Redebeitrag auf der Lützerath-Tag X-Kundgebung in Dortmund

Liebe Mitstreiter*innen, liebe Freund*innen, liebe Passant*innen,

Ich spreche hier für den Solidaritätskreis Mouhamed. Wir haben uns vor ein paar Monaten gegründet, nachdem die Dortmunder Polizei den 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé ermordet hat. Wir befassen uns mit strukturellen Problemen innerhalb der Polizei in Dortmund und darüber hinaus. Wir solidarisieren uns mit der Verteidigung von Lützerath. Ihr fragt euch, warum wir das tun und was wir auf einer Klima-Demonstration machen? Das ist ganz einfach. Auch hier müssen wir über das Verhalten der Polizei reden. Die Räumung ist nur möglich, weil die Polizei eine von strukturellen Problemen durchsetzte Organisation mit einem riesigen Gewaltproblem ist.

Eigentlich sollte die Polizei gegen die Klimasünder*innen von RWE vorgehen, die völlig enthemmt unsere Zukunft verheizen. Was macht die Polizei stattdessen? Das genaue Gegenteil! Sie lässt sich wiedermal bereitwillig vor den Karren von RWE und Landesregierung spannen. Sie hilft dabei, die Profitinteressen einiger Weniger gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung und gegen Völkerrecht und Grundgesetz durchzusetzen.

Das ist nicht neu, das kennen wir bereits. Schon 2018 hatten wir eine ähnliche Situation, als RWE den Hambacher Forst räumen lassen wollte, um an die Kohle darunter zu kommen. Auch damals hatte die Landesregierung irgendwelche Gründe erfunden, um die Räumung zu rechtfertigen. Ein Gericht hat inzwischen klargestellt, dass diese Gründe erlogen waren. Die versuchte Räumung war illegal. Das war der Landesregierung völlig bewusst. Und das war auch der Polizei völlig bewusst. Interessiert hat es sie damals nicht, dass sie geltendes Recht gebrochen haben. Viel zu verlockend war die Aussicht, endlich einmal das ganze Kriegsgerät wie z.B. Räumpanzer einzusetzen, das man sich angeschafft hat. Wie wir alle wissen, ist die Räumung des Hambacher Forsts am großen Widerstand der Besetzer*innen und der überwältigenden Solidarität von vielen tausend Menschen gescheitert. Dennoch hat die Räumung ein Menschenleben gekostet und viele Aktivist*innen wurden von Reuls Prügeltruppen zusammengeschlagen und in den Knast gesteckt.

Klimaaktivist*innen sind eines der Hauptziele von Polizeigewalt. Das geschieht zum Beispiel bei Aktionen von Ende Gelände, wo es regelmäßig zu Übergriffen kommt. Da werden Polizeihunde auf Rolltuhlfahrer*innen gehetzt. Es wird ohne jegliche Provokation Pfefferspray gegen Menschengruppen eingesetzt. Menschen in Polizeikesseln wird über Stunden der Zugang zu Toiletten und Verpflegung verwehrt. Menschen, die gewaltlos Polizeiketten durchfließen wollen, werden durch Schlagstöcke die Knochen gebrochen. Das alles ist kein Zufall, sondern pure Absicht. Es soll abschrecken und die Menschen von ihrem verfassungsmäßigen Recht zu protestieren abhalten. Es soll jeglichen Widerstand gegen die Konzern-gesteuerte Politik brechen, und wenn Menschen dabei zu Schaden kommen oder sogar sterben, dann ist das mit eingeplant und Teil der Strategie.

Ganz aktuell sieht man Polizeigewalt auch immer wieder bei Aktionen der Letzten Generation. Wir sehen es alle mit großer Bestürzung, wie brutal hier teilweise Straßenblockaden geräumt werden. Menschen, die sich auf die Fahrbahn geklebt haben, werden einfach weggerissen, ohne Rücksicht darauf, dass das schwerwiegende Handverletzungen zur Folge haben kann. Es werden sogenannte Schmerzgriffe angewandt, was schlicht und ergreifend verbotene Folter ist. Und es warden Gesetze zur Terrorismusbekämpfung vorgeschoben, um friedliche Demonstrant*innen über Wochen in den Knast zu stecken. Warum die Polizei das macht? Ganz einfach, weil sie es können. Weil dieses sadistische Verhalten für Polizist*innen fast nie Konsequenzen hat.

Weniger als 2 Prozent der angezeigten Gewaltdelikte durch Polizist*innen führt überhaupt zu einer Anklage, und davon nur ein Bruchteil zu einer Verurteilung. Dabei ist es auch oftmals egal, ob es gute Beweise wie Videos gibt, solange Polizei gegen sich selbst „ermittelt“ und die Justiz kein Interesse hat, Polizeigewalt zu verfolgen. Wenn man in Deutschland eine Uniform trägt, dann ist das ein Freifahrtschein zur Gewalttätigkeit ohne Konsequenzen. Die Politik weiß das. Sie tut nicht nur nichts dagegen, sondern fördert das Ganze auch noch. Die Vereinten Nationen, der Europarat und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte prangern die ausufernde Polizeigewalt in Deutschland und die mangelnde Aufarbeitung schon seit Jahren an. Aber es ändert sich rein gar nichts. Im Gegenteil, die Befugnisse der Polizei werden ständig ausgeweitet, die Polizei militärisch hochgerüstet. Wir bewegen uns immer weiter in Richtung eines autoritären Polizeistaats.

Wir leben in einer Welt, in der die Polizei die Gesellschaft kontrolliert und nicht anders herum. Wir wollen aber in so einer Welt nicht leben! Aber was können wir dagegen machen?

Was politische Veränderungen von oben angeht, können wir uns nicht darauf verlassen, dass sie jemals kommen werden. Die Grünen, die einmal eine Partei der Klimagerechtigkeit waren, drücken inzwischen aus Machtversessenheit rücksichtslos die Konzernpolitik von RWE durch und sind ganz vorn dabei, wenn es darum geht Klimaaktivist*innen zu kriminalisieren. Und die Bundesinnenministerin der einstmals linken Partei SPD verteidigt rassistische Übergriffe durch die Polizei. Von diesen angeblich progressiven Parteien können wir nichts erwarten. Nein, es rettet uns kein höheres Wesen, kein Kaiser noch Tribun. Uns aus dem Elend zu erlösen können wir nur selber tun! 

Was die Polizei angeht: Wann immer ihr könnt, dann zeigt denen, dass sie nicht mit ihrer Gewalt und ihrem Rassismus durchkommen. Seid solidarisch mit Betroffenen, helft wenn ihr könnt, stellt eine Öffentlichkeit dar, produziert Beweise von Übergriffen in Form von Bildern und Videos. Redet in euren Familien und Freundeskreisen und auf der Arbeit. Klärt Menschen, die wenig Berührung mit der Polizei haben darüber auf, wie strukturell rassistisch und gewaltvoll diese Polizei ist. Macht klar, dass das Märchen vom „Freund und Helfer“ eben nichts weiter als ein Märchen ist. Wir brauchen ein gesellschaftliches Bewusstsein für das Polizeiproblem, nur dann kann sich etwas ändern.

Außerdem müssen wir als Zivilgesellschaft Strukturen aufbauen, die dafür sorgen, dass die Macht der Polizei eingeschränkt und die Polizei eines Tages abgeschafft wird. Das können beispielsweise Copwatch-Gruppen sein. Wir müssen in unseren Vierteln selbstorganisierte Strukturen aufbauen, die wir anstatt der Polizei rufen können, wenn es Konflikte gibt oder wenn Menschen in existentiellen Krisen sind. Strukturen, denen die Menschen vertrauen können. Wir rufen alle Menschen auf, sich an daran zu beteiligen. Nächsten Montag, nach der #Justice4Mouhamed-Mahnwache, wird es im Nordpol ein Vernetzungstreffen von Defund The Police Dortmund geben, wo es genau um solche Lösungen geht. Wir würden uns freuen, wenn viele von euch sich anschließen!

Was Lützerath angeht: Es braucht jetzt alle von uns. Jede einzelne Person zählt! Die Polizei ist gut darin, Gewalt anzuwenden und Angst und Schrecken zu verbreiten. Aber wenn sich ihnen zu viele Menschen in den Weg stellen, dann werden sie damit nicht erfolgreich sein. Auch wenn ihr euch nicht direkt der Räumung entgegenstellen könnt oder wollt, könnt ihr helfen. Je mehr Menschen sich im Umkreis um Lützerath aufhalten, desto mehr Kräfte sind dort gebunden und können nicht an der Räumung teilnehmen. Je mehr Kundgebungen, Demonstration und andere kreative Aktionen wie Hausbesetzungen oder Straśenblockaden in Dortmund und anderswo stattfinden, desto mehr Polizei wird hier gebunden sein. Die Polizei zieht massive Kräfte in Lützerath zusammen. Aber die Zeit spielt gegen sie. Am 20.1. geht die Fußballbundesliga wieder los, danach bald der Straßenkarneval, und die Rodungssaison geht nur bis Ende Februar. Bis dann muss Lützerath unräumbar sein. Und auch wenn ihr euch nicht selbst der Räumung entgegenstellen könnt, dann helft dabei, Polizeigewalt zu dokumentieren, indem ihr Videos und Berichte auf Social media teilt. Solidarisiert euch mit Gefangenen, indem ihr Mahnwachen organisiert und Briefe in den Knast schreibt. Unterstützt Aktivist*innen auf der Durchreise, indem ihr Schlafplätze bereitstellt. Spendet Geld und Gegenstände, die gebraucht werden. Klärt euer Umfeld darüber auf, was dort gerade an Unrecht passiert.

Es gibt viele Möglichkeiten, sich der Räumung entgegen zu stellen. Nur gemeinsam können wir es schaffen, aber gemeinsam können wir es wirklich schaffen! Solidarität mit Lützerath! One struggle, one Fight – abolish the police, Lützi bleibt!

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