Prozessbericht vom 23. Prozesstag – 09.09.2024
Im folgenden Bericht wird von den Ergebnissen der Obduktion an Mouhamed berichtet. Das kann verstörend und belastend sein!
Für den heutigen Prozesstag ist der Rechtsmediziner in Ruhestand, Dr. Ralf Zweihoff, geladen. Er hat am 09.08.2022 die Obduktion von Mouhamed im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchgeführt.
Zu Beginn seiner Aussage liest der Zeuge aus dem Notarztprotokoll vor. Die Hämaglobinparameter lagen bei 6, was zu niedrig war und Mouhamed erlitt einen großen Blutverlust. Mouhamed wurde noch im Schockraum notoperiert, doch es kam zu einem Herzstillstand. Die Reanimationsversuche waren erfolglos.
Bei seiner Obduktion stellt Dr. Zweihoff fünf Einschüsse in Mouhameds Körper fest. Ein Einschuss am rechten Jochbein, welcher ein Durchschuss war und somit trat das Projektil wieder aus dem Unterkiefer heraus und drang in die rechte Schulter ein. Ein weiterer Schuss im Oberarm, ein Schuss an der Rückseite der rechten Schulter, welcher mit absteigendem Winkel eindrang, wodurch das Projektil in die Brusthöhle drang und zu Blutungen im rechten Lungenflügel führte. Der fünfte Einschuss traf Mouhamed im Bauchbereich, oberhalb des Bauchnabels.
Der Rechtsmediziner kommt in seiner Obduktion zu dem Schluss, dass der Blutverlust im rechten Lungenflügel, sowie die Beschädigungen an der Beckenschlagader durch den Schuss im Bauch, die Todesursachen waren. Laut ihm hätte Mouhamed in seinem allgemeinen Gesundheitszustand die Schüsse im Gesicht und an den Armen überleben können, doch nicht die beiden in Thorax und Bauchhöhle.
Durch die Notoperation und die Reanimationsversuche seien Beschädigungen an Organen, wie Niere und Lunge zu erkennen gewesen.
Es waren zwei Hautdefekte an Schläfe und Eichel durch den Einsatz der DEIGs sichtbar.
Anzeichen des Gebrauchs von Pfefferspray habe er nicht sehen können, jedoch war die Untersuchung dessen nicht seine Aufgabe. Er verweist auf eine kriminaltechnische Untersuchung.
Es seien keine Hämatome durch beispielsweise Fußtritte festgestellt worden. Die Nebenklage erkundigt sich, wie genau er das feststellen konnte, da unter anderem durch die Notoperation die Bauchhöhle offen war. Der Zeuge erwidert, dass durch den großen Blutverlust durch Tritte entstandene Einblutungen im Zwerchfell hätten sichtbar sein müssen. Außerdem waren an Armen und Beinen keine stumpfen Einwirkungen zu sehen. Die Nebenklage fragt kritisch nach, ob das denn auch bei Schwarzer Haut so leicht erkennbar sei. Der Zeuge räumt ein, dass das von außen schwierig zu sehen sei, jedoch wurde Zellgewebe vom Rücken, den Gliedmaßen und dem Gesäß untersucht und daran hätte man Hämatome erkennen müssen.
Brögeler, Verteidiger der Angeklagten B., fragt ob Mouhameds Tod hätte verhindert werden können wenn der Notarzt und die Rettungssanitäter*innen die Schussverletzungen am Bauch und Thorax entdeckt hätten. Aus deren Zeug*innenaussagen sei hervorgegangen, dass sie während ihrer Behandlung von Mouhamed vor Ort nicht alle Schussverletzungen gesehen hätten. Der Rechtsmediziner erwidert, dass das keine Auswirkungen auf den tödlichen Ausgang gehabt hätte, denn die notärztliche Versorgung im Krankenwagen fokussiert sich auf die Stabilisierung der Vitalparameter und erst im Krankenhaus wird dann die Maximalversorgung durchgeführt.
In einem weiteren Gutachten vom 23.08.2022 hat der Zeuge die Schusswinkel und Entfernung zwischen dem Angeklagten Schützen S. und Mouhamed ausgewertet. Er kommt zu dem Ergebnis, dass ein Abstand von mehr als 0,5 Metern, wahrscheinlich zwei bis drei Meter vorhanden war. Richter Kelm wirft ein, dass es doch eher vier Meter gewesen sein müssten, aber darauf käme es nicht an. Eine zuverlässige Aussage zu der Reihenfolge der abgegebenen Schüsse lässt sich aus den Ergebnissen der Obduktion nicht ableiten.
Nachdem der Zeuge unvereidigt entlassen wird, liest der vorsitzende Richter Kelm ein Gutachten der Polizei Recklinghausen zu Schmauchspurenuntersuchungen an der Kleidung von Mouhamed, sowie an der Tatwaffe und den Händen des Schützen, vor.
Weiter geht es am 11.09.2024 um 9:30. Für den kommenden Termin ist ein Polizeibeamter des Landesamts für Aus- und Fortbildung der Polizei NRW geladen. Wir freuen uns wie immer über solidarische Prozessbeobachter*innen und am kommenden Termin wird es auch wieder eine Mahnwache vor dem Landgericht geben.