Hinweis zum Inhalt: Im folgenden Bericht werden die Notfallbehandlung an Mouhamed Dramé und sein Tod beschrieben. Das kann sehr belastend zu lesen sein. Bitte achtet auf Euch oder überspringt den Text.
Am heutigen 26. Prozesstag ist ein Arzt geladen, der Mouhamed am 08. August 2022 im Schockraum des Klinikums Nord behandelte.
Der Zeuge ist als Chirurg in der Unfallklinik der Klinik Nord tätig. Kurz vor dem regulären Feierabend am 8. August 2022 erreichte ihn die Vorankündigung eines schwerverletzten Patienten durch Schusswaffengebrauch. In solchen Fällen wartet ein großes, interdisziplinäres Team im Schockraum auf die Einlieferung des Patienten.
Die Ankunft von Mouhamed war laut Aussage des Zeugen chaotisch, unter anderem, weil die notärztliche Versorgung im Rettungswagen nicht funktioniert habe wie gewünscht. Mouhamed lebte zum Zeitpunkt des Eintreffens im Klinikum noch. Der Zeuge beschreibt Mouhamed als „unruhig“; die Behandler*innen hätten sich schwer getan, ihn zu beruhigen. Die Frage des Richters, ob Mouhamed geredet oder die Behandlung abgewehrt habe, bejaht der Zeuge.
Zuerst seien arterielle Blutmessungen in die Wege geleitet und versucht worden sein, eine Narkose zu verabreichen, woraufhin mit diagnostischen Maßnahmen begonnen wurde. Kurz darauf sei Mouhameds Kreislauf kollabiert und er reanimationspflichtig geworden. Eine Stunde lang sei versucht worden, ihn zu reanimieren, jedoch ohne Erfolg. Der Zeuge sagt: „Bei so einem jungen Mensch macht man sich das nicht leicht, die Reanimationsmaßnahme zu beenden. Doch es war aussichtslos.“ Die gesamte Behandlung bis zur Feststellung des Todes habe etwa eine Stunde und vierzig Minuten gedauert.
Der Zeuge berichtet von sichtbaren Verletzungen in der rechten Gesichtshälfte, Blut an der Vorderseite des Rumpfes, drei Taserpfeilen im Bauchbereich und Schussverletzungen an der Vorderseite des rechten Rumpfs. Mouhameds Kleidung sei schon vor dem Eintreffen in Teilen entfernt worden. Auf die Frage des Richters, welche Verletzungen seiner Meinung nach den Tod verursacht hätten, antwortet der Zeuge, dass er keine Verletzungen gesehen habe, die „unmittelbar todesursächlich“ waren. Er könne das aber auch nicht beurteilen, da er nicht den Obduktionsbericht gelesen habe.
Zu Beginn der medizinischen Versorgung wurde eine der tödlichen Schussverletzungen im Unterbauchbereich erst für eine Verletzung von einer der Taserspitzen gehalten, da diese „nach außen hin nicht offensichtlich geblutet“ habe. Richter Kelm unterstreicht dies suggestiv mit dem Kommentar: „Sah gar nicht so gefährlich aus, ne?“ Kelms einzige Frage zu den Treffern der Taser lautet: „Eine soll in der Penisspitze gewesen sein?“ Einige Male muss der Zeuge nachfragen, da er die Fragen von Richter Kelm nicht versteht.
Auf Nachfrage der Nebenklage hin erläutert der Zeuge, dass im Rettungswagen versucht worden sei, einen Zugang in Mouhameds Schienenbein zu legen, dieser aber insuffizient gewesen sei – die verabreichten Medikamente hätten nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. Ein Zugang im Schienbein werde in zeitkritischen Momenten oder nach zwei erfolglosen Versuchen von Venenzugängen gelegt. Dies sei bei Mouhamed der Fall gewesen.
Der Zeuge wird nach der 15-minütigen Befragung unvereidigt entlassen.
Zum Schluss des nur knapp fünfzehnminütigen Prozesstages erklärt Richter Kelm, dass es nicht möglich war, eine lehrende Person von der Polizeihochschule Gelsenkirchen als Zeug*in zu laden. Daher ist nun jemand aus Köln für den 2. Dezember geladen. Mit dem Termin möchte der Richter die Beweisaufnahme schließen und am selbigen Termin mit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft beginnen. Im darauf folgenden Termin (12. Dezember) sollen dann die Plädoyers der Angeklagten kommen. Zum Zeitpunkt des Plädoyers der Nebenklage und der Urteilsverkündung wurde nichts geäußert.
Weiter geht es am 04.11. um 13:00. Es wird wieder eine Mahnwache vor dem Haupteingang des Landgerichts geben. Wir freuen uns sehr über alle solidarischen Menschen, die vorbeikommen!