Bericht vom 29. Prozesstag – 02.12.2024

Der 29. Prozesstag in Kürze:

  • Die Staatsanwaltschaft beantragt Freispruch für den Schützen und die drei Beamt*innen, die Mouhamed mit Pfefferspray und Tasern angriffen.
  • Die Freisprüche für die vier Beamt*innen begründet die Staatsanwaltschaft anhand des sogenannten Erlaubnistatbestandirrtums. So gesteht sie den Angeklagten eine fälschlich angenommene Notwehrsituation zu. Sie seien zu der Einschätzung gekommen, dass die fälschliche Wahrnehmung der Polizist*innen, sich in einer Notwehrsituation zu befinden, glaubhaft und plausibel seien.
  • Für den Einsatzleiter beantragt die Staatanwaltschaft 10 Monate Freiheitsstrafe, welche auf zwei Jahre Bewährung und eine Geldstrafe von 5.000€ an eine gemeinnützige Einrichtung der Jugendhilfe in Dortmund, ausgesetzt werden kann.
  • Der Einsatzleiter wird für die Verleitung von Untergebenen im Amt zu gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Tötung für schuldig befunden.
  • Die Staatsanwaltschaft benennt ganz deutlich, dass sich die Polizist*innen am 8.8.22 NICHT in einer Notwehrsituation befanden! Sie erkennt an, dass Mouhamed aus der Ecke und in Richtung der Polizist*innen ging, weil es der einzige Ausweg für ihn war – und NICHT um die Polizist*innen anzugreifen!
  • Aufgrund dieser klaren Einschätzung der Situation – eine statische, welche durch das Vorgehen der Polizei eskaliert wurde – sind die geforderten Freisprüche für die Angeklagten umso skandalöser! Denn es nimmt jegliche Verantwortung für das tödliche Geschehen von den Angeklagten. Und setzt ein klares Zeichen in Richtung der Polizei, dass jegliches falsches, brutales/gewalttätiges/tödliches Verhalten mit einer irrtümlichen Notwehrsituation gerechtfertigt werden kann.
  • Das geforderte Strafmaß für den Einsatzleiter erschüttert angesichts der Tatsache, dass sie ihm sehr klar die Verantwortung für den tödlichen Ausgang dieses Einsatzes zuschreiben. Er habe „salopp formuliert stumpf den ersten Plan von der Holsteinerstraße [Ort der Einsatzbesprechung] umgesetzt“ und ihn nicht erneut den gegebenen/örtlichen Umständen angepasst.
  • Zu Beginn des Plädoyers stellt die Staatsanwaltschaft den Prozess in den Kontext des öffentlichen Interesses. Dabei bedient sich der Oberstaatsanwalt der Hufeisentheorie, indem er linke Kritik an dem Einsatz und rassistische, rechte Hetze gegen Mouhamed gleichsetzt.
  • Vor dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft wurden die letzten beiden Zeugen vernommen. Ein Dolmetscher aus der LWL-Klinik, welcher Mouhameds Gespräch mit der Therapeutin am 7.8.22 übersetzte und ein Polizeibeamter der Polizeihochschule Köln waren geladen.
  • Das Verhalten des Richters Kelm gegenüber dem geladenen Dolmetscher war von Herabwürdigungen geprägt. Ungeduldig unterbrach er ihn mehrmals und erhob sehr laut seine Stimme gegen ihn, wenn ihm genannte Details des Zeugen unwichtig erschienen. Dem Zeugen war wichtig zu betonen, wie traurig Mouhamed in dem damaligen Gespräch wirkte. Am Ende seiner Befragung wollte er noch erzählen, dass Mouhamed zum Ende des Gesprächs ein Foto seiner Mutter auf dem Handy zeigte, was ihm wichtig war. Wirsch unterbrach Richter Kelm den Zeugen abermals, mit der Begründung, dass die Befragung zu Ende sei und ließ den Zeugen nicht mehr ausreden.

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