamte Aussage ist sachlich, technisiert, und normalisiert die Waffe Taser. Dabei ist diese als “nicht-tödlich” geführte Waffe sehr umstritten und durchaus tödlich.  Schwangere, Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder mit Drogen-Intoxikation sind Risikogruppen: Immer wieder sterben Menschen nach Tasereinsätzen an Herz- oder Kreislaufstillstand, Organversagen oder Erstickung an Erbrochenem (https://polizeischuesse.cilip.de/taser). Alle Getöteten befanden sich in einer psychischen Ausnahmesituation oder standen unter Drogeneinfluss. Aus den vergangenen 6 Jahren sind 10 Todesfälle bekannt – einer davon durch die Dortmunder Polizei am 19.10.2022 (https://www.ruhrnachrichten.de/dortmund/ein-toter-nach-polizeieinsatz-in-dortmund-beamte-setzten-taser-ein-w1802755-2000656285/).

Strafprozessrechtler Andreas Ruch schreibt hierzu:

Bereits jetzt ist zu beobachten, dass Polizeibeamte gegenüber psychisch erkrankten Menschen häufiger unmittelbaren Zwang anwenden als dies gegenüber Personen ohne psychische Auffälligkeiten der Fall ist. Die angebliche Eignung des Tasers zur Lösung von Konflikten mit psychisch kranken Menschen verstärkt eine gewaltbetonte Einsatzbewältigung gegenüber dieser Personengruppe. Dabei droht aus dem Blick zu geraten, dass es sich um eine besonders vulnerable Gruppe handelt, auf deren Schutzbedürftigkeit die Polizei schon aus menschenrechtlichen Erwägungen besondere Rücksicht zu nehmen hat.” (Polizei und Taser, Andreas Ruch, 29. Mai 2024 Verfassungsblog, https://verfassungsblog.de/polizei-und-taser/, 25. Juli 2024).

Die Aussage des Sachverständigen wird immer wieder durch Einwürfe von Richter Kelm unterbrochen. Einmal zeigt sich Kelm irritiert, dass auf der Nebenklage drei Schwarze Menschen sitzen – und unterbricht sich dann selbst, als er sich wohl erinnert, dass seit Januar neben den beiden Brüdern Dramé auch ein Dolmetscher dort sitzt.

Nach dem kurzen Bericht endet der 18. Verhandlungstag. Weiter geht es am Mittwoch, den 7. August, am 9:30 vorm Dortmunder Landgericht. Für den nächsten, ebenfalls kurzen, Termin ist eine sachverständige Person für das RSG 8 (Pfefferspray) geladen. Wir freuen uns weiterhin über solidarische Unterstützung im Saal.

Alle kommenden Termine unter https://justice4mouhamed.org/prozessbegleitung/.

Bericht vom 17. Prozesstag – 05.07.2024

Der 17. Verhandlungstag am 5. Juli 2024 beginnt wie gehabt mit Verspätung und dauert weniger als 30 Minuten; es werden lediglich Teile der Akte durch den vorsitzenden Richter Kelm verlesen.

Insbesondere werden Teile der Auswertung von Mouhameds Handy verlesen. Der Fokus liegt dabei auf den Chatnachrichten aus den fünf Tagen vor dem tödlichen Einsatz am 8. August.

Aus den ausgewerteten Fotos, Nachrichten, Downloads und Dokumenten ließe sich laut Auswertung kein depressiver oder suizidaler Zustand ablesen – dabei lenkt selbst Richter Kelm ein, dass diese Art Daten ja nicht aussagekräftig für eine solche Beurteilung sei. Der Umstand, dass Mouhamed seinen Verwandten gegenüber nichts in Bezug auf seinen psychischen Zustand und seine Gefühle äußerte, könnte zudem auch den Grund gehabt haben, dass er sie nicht weiter besorgen wollte.

Einem Verwandten gegenüber schrieb er jedoch, dass er sich, bevor er in die LWL-Klinik kam, “fühlte, als ob er Malaria habe”. Die Nebenklage ergänzt einen von Richter Kelm ausgelassenen Satz aus der Auswertung, der besagt, dass die Handyauswertung keinerlei Hinweise auf aggressives Verhalten oder die Ablehnung von Sicherheitsbehörden gebe.

Zuletzt wird ein Aspekt aufgeklärt, über den zuletzt zu Prozessbeginn der Focus spekulierte (https://www.focus.de/politik/deutschland/prozess-beginnt-zwei-tage-vor-seinem-tod-erhielt-16-jaehriger-fluechtling-eine-drohung_id_259510620.html): Während hier dargestellt wird, dass Mouhamed von einem Verwandten wegen Geld für die vermeintlich erkrankte Mutter unter Druck gesetzt wurde und so vielleicht in den psychischen Ausnahmezustand gedrängt wurde, bezeugen die heute verlesenen Chatnachrichten, dass es sich bei dem Chatpartner gleichwohl nicht um einen nahen Verwandten handelte. Im Anschluss an die Nachricht schrieb Mouhamed seinem älteren Bruder Lassana, der nun auch am Prozess in Dortmund teilnimmt. Lassana verneinte, dass die Mutter krank sei, und versicherte, dass er eine so wichtige Information Mouhamed selbstverständlich mitgeteilt hätte. Dass die Mutter nicht krank war und Geld brauchte, wusste Mouhamed also am 8. August 2022.

Nach einem kurzen Termin, in dem es akustisch nur schwer möglich ist der Aktenverlesung zu folgen und auch Bilder nur den Prozessbeteiligten gezeigt werden, die schnell nach vorn zum Richtertisch eilen müssen, um sich die DIN A4-Ausdrucke anzusehen, endet der Verhandlungstag.

Weiter geht es in zwei Wochen, am Mittwoch, den 24. Juli ab 9:30, mit einem weiteren kurzen Schiebetermin am Landgericht. Es folgen zwei weitere Schiebetermine am 7. und 14. August, bevor in den Verhandlungstagen am 2., 4. und 9. September die Plädoyers und am 11. September womöglich die Urteilsverkündung erwartet werden.

Wir freuen uns weiterhin bei jedem Termin über solidarische Begleitung des Prozesses!

Radio Nordpol – Beitrag zum 16. Prozesstag

In dieser Podcastfolge hat das Radio Nordpol mit dem Solidaritätskreis Justice4Mouhamed, Backup sowie einem unabhängigen Journalisten gesprochen.

Darüber hinaus wird auf die Initative Herkesin Meydanı-Platz und ihre Engagement für die Solinger Familien, die vor kurzem Opfer von rassistischen Brandanschlägen wurden, aufmerksam gemacht.

Vielen Dank an das Radio Nordpol!

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Bericht vom 16. Prozesstag – 20.06.2024

Der 16. Prozesstag in Kürze

Im folgenden Bericht geht es um Suizidalität

  • Zeugenaussage der behandelnden Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychotherapie aus der LWL Klinik in Dortmund, welche Mouhamed am 07.08.2022 untersuchte.
  • Mouhamed wurde in der Nacht vom 06. auf den 07.08.2022 in der Klinik aufgenommen. Sie habe den Dienst um 10:00 auf der Station begonnen. Mouhamed wurde in einer ungeklärten Situation, als mutmaßlich suizidal, aufgenommen. Da eine Selbst- oder Fremdgefährdung nicht auszuschließen gewesen sei, war Mouhamed in einem sogenannten intensivierten Beobachtungsstatus. Daher stand er unter permanenter Begleitung durch das Krankenhauspersonal. Er zeigte keine suizidalen Handlungsabsichten, wies keine akuten Verletzungen auf, verhielt sich kooperativ, weshalb keine Medikamention erforderlich gewesen sei und habe die Nacht durchgeschlafen.
  • Die Zeugin führte einen psychopathologischen Befund durch, bei dem ein Dolmetscher anwesend war. In der Wartezeit spielte Mouhamed Fußball im Innenhof.
  • Bei der Anamnese erzählt Mouhamed, wie es dazu kam, dass er sich Hilfe holte. Er berichtet von lebensmüden Gedanken. Er habe Flashbacks und dadurch Schwierigkeiten einzuschlafen. Seine Gedanken waren immer wieder bei seiner Familie, wodurch er Unruhe verspüre und nicht mehr weiterleben wolle. 
  • Andrea W. ordnet den Schlafmangel einer möglichen posttraumatischen Belastungsstörung als Folge seiner Flucht zu.
  • Im Gespräch selbst habe Mouhamed sich von suizidalen Intentionen distanziert und versichert, er wolle sich nicht umbringen. Stattdessen habe er von Plänen für die Zukunft gesprochen: Er wolle zurück in sein Zimmer der Jugendhilfeeinrichtung und perspektivisch zurück in den Senegal. Er wolle nicht weiter stationär behandelt werden. Aufgrund dessen wurde er aus der Klinik entlassen. Sie habe ihn auf Hilfsangebote außerhalb stationärer Behandlungen hingewiesen. Er äußerte den Wunsch nach einer festen Ansprechperson in der Wohngruppe und dass er in schwierigen Situationen nicht alleine gelassen wird. Diese Wünsche habe die Zeugin der Wohngruppe per Telefon mitgeteilt. Danach wurde Mouhamed mit dem Taxi zur Wohngruppe gebracht.
  • Limberg, Verteidiger des Dienstgruppenleiters H., diskreditiert zuerst die Ergebnisse des psychopathologischen Befunds und fragt im Anschluss, ob sie in Anbetracht der darauf folgenden Geschehnisse denkt, in ihrer Behandlung etwas falsch gemacht zu haben. Die Zeugin verweigert die Aussage. 
  • Zeugenaussage des behandelnden Notarzt am 08.08.22:
    Der Zeuge schätzt Mouhameds Zustand im Krankenwagen als stabil ein. In der Notaufnahme angekommen sei er erschrocken gewesen, wie rapide sich Mouhameds Zustand „massiv“ verschlechterte.
  • Letzte Zeugenaussage: ehemalige Vormundin von Mouhamed aus Mainz
    Hat am 08.08. noch mit Mouhamed telefoniert. Ihm ging es nicht gut, er machte sich Sorgen über den weiteren Verlauf des Asylverfahrens, seinem Schulbeginn und fühlte sich nicht angekommen in der Jugendhilfeeinrichtung.
    Sie berichtet, dass Mouhamed mehrere Male abgängig war in Mainz um nach Dortmund zu Fußballspielen zu fahren. Daraufhin habe sie sich dafür eingesetzt, dass er nach Dortmund ziehen kann. Er habe über die Nachricht vor Freude getanzt. 

Weiter geht es am Freitag (!), den 05.07.2024 mit einem kurzen Termin. Es wird keine Mahnwache geben. Wir freuen uns wie immer über Teilnahme an der Prozessbeobachtung!

Radio Nordpol – Beitrag zum 15. Prozesstag

In dieser Podcastfolge zum 15. Prozesstermin hat das Radio Nordpol Team mit einer unabhängigen Prozessbeobachterin, einem freien Journalisten, Lisa Grüter als Vertreterin der Nebenklage sowie Fanny von NSU Watch NRW gesprochen.

Vielen Dank an das Radio Nordpol Team!

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Bericht vom 14. Prozesstag – 05.06.2024

Der 14. Prozesstag in Kürze:

Im folgenden Bericht werden Aspekte der Tat vom 8. August 2022 benannt.

  • Jeanine Denise B., angeklagt wegen schwerer Körperverletzung, gab heute ihre Einlassung. Sie hat das Pfefferspray gegen Mouhamed eingesetzt und so die statische Lage in eine Spirale der Gewalteskalation gebracht.
  • Bei ihrer Einlassung gibt sie an, einen Großteil des Geschehens im Innenhof weder gesehen noch gehört zu haben aufgrund des Gebüschs hinter dem Zaun. Bis sie an den Zaun herantrat um das Pfefferspray gegen Mouhamed einzusetzen, konnte sie laut eigener Aussage, Mouhamed noch nicht einmal sehen. Das bedeutet sie sah nicht in welcher Position er sich befand oder wie er sich verhielt. Dass er ein Messer in der Hand hielt, wusste sie nur aus Funksprüchen der Kolleg*innen. Das heißt, sie ist der Dienstanweisung gefolgt und hat das Pfeffer eingesetzt, ohne weder einen Überblick über die Gesamtsituation zu haben, noch eine Selbsteinschätzung zu Mouhameds suizidalen Absichten vornehmen zu können und dadurch die Angemessenheit der Anweisung hinterfragen zu können.
  • Ich frage mich täglich ob ich anders hätte reagieren können. Hätte ich besser treffen müssen mit dem Pfefferspray? Das fragen wir uns alle.“ Die Angemessenheit des Einsatzes hinterfragt sie nicht. Der Einsatz des Pfeffersprays sei „zweckmäßig“ gewesen.
  • Die Vertretung der Nebenklage fragt hartnäckig nach, warum B. den Einsatz nicht hinterfragt – aus Sorge als unkollegial zu gelten? Die Angeklagte weicht den Blicken der Nebenklage aus und bricht in Tränen aus. Nach kurzer Unterbrechung geht es weiter.
  • Die Vernehmung durch die Polizei Recklinghausen dauerte damals 2,5-3 Stunden. Angefertigt wurde ein 1,5 Seiten langes Protokoll. Darin stehen keine Fragen an die Angeklagte (damals als Zeugin vernommen). Es liest sich, laut Nebenklage, wie ein einziges Statement der Angeklagten. Auf die Konfrontation damit, hat diese keine Erklärung dafür.
  • Zwei Mitarbeiterinnen der Jugendhilfeeinrichtung sagen als Zeuginnen aus. Beide haben den Einsatz von dem Wohnzimmer der Einrichtung aus beobachtet.
  • Sie erzählen von der kurzen Zeit, die sie mit Mouhamed hatten. Gemeinsam haben sie einen Ausflug zu einer Trampolinhalle gemacht, wo Mouhamed sichtlich Spaß hatte und sich an der Slackline ausprobierte. Gerne saß er im Innenhof der Wohngruppe und hörte Musik über Lautsprecher. Sie erzählen auch, dass er sich jedoch auch viel zurück zog. In der Einrichtung war bekannt, dass bei Mouhamed „psychische und physische Spuren von der Flucht“ vorhanden waren – Symptome einer PTBS, sowie Verletzungen, welche medizinisch behandelt werden mussten.
  • Die Aussagen der beiden Zeuginnen werden von Staatsanwaltschaft sowie Verteidigung in Frage gestellt und ihnen ihre Glaubwürdigkeit abgesprochen. Kleinste Unstimmigkeiten in ihren Aussagen werden als Indiz für ihre Unglaubwürdigkeit genommen.
  • Beide Zeuginnen schätzen Mouhamed „zu keinem Zeitpunkt als Gefahr für andere ein, eher für sich“.
  • Am Ende des Prozesstages gibt Verteidiger Brögeler erneut eine Prozesserklärung ab. Er beschuldigt die Zeugin Kira H. der absichtsgeleiteten Falschaussage. Das macht er an angeblichen Widersprüchen in den Aussagen der Zeuginnen fest, sowie daran, dass eine „bestimmte Gesinnung“ der Zeugin sichtbar wurde, da sich scheinbar in einer Social Media bubble bewege, für die schon von vornherein klar war „was passiert ist, weil klar war, was nicht sein durfte“. Damit meint er, dass Mouhamed eine Gefahr für die Polizei gewesen sei. Er bezieht uns solidarische Prozessbeobachter:innen in seine Erklärung mit ein und wirft uns mediale Stimmungsmache gegen die Angeklagten vor. Wir hätten von vornherein gewusst was passiert sei „weil [wir] so schlau [sind]“ und nur ein gewünschtes Ergebnis zulassen könnten. Brögeler beendet seine Erklärung mit der Beleidigung einer Einzelperson aus dem Publikum. Daraufhin bricht Tumult im Gerichtssaal aus und Richter Kelm beendet eilig den Prozesstag.
  • Weiter geht es am Freitag (!), den 14. Mai, ab 9:30. Die letzte Angeklagte, Pia Katharina B. wird am kommenden Gerichtstermin ihre Einlassung machen. Wir freuen uns wie immer über solidarische Prozessbeobachter:innen (Eingang Hamburger Straße 11) sowie Teilnahme an unserer Mahnwache ab 7:30 vor dem Gericht (Kaiserstraße 34). Der Einlass zum Verfahren beginnt erfahrungsgemäß gegen 8:15. Um sicher einen Termin im Gerichtssaal zu bekommen lohnt es sich allerdings schon früher vor Ort zu sein. Alle Folgetermine bis September siehe:
    https://justice4mouhamed.org/prozessbegleitung/