Der Prozesstag in Kürze:
- Das Gericht urteilt Freisprüche für alle fünf Angeklagten, die wegen schwerer Körperverletzung, Totschlag und Anstiftung zu diesen Taten vor Gericht standen.
- Gericht bestätigt: Von Mouhamed ging kein Angriff auf die Beamt*innen aus.
- Das Gericht gesteht den Angeklagten aber zu, wenn auch fälschlich von einem Angriff oder einer Angriffsabsicht ausgegangen zu sein und in dieser Überzeugung gehandelt zu haben – wofür sie nicht bestraft werden können.
- Die Brüder des Getöteten und die solidarischen Prozessbegleiter*innen sind über das Urteil entsetzt. Im Gerichtssaal gibt es spontane Ausrufe der Solidarität und Rufe nach Gerechtigkeit.
Zum Urteilstag sind so viele solidarische Prozessbeobachter*innen vor Ort wie noch an keinem anderen Prozesstag. Schon vor 7 Uhr stehen so viele Menschen vor der Eingangstür zum Besucher*innenteil des Gerichtssaals 130 an, dass alle Plätze belegt sind – zum Ärger der später ankommenden Polizeibeamt*innen.
In der Einlasskontrolle müssen viele Besucher*innen ihre T-Shirts mit Aufdruck von Mouhameds Gesicht ausziehen. Manche Personen werden aufgefordert, ihre Jacken zu öffnen, um ihre T-Shirts zu überprüfen. Zuschauer*innenbereich als auch Pressebereich sind voll.
Um 13:12 betritt das Gericht den Saal. Wie bereits oft bleibt eine förmliche Eröffnung des Verhandlungstages aus. Unmittelbar verkündet der vorsitzende Richter Kelm „im Namen des Volkes“: Alle fünf Angeklagten werden freigesprochen. Die Kosten des einjährigen Prozesses werden der Staatskasse auferlegt. Im Publikum gibt es einige ungläubige und entsetzte Reaktionen.
Der Richter holt zu seiner Begründung aus, das Ergebnis sei „nicht unbedingt vorhersehbar“ gewesen. Bezüglich einiger Angeklagter habe eine Verurteilung teilweise zunächst nahe gelegen. Dies habe sich in der Hauptverhandlung jedoch anders ergeben
Richter Kelms folgende Ausführungen scheinen mehrheitlich frei vorgetragen.
Er fasst einige der bekannten Eckdaten zu Mouhameds Lebensgeschichte zusammen, bezeichnet dabei Mouhameds dreijährige Flucht als „Anreise“, und erwähnt mehrmals dessen Angabe, seine Eltern seien verstorben. Auch kritisiert er die Kommunikation zwischen LWL-Klinik und Jugendhilfeeinrichtung nach dem Behandlungsgespräch für eine fehlende Informationsweitergabe zu Mouhameds weiterer Betreuung.
Dann beschreibt Richter Kelm den geendeten Polizeieinsatz. Alternativen zum Einsatzplan hatte es nicht gegeben, man habe „voll darauf vertraut, dass das klappt“. Kelm folgert, dass Mouhamed die Ansprachen uniformierter Kräfte und lauten Befehle hätte bemerken müssen – dass rückwirkend aber nicht sicher festzustellen sei, ob er dies in seiner psychischen Situation tat, und dass davon auszugehen sei, dass er dazu nicht in der Lage war.
Richter Kelm wiederholt die polizeiliche Schilderung, dass die Umsetzung des Suizids allerdings jederzeit hätte erfolgen können – eine Beurteilung, die von Augenzeug*innen und Expert*innen wiederholt infrage gestellt wurde. Kelm beschreibt den Befehl zum Einsatz des Reizgases durch die Beamtin Jeanine-Denise B. und bezeichnet die Laufrichtung von Mouhameds darauffolgender Reaktion aus der Sackgasse neben dem Kirchenschiff und weg vom Ort, aus dem der Angriff mit Pfefferspray erfolgte, als nachvollziehbar. In dieser standen aber auch Beamt*innen inklusive des Schützen Fabian S. Mouhamed habe bei seiner Bewegung nur auf das Pfefferspray reagiert, es habe keine Angriffsabsicht gegeben. Diese Zurückweisung der polizeilichen Erstdarstellung durch das Gericht und die Richtigstellung des Narrativs von Mouhamed als Angreifer auf die Polizei für dessen Familie ist enorm wichtig.
Anschließend spricht er von dem darauffolgenden Einsatz von DEIGs (Distanzelektroimpulsgeräten, „Tasern“) durch zwei Beamt*innen. Eine Beamtin hatte die falsche Sorte Elektrokartusche eingesetzt, woraufhin der Taser nicht auslöst wurde. Kelm kommentiert hierzu, dass Taser in NRW noch nicht lange im Einsatz und noch nicht täglich erprobtes Einsatzmittel sind – darum sei „das vielleicht ja auch zu entschuldigen“.
Mouhamed habe sich aber noch weiter in Richtung der Beamt*innen bewegt und das Messer auf Höhe der unteren Körperhälfte gehalten. Die Beamt*innen seien von einer Angriffsabsicht ausgegangen.
Um 16:46:42 erfolgten sechs Schüsse von Fabian S., die mit Tötungsabsicht, mindestens Inkaufnahme des Todes („dolus eventualis“) erfolgt seien. Fünf der Schüsse trafen Mouhamed, zwei davon waren todesursächlich. Beamt*innen haben das Messer dann unter Mouhameds Körper gefunden und sichergestellt. Es habe auch Blutanhaftungen aufgezeigt. Das sei ein Indiz, dass er es bis zu diesem Zeitpunkt mit sich geführt habe. Mouhamed wurde in den Rettungswagen gebracht und behandelt. Um 18:02 sei sein Tod festgestellt worden.
Richter Kelm spricht dann über die Beweiswürdigung, erwähnt einige der Zeug*innenaussagen sowie Mouhameds „Einreiseverhalten“. Das Wesentliche der Informationen, etwa „Vortatgeschehen“ und „Antreffsituation“, seien unstreitig. Nur bezüglich Mouhameds Geschwindigkeit nach dem Reizgaseinsatz gebe es widersprüchliche Aussagen. Die Beamten hätten übereinstimmende Angaben gemacht, mit nur wenigen Abweichungen. Zwei Zeugen hatten ausgesagt, Mouhamed sei langsam hinter der Hauswand hervorgekommen, alle anderen beschrieben schnelle Bewegungen. Die Kammer gehe von schnellen Bewegungen aus. Das ergebe sich schon aus der Situation. Mouhamed habe flüchten wollen – dabei gehe man nicht langsam. Allerdings war die Strecke „zu kurz, um schon zu laufen“. Vielmehr habe er sich in einer „Startphase“ befunden, daher auch die von Zeug*innen beschriebene leicht gebückte Haltung.
Kelm spricht weiter über das „Schutzgut der öffentlichen Sicherheit“ und die Frage nach einer konkreten Gefahr. Er urteilt, ein „alsbaldiger Schadenseintritt“ sei zu erwarten gewesen, denn er habe das Messer stichbereit gehalten und sich apathisch verhalten. Auch ex ante sei dies – wie ex post – nicht klar zu beantworten: „Wir wissen nicht, was im Kopf des Herrn Dramé vorging.“
Das „Schutzgut Leben“ sei insofern betroffen gewesen, dass klar eine gegenwärtige Gefährdung gegeben habe. Kelm erklärt, dass Mouhamed mit dem Leben abgeschlossen habe. An der Ernsthaftigkeit bestünden keine Zweifel. Konkreter ginge kaum – „da müsse er sich das Messer schon in den Bauch gestochen haben.“
Demnach bestünde „ganz klar eine gegenwärtige konkrete Gefahr.“ Wenn die Angeklagten nicht eingegriffen hätten, hätte „Dramé“ sich töten können. Dies hätte wiederum möglicherweise auch strafrechtliche Konsqeuenzen für mindestens einen der Beamt*innen haben können.
Zur Notlage urteilt Kelm: Die Kammer sei überzeugt, dass „Herr Dramé keinen Angriff geplant hat. Nachvollziehbar ist durchaus die Fluchtsituation“. Insbesondere sei festzustellen, dass keinerlei Fremdgefährdung zu erkennen sei. Mouhamed habe keine Zeit gehabt, sich Gedanken über einen Angriff zu machen. Es habe bis zum Pfeffersprayeinsatz keine Fremdgefährdung gegeben, dazu habe auch kein Grund bestanden. „Aufgrund der Indizien sind wir überzeugt: Kein Angriff.“, aber ergänzt: „Man kann das möglicherweise anders sehen.“
Er bestimmt auch: „Der Einsatz erfolgte nachvollziehbar zur Überwältigung des Herrn Dramé.“ Bei der Motivlage gäbe es keine Gründe dafür, dass geprüft werden müsse, ob auch andere Gründe in die Entscheidungen der Beamt*innen hineingespielt haben könnten. Aus der Sicht der Taserschützin und des MP5-Schützen waren diese zur Abwendung einer Gefahr erforderlich, denn es bestand aus ihrer Sicht (!) ein Angriff. Herr Dramé habe mit dem Messer auf sie bedrohlich gewirkt.
Er führt dazu aus: „Es kommt nicht darauf an, ob das Messer von oben oder von unten kam“, auch wenn erfahrungsgemäß stärkere Verletzungen erfolgen, wenn das Messer von oben kommt, „was Sie ja etwas komisch beschrieben haben, Herr Kollege“ und bezieht sich auf die Referenz auf den Film „Psycho“ im Plädoyer des Verteidigers Krekeler.
Zur Strafbarkeit der Angeklagten Jeannine-Denise B. und in Bezug auf die Vorwürfe des § 340 Abs. 1-2 Körperverletzung im Amt, Körperverletzung bzw. gefährliche Körperverletzung §§ 223, 224 führt Kelm aus: „Wir haben zumindest eine Körpermisshandlung. Dass es ihn pathologisch irgendwie beeinträchtigt hat, können wir nicht feststellen.“ Zum Tatbestand führt er aus: „Sie wollte ihn verletzten und beeinträchtigen, damit er das Messer fallen lässt.“ Hier greife PolG NRW §8 Absatz 2, konkrete gegenwärtige Gefahr und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das Pfefferspray sei ein Einsatzmittel mit grundsätzlich geringen Folgen, einer Reizung der Augen. Es habe keine erheblichen Folgen, sei kein erheblicher Eingriff. Es sei erforderlich gewesen „zur Abwehr des Angriffs“.
Hier tut sich für Prozessbeobachter*innen ein erheblicher Widerspruch auf, denn zum Zeitpunkt des Pfeffersprayeinsatzes war nie von einem Angriff die Rede. Möglicherweise war eigentlich der Erlaubnistatbestandsirrtum gemeint, der den Pfeffersprayeinsatz möglicherweise rechtfertigt.
Eine gegenwärtige Gefahr habe vorgelegen, die Verhältnismäßigkeit des Zwangsmittels sei geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne gewesen. Er sagt, dass Pfefferspray in 80-90 % der Fälle Wirkung entfalte. Er bejaht die Geeignetheit und bezeichnet Pfefferspray als ein „Einsatzmittel mit geringen Folgen“ und ergänzt: „Ich hab’ schon von einem Einsatz gehört, der tödlich erfolgte, aber grundsätzlich hat das geringe Folgen.“ Dadurch, dass es keine erheblichen Folgen von Pfefferspray gebe, gebe es auch keinen erheblichen Eingriff. „Haben wir ein milderes Mittel?
Es wurde diskutiert, ob andere Mittel infrage gekommen wären. Nach Ansicht der Kammer wären diese nicht geeignet oder wären zu spät gekommen.“
Im Folgenden bespricht Kelm einige alternative Mittel, die im Laufe des Prozesses diskutiert wurden. Dabei spricht er frei und teils abfällig, als wären diese dumme Ideen. Das SEK etwa habe ganz andere Aufgaben. „Die sind völlig anders ausgerüstet und sind völlig anders trainiert. Die greifen durch, da wird nicht gezögert.“ Wenn das SEK zum Einsatz gekommen wäre, hätte es auf jeden Fall „Gewalt“ gegeben. Man solle auch nicht glauben, dass das SEK sofort da gewesen wären, sondern sich erst hätten am Standort ausrüsten und dann zum Einsatzort kommen müssen. „Die sitzen da nicht wie die Feuerwehr und springen eine Stange runter. Die brauchen ’ne Weile.“
Zum Einsatz eines Polizeihundes sagt er: „Das ist meiner Einschätzung nach völlig absurd. Was macht ein Hund? Das sind Polizeihunde. Die beißen und die beißen feste.“ Er beschreibt, wie das erhebliche Verletzungen hervorrufen kann. „Dann wissen wir aber auch nicht, wie Herr Dramé dann reagiert hätte. Oder dann müssen Sie sich mal vorstellen, was er gemacht hätte, wenn das SEK kommt.“
Zu der Möglichkeit, einen Psychologen und einen Dolmetscher hinzuzuziehen sagt er stark abfällig: „Das geht nicht so schnell.“ Er vergleicht die Situation mit Dolmetschern im Gerichtssaal und deutet damit an, dass diese unzuverlässig seien: „Wir haben es häufig, dass ein Dolmetscher den Termin vergisst. Bis wir den hier haben dauert das auch. Und das nur für weniger Sprachen. Das geht nicht so schnell. Und noch viel weniger schnell geht es mit einem Psychologen. Die Person des Herrn Dramé ist dem doch völlig unbekannt. Was will der erreichen? Meines Erachtens liegt das völlig daneben. Das wäre „ein erheblicher Zeitaufwand.“
Zu der Möglichkeit der Androhung von Zwangsmitteln sagt er: „Die Androhung soll etwas in Gang setzen. Das war hier nicht zu erwarten. Herr Dramé habe aufgrund der psychischen Verfassung ohnehin nicht reagieren können.“ und stellt die Androhung als gänzlich überflüssig dar, da Mouhamed ja auch nicht ansprechbar gewesen sei, und bei §34 ohnehin nicht notwendig. Alles andere sei eine Unterstellung zu Lasten der Angeklagten.
Richter Kelm geht dann zum angeklagten Schützen Fabian S. wegen Totschlags nach § 212 StGB über: „Kommen wir zu Herrn S., das ist ja die Person, um die es hier geht, sonst säßen wir hier ja nicht vor einem Schwurgericht.“ Hier sei es der Erlaubnistatbestand, der zu S. Gunsten greifen würde. „Es geht hier um den Paragraphen 212 [StGB – Totschlag], vorsätzlich, bewusst.“ Es greife zu seinen Gunsten ein Erlaubnistatbestandsirrtum. „Aus seiner Sicht lag ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff vor. Der war auch gegenwärtig, denn von Frau B. war er [Mouhamed] nur zwei Meter entfernt.“ Eine mögliche Rechtfertigung sei also die Nothilfe nach § 32 StGB zugunsten von Frau B. „Rechtlich geschützte Güter sind hier das Leben von Frau B., äh, ’tschuldigung, Frau B.“ (er verwechselt die beiden weiblichen Angeklagten).
Die Schussabgabe sei erforderlich gewesen, andere Mittel nicht erreichbar. Der sofortige Einsatz sei zwingend gewesen. „Es war das einzige Abwehrmittel. Gebotenheit haben wir auch. Wir erkennen hier keine Einschränkung der Notwehr. Die Nähe war aufgrund des Einsatzplans vorgegeben. Es war klar, der musste dahin laufen.“ Alle sechs Schüsse seien gedeckt – „der Angriff ist erst beendet, wenn der Täter [sic!] zu Boden geht.“ Alles das sei für die Kammer nachvollziehbar. Es wurde auch nicht länger geschossen, bis „der Dramé“ zu Boden gegangen sei. Damit sei sich in der Situation eine Notwehrlage vorgestellt worden. Hier handele es sich um einen Tatbestandsirrtum, nach BGH und auch nach der geltenden Lehre – eine Bestrafung wegen Vorsatztat sei nicht möglich. „Fahrlässigkeit“ wäre möglich, das hänge aber von der individuellen Vermeidbarkeit ab. Objektiv sei die Bewegung vom Mouhamed Lamine Dramé als Angriff einzustufen. „Subjektiv wissen wir es nicht. Es waren nur zwei Meter bis Frau B..“ Für die Beurteilung der Lage habe es eigentlich „überhaupt keine Zeitspanne“ gegeben, damit sei das Handeln unvermeidbar und damit auch ein Freispruch richtig.
In Bezug auf die Taserschützin Pia-Katharina B. urteilt Kelm, das die zwei Treffer aus dem DEIG aus Notwehr und im Rahmen des Erlaubnistatbestandsirrtums abgegeben worden seien. Das DEIG sei in der Kürze der Zeit das einzige Abwehrmittel gewesen.
Der Angeklagte Markus B. hatte mit nur einer Patrone aus dem DEIG getroffen. Eine daraus resultierende Körperverletzung sei völlig unerheblich und ergebe „mit Sicherheit keine Freiheitsstrafe“. Es habe ein Motivbündel vorgelegen im Rettungswillen von Mouhamed sowie seiner Kollegin B.
Eine Androhung sei aufgrund der kurzen Zeit nicht möglich gewesen. Auch ein Rückzug aus dem Einsatzfeld sei nicht möglich gewesen. Sofortiger Einsatz sei geboten gewesen.
Abschließend widmet sich Richter Kelm dem Einsatzleiter Thorsten H. Er sagt, eine Verurteilung nach § 357 StGB scheide schon mangels rechtswidriger Vortat aus. Es komme lediglich eine eigene Fahrlässigkeit in Betracht. Dann müsste eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegen.
Es sei Herrn H. alles bekannt gewesen, die Wirkweise der Einsatzmittel, der mögliche Fluchtweg. Infrage stehe bei objektiver Vorhersehbarkeit die Vermeidbarkeit der Anwendung; „Wir haben das natürlich so objektiv und nach umfassender Bewertung begründet. Ex post lässt sich das vielleicht begründen. Und im Nachhinein ist man immer schlauer, insbesondere, wenn man im Gerichtssaal sitzt.“ Wegen der „Kürze der Zeit“ in der Situation sei ein sofortiges Einschreiten nötig gewesen.
Man habe auch gewährleisten müssen, dass bei Fehlschlag Herr Dramé keine Dritten verletzten würde. Es habe sich in der Hauptverhandlung ergeben, dass ein Zurückweichen gefährlich für den Polizeibeamt*innen selbst habe sein können.
Die dichte Aufstellung der Polizeibeamt*innen, die Thorsten H. zwar nicht angeordnet, aber auch nicht beanstandet hatte, diente der geplanten Entwaffnung und dazu, dass Mouhamed dabei nicht „abhaut“ und Dritte verletzt werden könnten. Eine gelockertere Aufstellung sei laut der Kammer unmöglich gewesen, denn dann hätte Mouhamed in den Innenhof kommen und Dritte verletzten können – „Herr Dramé hatte das nicht vor, das ist klar, das wissen wir im Nachhinein.“ In der Situation selbst habe man das aber nicht klar wissen können. So sei auch Sicherungsschütze Fabian S. nicht „anders zu positionieren“ gewesen. Es läge also keine Pflichtverletzung vor und Thorsten H. sei demnach ebenfalls freizusprechen.
Er schließt mit den Worten „Das ist nicht einfach. Das ist auch nicht einfach zu verstehen. Vielen Dank.“
Die 5 Polizist*innen werden so weiterhin ihre Berufe ausüben bzw. im Fall des suspendierten Schützen Fabian S. diesen wiederaufnehmen dürfen und ihren Beamt*innenstatus nicht verlieren.
Der vorsitzende Richter Kelm und die Kammer erheben sich und beginnen, den Saal zu verlassen.
Das Publikum erhebt sich auch und es beginnen Rufe. „Justice for Mouhamed!“. „Das war Mord!“, „Oury Jalloh – das war Mord“, „Ante P. – das war Mord!“. Die Justizbeamten: „Verlassen Sie den Saal, wir räumen den Saal“. Die Justizbeamten fordern die Pressevertreter*innen auf, den Saal zu verlassen. Gerichtssprecherin Nesrin Özal: „Das hat auch einen Sicherheitsaspekt“. Vor den Pressebänken haben sich die Justizbeamten positioniert, die Angeklagten und ihre Rechtsanwälte werden in schnellen Schritten hinausgebracht.
Kurz später kommt Sidy Dramé in Begleitung der Anwältin Lisa Grüter aus dem Gericht mit erhobener Faust und ruft „Justice for Mouhamed!“. Er wird von einer Mahnwache und vielen dutzenden Unterstützer*innen empfangen. Viele weinen und sind entsetzt über die Freisprüche. In den Tagen nach dem Urteil folgen eine Sponti durch die Nordstadt und eine Großdemonstration durch die Dortmunder Innenstadt.