Bericht vom 4. Prozesstag – 31.01.2024

Der Prozesstag in Kürze:

  • Die Familie Dramé ist in Deutschland und heute erstmals in ihrer Rolle als Nebenkläger im Gericht anwesend.
  • Weiterhin ist das Einlassprozedere für Prozessbesucher*innen langwierig, es gibt keine Möglichkeit, während des teils stundenlangen Wartens oder des laufenden Prozesses eine Toilette zu nutzen, ohne den eigenen Platz zu verlieren. Auch der vierte Tag beginnt mit einer guten halben Stunde Verspätung.
  • Richter Kelm verliest verschiedene Spurensicherungsberichte, unter anderem die Aufzählung der am 8. August 2022 verwendeten Waffen. Das gegen Mouhamed eingesetzte Reizstoffsprühgerät hatte sein Ablaufdatum um vier Monate überschritten.
  • Auch Mouhameds Handy wurde als Asservat gehandelt und einer Datensicherung unterzogen.
  • Außerdem sind Mouhameds Kleidung, Ring und Halskette sowie einige Schulbücher Asservate. Mouhameds Bruder Sidy Dramé möchte sich an das Gericht wenden, um eine Aushändigung der wichtigsten Gegenstände seines Bruders zu erbitten, darf das aber nicht, seine Bitte muss in Kürze indirekt von der Anwältin Lisa Grüter vorgetragen werden. Der Staatsanwalt will dem Wunsch nicht nachgehen, da es sich um Beweismittel im laufenden Prozess handle, die Nebenklage setzt aber durch, dass dies zumindest im Fall von Gegenständen, die offensichtlich keine Beweismittel sind, wie etwa Mouhameds Halskette, geprüft wird.
  • Nach drei Wochen Pause geht es am Mittwoch, den 21. Februar, ab 9:30 weiter. Dann sollen die Zeug*innenbefragungen fortgesetzt werden. Richter Kelm gibt auf Nachfrage an, dass nach den bisher bekannten Terminen bis April voraussichtlich einige weitere Mittwochstermine bis Juli folgen werden.

Ausführlicher Bericht vom 4. Prozesstag:

Am 31. Januar 2024 fand der vierte Prozesstag im Gerichtsverfahren gegen fünf der am Tod von Mouhamed Lamine Dramé beteiligten Polizist*innen vor dem Dortmunder Landgericht statt.

Wir waren wieder mit einer Mahnwache und vielen solidarischen Prozessbesucher*innen schon ab sieben Uhr morgens vor Ort.

Seit wenigen Tagen sind auch Angehörige von Mouhamed Dramé, die Brüder Sidy und Lassana Dramé, aus dem Senegal in Deutschland angekommen und können – dank der Arbeit vieler Freiwilliger – am vierten Prozesstag teilnehmen. Als Nebenkläger im Prozess, vertreten durch Lisa Grüter und Prof. Dr. Thomas Feltes, nehmen sie eine wichtige prozessuale Rolle ein.

Ein Übersetzer begleitet die beiden, deren Muttersprache Wolof ist, durch den Prozesstag. Im Gerichtssaal müssen sie aber zunächst, umringt von Pressekameras, eine Dreiviertel Stunde auf den Beginn der Sitzung warten.

Durch den späten Beginn des Einlasses und das weiterhin langwierige Einlassprozedere beginnt der Prozesstag nämlich wieder eine halbe Stunde verspätet. Weiterhin gibt es für Prozessbesucher*innen keine Möglichkeit, während des teils stundenlangen Wartens oder des laufenden Prozesses eine Toilette zu nutzen, ohne den eigenen Platz zu verlieren.

Als alle sitzen, wird ein Besucher mit Mouhameds Konterfei auf dem T-Shirt erst von Justizbeamten, dann von der Kammer aufgefordert, dieses auszuziehen oder den Gerichtssaal zu verlassen, denn es sei, so Richter Kelm, verboten, “Dinge mitzubringen, die auf irgendeine Gesinnung schließen lassen.

Prozessstart gegen 10:30.

Sofort wird klar, dass auf die Anwesenheit der Angehörigen von Mouhamed von Seiten der Kammer kein Augenmerk gelegt oder Rücksicht genommen wird. Es findet keine Begrüßung statt. Zudem führt der Aufbau des Gerichtssaals dazu, dass Nebenklage bzw. Geschädigte und Angeklagte einander direkt gegenüber sitzen, sodass die Brüder Dramé über Stunden die Polizist*innen, die ihren Bruder getötet haben, ansehen müssen. Diese meiden ihre Blicke.

Die gesamte Kammer und fast alle anderen Prozessbeteiligten außer den Brüdern Dramé sind weiß gelesen, sie sind zwei der wenigen Schwarzen Menschen im Saal. Dieses Machtgefälle, wenn auch überdeutlich, bleibt unbenannt.

Nach einem Halbsatz des vorsitzenden Richters Richtung Familie und Übersetzer („Die Verständigung klappt?“) geht es los.

Die Nebenklage beantragt die Ladung eines Zeugen, der technische Bilder wie etwa 3D-Bilder vom Tatort in ihrer Aussagekraft erklären soll, um so eine Verwendung und auch eine korrekte Interpretation dieser Ermittlungsdaten gewährleisten zu können. Hiermit wird auch an den Antrag vom letzten Prozesstag auf Verwendung angemessener technischer Hilfsmittel zur Einsicht von Lichtbildern für Prozessbeteiligte sowie Besucher*innen angeknüpft – dieser war abgelehnt worden. Am gleichen Tag hatte die Befragung von Zeugen zu Lichtbildern am Richtertisch, umringt von 15 Prozessbeteiligten, deutlich gemacht, wie hilfreich die Projektion der Bilder auf eine für alle gut sichtbare Leinwand für die Genauigkeit und Nachvollziehbarkeit der Aussagen sowie für die emotionale Lage der Zeugen gewesen wäre.

Auch der neue Antrag wird von Staatsanwaltschaft und Anwälten der Angeklagten für nicht notwendig deklariert, eine Entscheidung der Kammer steht aus.

Anschließend verliest Richter Kelm verschiedene Spurensicherungsberichte, unter anderem eine Aufzählung der am 8. August 2022 verwendeten Waffen sowie andere Untersuchungsergebnisse, die die dafür bei der Kriminalpolizei Recklinghausen gegründete Mordkommission (MK) Holstein erarbeitet hat. Dabei stellt sich zum Beispiel heraus, dass das gegen Mouhamed eingesetzte Reizstoffsprühgerät sein Ablaufdatum am 8. August 2022 um vier Monate überschritten hatte.

Auch hier werden die entsprechenden Lichtbilder wieder nur auf dem Ausdruck aus der Akte auf dem Richtertisch gezeigt, wofür die Prozessbeteiligten von ihren Plätzen aufstehen und gleichzeitig den Ausdruck ansehen müssen.

Der Richter verliest die Berichte so schnell und undeutlich, dass eine Simultanübersetzung wohl kaum möglich ist.

Sowohl Mouhameds Handy, das einer Datensicherung unterzogen wurde, als auch seine Kleidung, sein Ring und seine Halskette sowie einige Schulbücher werden als Asservate bei der Polizei aufbewahrt. Mouhameds Bruder Sidy Dramé möchte den Wunsch der Familie, dass ihnen die wichtigsten Gegenstände seines Bruders ausgehändigt werden, direkt ans Gericht richten, was ihm aber untersagt wird. Sein Anliegen muss in Kürze von der Anwältin Lisa Grüter vorgetragen werden. Der Staatsanwalt will dem Wunsch nicht nachgehen, da es sich um Beweismittel im laufenden Prozess handle. Die Nebenklage setzt aber durch, dass dies zumindest im Fall von Gegenständen, die offensichtlich keine Beweismittel sind, wie etwa Mouhameds Halskette, geprüft wird.

Nach etwa neunzig Minuten endet der vierte Prozesstag.

Nach drei Wochen Pause geht es am Mittwoch, den 21. Februar, ab 9:30 Uhr weiter. Dann sollen die Zeug*innenbefragungen fortgesetzt werden. Richter Kelm gibt auf Nachfrage an, dass auf die bisher bekannten Termine bis April voraussichtlich einige weitere Mittwochstermine bis Juli folgen werden.

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