Demo-Livestream

Hier geht es zum Livestream: https://radio.nrdpl.org/live/

Für alle, die es dieses Wochenende nicht zum Abolitionismus-Vortrag in den Nordpol oder zur Demo schaffen, werden wir beide Veranstaltungen als Livestream bei Radio Nordpol begleiten.

Freitag, 18.11., ab 18 Uhr

Buchvorstellung und Diskussion „Abolitionismus – Die Abschaffung der Staatsgewalt“ mit Daniel Liock und Vanessa E. Thompson.

Mehr Infos hier: https://nrdpl.org/termine/?event_id2=4735

Samstag, 19.11., ab 13:30 Uhr

Demonstration gegen tödliche, rassistische Polizeigewalt: „Es gibt 1000 Mouhameds. Sie verdienen Gerechtigkeit!“

Hier geht es zum Livestream: https://radio.nrdpl.org/live/

Der Demotag

Der 19.11. wird ein langer Tag! Hier die Kurzübersicht über die wichtigsten Stationen:

  • 10:30 Uhr: Start der Mahnwache am Kurt-Piehl-Platz (Nähe Tatort)
  • 11 Uhr: Öffnung des Nordpol
  • 13:30 Uhr Start der Demonstration am Hbf
  • Ca. 17 Uhr: Ende der Demonstration am Friedensplatz
  • Nach der Demo: Tag ausklingen lassen im Nordpol

Hier geht es zur Demokarte mit Überblick über die Route und die anderen Stationen.

Für die aktuellsten Infos rund um den Demotag folgt uns auf Twitter (@solimouhamed) und Instagram (@solidaritaetskreismouhamed) oder checkt den Hashtag #do1911, unter dem wir live berichten werden. Wir können leider nicht garantieren, dass kurzfristige Änderungen des Programms es auf die Website schaffen werden, und bitten dafür um Verständnis.

Mahnwache am Kurt-Piehl-Platz

Von 10:30 bis 14:30 Uhr betreut der VVN-BdA Dortmund eine Mahnwache am Kurt-Piehl-Platz in der unmittelbaren Nähe des Tatorts. Das ist der beste Anlaufpunkt, wenn ihr schon früh in Dortmund seit und euch letzte Infos zum Ablauf abholen wollt. Ihr bekommt hier auch heißen Tee.

Vor dort sind es zu Fuß ungefähr 2 Minuten bis zum Tatort in einer Seitenstraße. Bevor ihr dorthin geht, redet bitte mit den Menschen, die die Mahnwache betreuen. Der Tatort ist direkt am Gelände der Jugendhilfeeinrichtung, in der Mouhamed die letzten Tage seines Lebens verbrachte, und aus Rücksicht auf die anderen Bewohner*innen der Einrichtung und die anderen Anwohner*innen der Straße, die teilweise auch Zeug*innen des Mordes wurden, bitte wir euch, nur dorthin zu gehen, wenn die Menschen an der Mahnwache sagen, dass es gerade okay ist.

Öffnung des Nordpol vor und während der Demo

Der Tag wird lang und anstrengend, und vermutlich wird es sehr kalt. Deshalb ist es gut, einen Rückzugsort zu haben, für alle die sich mal aufwärmen müssen, eine Weile hinsitzen möchten, eine Auszeit vom Trubel brauchen, oder sich auf der Straße gerade unwohl fühlen und in einer geschützten Umgebung abhängen wollen.

Zum Glück gibt es den Nordpol! Hier, in der Bornstr. 144 (gebt bitte die genaue Adresse in euer Handy ein, wenn ihr nach „Nordpol Dortmund“ sucht, kommt ihr vielleicht am alten Laden in der Münsterstraße raus) findet ihr all das. Das wunderbare Team des Nordpol versorgt euch mit Kaffee, Tee, Keksen und anderem Gebäck. Außerdem natürlich auch Kaltgetränke von der Karte. Dazu entspannte Atmosphäre und etwas Musik.

Der Nordpol öffnet um 11 Uhr seine Tür und bleibt während der gesamten Demo offen. Ihr kommt von der Mahnwache am Kurt-Piehl-Platz innerhalb von 5 Minuten dorthin, außerdem ist es nicht weit von Teilen der Demostrecke in der Nordstadt, und die Haltestelle „Brunnenstraße“ der U-Bahn-Linien U42 und U46 ist nur 200 m entfernt (von hier kommt ihr ohne Umsteigen zur Abschnlusskundgebung, und mit Umsteigen zu allen Abschnitten der Route)

Website des Nordpol: https://nrdpl.org/

Die Demonstration

Der Sammlungspunkt befindet sich gegenüber vom Ausgang des Hauptbahnhof auf dem Platz der Deutschen Einheit, also unterhalb der Katharinentreppen und zwischen Fußballmuseum und Bibliothek.

Um 13:30 Uhr beginnt die Startkundgebung. Anschließend stellt sich der Demozug auf und zieht zunächst in die Nordstadt. Hier gibt es in unmittelbarer Nähe der Nordwache eine erste Zwischenkundgebung. Die Nordwache ist in Dortmund berühmt-berüchtigt, da es von hier aus schon seit vielen Jahren und regelmäßig zu Übergriffen und rassistischer, sexistischer und klassistischer Polizeigewalt kommt. Auch die Polizist*innen, die Mouhamed ermordet haben, kamen von dort. Wir fordern aus diesem Grund die Schließung der Nordwache und eine umfassende, unabhängige Untersuchung der dortigen Machenschaften! Es gibt keinen besseren Ort, an dem wir unserer Wut Ausdruck verleihen könnten! Dann geht es weiter durch die Nordstadt, auch vorbei an dem Ort, an dem der NSU am 4.4.2006 Mehmet Kubaşik ermordete. Vor dem Dortmunder U wird es die zweite Zwischenkundgebung geben. Von dort gehen wir durch die Dortmunder Innenstadt bis zum Friedensplatz, wo die Abschlusskundgebung stattfinden wird.

Nach der Demonstration

Es ist der ausgesprochene Wunsch von Mouhameds Familie, dass wir an diesem Tag nicht nur unsere Trauer und Wut über den Mord an Mouhamed zum Ausdruck bringen, sondern ihn und sein Leben auch gebührend feiern. Also lasst uns bis in die Nacht tanzen, essen und trinken!

Alle Menschen, die nach der Demo noch Lust auf geselliges Beisammensein haben, sind herzlich in den Nordpol eingeladen. Wir möchten den Tag dort in entspannter und fröhlicher Atmosphäre ausklingen lassen. Es wird Musik und etwas zu Essen geben, außerdem Getränke von der Karte des Nordpol.

Pressemitteilung: Großdemonstration in Gedenken an Mouhamed Lamine Dramé

Das Solidaritätsbündnis Justice4Mouhamed ruft am 19. November zur
Großdemonstration auf, um des von der Polizei erschossenen 16-Jährigen
zu gedenken. An der Demo werden auch Familien von anderen Opfern von
Polizeigewalt sowie Initiativen aus ganz Deutschland teilnehmen.

Zum Hintergrund:
Am 08.08.2022 wurde Mouhamed, der sich in einer Jugendhilfeeinrichtung
in der Dortmunder Nordstadt aufhielt, von der Polizei erschossen. Der
zuvor aus dem Senegal geflohene Jugendliche befand sich in einer
psychischen Krise und seine Betreuungspersonen verständigten aus der
Sorge heraus, dass er sich das Leben nehmen würde, die Polizei.

Insgesamt waren 12 schwer bewaffnete Beamt*innen vor Ort, die Mouhamed
zuerst Pfefferspray ins Gesicht sprühten und kurz darauf Taser und eine
Maschinenpistole einsetzten. Der Jugendliche hielt sich ein Messer an
den Bauch und befand sich zum Zeitpunkt des Einsatzes auf einem
umzäunten Hof. Eine Gefahr für andere Personen bestand damit nicht.
Mittlerweile konnte anhand von Audioaufnahmen rekonstruiert werden, dass
der Einsatz von Taser und Maschinenpistole fast zeitgleich erfolgte.
Dies bedeutet, dass unmittelbar nach Einsatz des Elektroschockers, der
einem Menschen bereits stärkste Schmerzen zuführt und kurzfristig außer
Gefecht setzt, geschossen wurde. Mouhamed verstarb kurz darauf an den
schweren Verletzungen. Ein Bemühen der Polizei, das Leben von Mouhamed
zu schützen, ist nicht erkennbar.
Nachdem seitens der Polizei und des Innenministeriums zunächst an der
Rechtmäßigkeit des Einsatzes festgehalten wurde, werden die
Darstellungen der Polizei, in eine Notwehrlage geraten zu sein, immer
unglaubwürdiger. Auch Innenminister Reul äußerte Zweifel an der Version
der Beamt*innen der Nordwache. Gegen die am Einsatz beteiligten
Polizist*innen laufen derzeit Ermittlungsverfahren und auch der
nordrhein-westfälische Landtag befasst sich in drei Ausschüssen mit dem
Fall von Mouhamed.

Mit der Kampagne „Es gibt 1000 Mouhameds. Sie verdienen Gerechtigkeit!“
fordern wir als Solidaritätsbündnis nicht nur die Aufklärung des Mordes
an Mouhamed, sondern auch eine Aufklärung der zahlreichen weiteren
Polizeieinsätze, bei denen Menschen zu Tode gekommen sind. „Wir
betrachten den Tod von Mouhamed nicht als tragisches Einzelschicksal,
sondern exemplarisch für strukturelle Polizeigewalt“, so Sarah Claßmann,
Aktivistin im Solidaritätsbündnis. Rassistische Strukturen, fehlende
Deeskalationsstrategien im Umgang mit psychisch erkrankten Personen,
Ableismus und Sexismus führen dazu, dass die Polizei vielen Menschen
nicht die versprochene Sicherheit bietet, sondern Polizeieinsätze
gewaltvoll – oder wie in Mouhameds Fall sogar tödlich – verlaufen.
Wir als Solidaritätsbündnis wollen wissen, warum ein verzweifelter
Jugendlicher durch die Polizei mit dieser Brutalität erschossen wurde
und fordern Konsequenzen für die am Einsatz beteiligten Beamt*innen
sowie eine komplette Schließung der Polizeiwache Nord. In Fällen
tödlicher Polizeigewalt muss es unabhängige Beschwerde- und
Ermittlungsstellen geben.
Außerdem unterstützen wir die Familie von Mouhamed bei der Nebenklage
gegen die Beamt*innen und durch Spenden. Wir wollen alle Familien und
Freund*innen, die Angehörige durch Polizeigewalt verloren haben, bei
ihrem Kampf um Gerechtigkeit bestärken.

Die Demonstration startet am 19. November 2022 um 13:30 Uhr an den
Katharinentreppen gegenüber dem Dortmunder Hauptbahnhof und endet am
Friedensplatz in der Innenstadt.

Pressekontakt:
solidaritaetskreismouhamed@riseup.net

Stand der Aufklärung des Mordes an Mouhamed Lamine Dramé durch die Dortmunder Polizei

Wie ist es überhaupt zum tödlichen Polizeieinsatz am 08.08.2022 gekommen?

Der Jugendliche Mouhamed Dramé ist 2019 aus dem Senegal über das Mittelmeer nach Europa geflüchtet, kam über Spanien und Frankreich erst im April diesen Jahres nach Deutschland, zunächst nach Rheinland-Pfalz, in ein Erstaufnahmelager. Dort ist Mouhamed offenbar gefragt worden, wo er hin wolle. Als Fußballfan hat Mouhamed Dortmund angegeben. Er kannte wahrscheinlich niemanden in dieser Stadt. Er wurde dann allein in einen Zug nach Dortmund gesetzt – das ist so üblich in Deutschland. In der katholischen Jugendhilfeeinrichtung in der Holsteiner Straße 21 der Dortmunder Nordstadt war zufällig ein Platz frei. Wenige Tage später wurde er im Innenhof dieser Einrichtung durch die Polizei getötet.
Schon die Behörden in Rheinland-Pfalz hatten wahrgenommen, dass die Flucht Spuren hinterlassen hatte. Es war davon auszugehen, dass Mouhamed schwer traumatisiert war. Die Akte, die sie über Mouhamed angelegt hatten, befand sich zum Zeitpunkt seiner Ermordung noch nicht einmal in Dortmund.
Zwei Tage vor dem tödlichen Polizeieinsatz ist Mouhamed in einer Dortmunder Psychiatrie gewesen in akuter psychischer Notlage. Dort hat man ihn nicht aufgenommen und ihm nicht geholfen – auch das ist so üblich.
So spiegelt die Geschichte Mouhameds, seiner psychischen Notlage, die dem tödlichen Polizeieinsatz vorausging, die Tausender anderer Menschen mit Fluchterfahrungen: Staat, Behörden und Gesundheitssystem versagen.
Am späten Nachmittag des 08. August hat Mouhamed Anzeichen gezeigt, sich selbst zu verletzen und sich das Leben zu nehmen. Die Jugendhilfeeinrichtung tat, was sie mangels Alternativen tun muss: Sie rief die Polizei. Sie informierten über die Umstände und teilten der Polizei mit, welche Sprachen Mouhamed sprach. 
Die Nordwache rückte mit massivem Aufgebot an und umstellte den umzäunten Hof der Einrichtung, in welchem sich Mouhamed alleine befand und sich ein Küchenmesser an den Bauch gehalten haben soll: 12 Polizeibeamt*innen und schwere Ausrüstung. Zu diesem Zeitpunkt war die Lage statisch, Mouhamed kauerte in einer Ecke und bewegte sich nicht. Es gab keinen Grund, nicht auf eine*n Übersetzer*in und eine*n Psycholog*in zu warten. Dennoch entschied sich die Polizei nach kurzer Zeit, die Situation zu eskalieren. Der Einsatz dauerte nur wenige Minuten. Sie sprachen Mouhamed nur in Sprachen an, die er nicht verstand. Sie versuchten nicht, die Lage zu deeskalieren und Mouhamed zu helfen. Stattdessen setzten sie Pfefferspray in so großer Menge ein, dass es Mouhamed über den Kopf lief. Er fasste sich daraufhin wahrscheinlich an den Kopf: Umgehend wurden zwei Schüsse aus einem Taser (Elektroschocker) abgesetzt, von denen einer traf. Vermutlich machte er eine Seitwärtsbewegung in Reaktion auf die schmerzhaften Schüsse. Unmittelbar danach müssen die tödlichen Schüsse aus der Maschinenpistole gefallen sein. Die Maschinenpistole wurde durch den Zaun abgefeuert. Sehr kurze Zeit später blieben alle lebensrettenden Maßnahmen im Klinikum Nord erfolglos: Mouhamed Lamine Dramé stirbt. Es ging von ihm keine Gefahr für andere aus. Deswegen war es Mord.

Wie ist der Stand polizeilicher und staatsantwaltlicher Ermittlungen und politischer Verantwortungsübernahme?

Zunächst haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenministerium NRW ein Narrativ entworfen, nach welchem der polizeiliche Einsatz rechtmäßig gewesen sei. Sogar eine Anzeige wegen Bedrohung ist gegen Mouhamed ausgestellt worden. 
Seit Mouhameds Tod sind nach und nach selbst bei Staatsanwaltschaft und im Innenministerium Zweifel an der formalen Rechtmäßigkeit des Einsatzes aufgekommen. 
Inzwischen wird immer klarer, dass das Notwehrnarrativ der Dortmunder Polizei in sich zusammenfällt. Einige Elemente dieses Notwehrnarrativs sind inzwischen widerlegt: Nachweislich hatte Mouhamed keine Drogen und keinen Alkohol konsumiert. Er hat sich nicht auf die Einsatzbeamt*innen zubewegt. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass eine Bedrohung für andere von Mouhamed ausging. 
Derzeit laufen die Ermittlungen weiter: So sollen die Einsatzbeamt*innen ihre Aussagen untereinander abgesprochen haben, auch mit Polizeipräsident Lange gab es im Nachgang der Tat eine Dienstbesprechung. Wichtig ist die Rekonstruktion einer Timeline des Einsatzes zwischen Eintreffen der Polizei und den tödlichen Schüssen: Sie dokumentiert, dass es faktisch keine Bemühungen der Polizei, keine Handlungen, die dem Schutz des Lebens Mouhameds gegolten hätten, gegeben haben kann. Die tödlichen Schüsse fielen entweder so kurz nach dem Taser-Einsatz, dass Mouhamed keinerlei Chance hatte, darauf zu reagieren, oder eventuell sogar zeitgleich. Inzwischen wird gegen den Einsatzleiter und mehrere Polizist*innen ermittelt, gegen den Todesschützen wegen Totschlags.Zumindest der Einsatz des Pfeffersprays und des ersten Tasers werden höchstwahrscheinlich zu Strafverfahren führen. Ob die Staatsanwaltschaft hier die Folgerung zieht, dass diese Handlungen auch unmittelbar zum Tod Mouhameds geführt haben ist noch unklar.  Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsergebnis ist für November angekündigt. 
Nebenher beschäftigt sich das Landesparlament NRW in verschiedenen Ausschüssen mit Mouhameds Tod. Der politische Druck wächst, das Innenministerium und leitende Polizeibeamt*innen reagieren mit Beschwichtigungen und (bisher leeren) Reformversprechen.

Update vom 09.11.22: Im Rechtsausschuss des Landtags ist ein Ermittlungsdetail thematisiert worden: Es ist nachgewiesen, dass die Schüsse Taser und Maschinenpistole quasi zeitgleich ausgelöst worden sind – nachdem das Schussgeräusch des Tasers wahrnehmbar wurde, fiel mit einem Abstand von 0,717s der erste Schuss aus der Maschinenpistole. Wir fordern vor diesem Ermittlungsergebnis die Mordanklage.

Welche Konsequenzen folgen daraus?

Verzweiflung und Trauer trifft Mouhameds Familie, die für Aufklärung und Gerechtigkeit kämpft und ein Nebenklageverfahren aufgenommen hat. Wir unterstützen die Familie darin und wünschen uns, dass Mouhameds Name und seine Geschichte in Erinnerung bleiben werden. Verzweiflung und Wut treffen auch die vielen Menschen in der Dortmunder Nordstadt und in Deutschland, die täglich struktureller und rassistischer Gewalt durch die Polizei ausgesetzt sind. Wir fordern, dass Mouhamed nicht zu einem der vielen namenlosen Deaths in Custody wird, die durch Polizei und Staat vergessen gemacht werden, als würden ihre Leben nicht zählen.

Unsere wichtigsten Forderungen sind daher:

Wir fordern die Schließung der Nordwache!

Wir fordern eine lückenlose Aufklärung der Umstände um Mouhameds Tod und Konsequenzen für alle beteiligten Beamt*innen!

Wir fordern eine polizeiunabhängige Aufklärungsinstanz und unabhängige Beschwerdestellen

Demilitarisierung der Polizei: keine Taser, denn die sind auch tödlich, keine Maschinenpistolen! 

Wir fordern Alternativen zur Polizei: fachliche Krisenintervention für Menschen in akuter Notlage und mit multiplen Krisen-, Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen!

Weiterer Tod in Polizeigewahrsam in unserer Stadt – Wir trauen und fordern Konsequenzen

Dortmund, 19.10.

Am 19.10.2022 erreichte uns die Nachricht, dass im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld erneut ein Mensch im Rahmen eines Polizeieinsatzes verstorben ist. 

Zunächst einmal möchten wir unsere Trauer über den Tod eines Menschen ausdrücken. Wir sind fassungslos, dass es schon wieder soweit gekommen ist. Wir hoffen, dass dieser Tote nicht namenlos bleiben muss und seine Geschichte nicht vergessen gemacht wird.

Wir können aktuell nicht die genauen Umstände dieses Todes in Polizeigewahrsam einschätzen. Zeug*innenaussagen berichten aber glaubwürdige von einer bekannten, wohnungslosen, männlichen Person, die sich in einer akuten und durchaus aggressiven Krise befunden hat. Daraus entsteht das typische Bild  des politischen Versagens der Polizei: 

Umgang mit Menschen in psychischer Ausnahmesituation

Ein Großteil der Menschen, welche in Polizeieinsätzen ums Leben kommen, befinden sich in psychischen Ausnahmesituationen und/oder leiden an psychischen Erkrankungen. Oft handelt es sich hierbei um Personen, in deren Umgang eine besondere Sensibilität und Kenntnis der Krankheits- oder Gemütslage erfordert. Die Berichte über die Tathergänge, in denen Menschen durch die Hand der Polizei starben, machen deutlich, dass es hier an Kenntnis und Fachkompetenz im Umgang mangelt. Der Umgang mit psychisch erkrankten Menschen gehört zu den alltäglichen Herausforderungen der Polizei. Diese sollte über entsprechende Kompetenzen verfügen, um Herausforderungen, wie beispielsweise aggressives Verhalten und Eigengefährdung, zu begegnen. Hierzu gehört auch das Wissen über verschiedene Erkrankungen sowie die solide Ausbildung in Gesprächsführung und Deeskalations- und Präventionsstrategien und regelmäßiges Training. Auch das Erlernen von sicheren Fixierungsmethoden, die auch in psychiatrischen Kliniken zum Einsatz kommen, sollten zum Repertoire von diensthabenden Polizist*innen gehören, um eine Beruhigung der Situation und die Sicherheit und den Schutz aller Beteiligten zu ermöglichen.

Der Einsatz von Tasern

Nach jetzigem Wissensstand können wir den Zusammenhang des Todes des Opfers zum Einsatz eines Tasers annehmen. Der Einsatz von Elektroschockern, sogenannten Tasern, ist bundesweit kein Standard. Dortmund ist hier ein Experimentierfeld, in welchem der Einsatz dieser Distanzwaffen erprobt wird. Eigentlich besteht die Annahme, dass es sich bei Tasern um eine nicht-tödliche Distanzwaffe handelt. Bereits vor Einführung gab es Proteste gegen den Einsatz von Tasern, da es weil bekannt ist, dass deren Einsätze tödlich verlaufen können, wenn beispielsweise Vorerkrankungen vorliegen. Der heutige Fall  erinnert daran: Der Einsatz von Tasern kann zum Tod eines Menschen führen! Es muss Schluss sein, dass Polizeitaktiken und Waffen an der Gesellschaft im Rahmen unsicherer Feldstudien ausgetestet werden.

Während eine Abkehr von der Benutzung des Tasers vor diesem Hintergrund angebracht wäre, so ist die Verlängerung seines Einsatzes bis 2024 verlängert. Auch in anderen Städten, wie Bochum und Wuppertal, werden die Taser derzeit getestet. Bedingung dafür sei allerdings eine Einschaltung der Bodycams bei Einsatz. Im aktuellen Fall gibt es dazu bis dato keine Hinweise.

Die Betroffenen als marginalisierter Teil der Gesellschaft

Es handelt sich hierbei eigentlich um den offensichtlichsten der Kritikpunkte an tödlicher Polizeigewalt. 

Wenn Menschen durch die Hände der Polizei sterben, handelt es sich nahezu ausschließlich um marginalisierte Gruppen der Gesellschaft. Auch in diesem Fall handelt es sich um eine wohnungslose Person, offensichtlich psychisch beeinträchtigt. Menschen, die Opfer von Polizeigewalt werden, haben oft keinen politischen oder öffentlichen Rückhalt. Eine psychisch kranke wohnungslose Person hat in der Öffentlichkeit und gesellschaftlich kaum Zuwendung und Hilfe zu erwarten. Diese Unterdrückungsstrukturen spiegeln sich im Handeln der Polizei wider, denn sie reproduziert die gesellschaftliche Ablehnung dieser Bevölkerungsgruppen. 

Dieser Fall ist Ausdruck eines erkrankten und diskriminierenden Systems ist und für uns auch deshalb ein Grund, weiterhin die Kritik an der tödlichen Polizeipraktik öffentlich zu machen und zu thematisieren. Denn die Perspektive der Opfer und ihrer Angehörigen wird oft nicht gehört. 

Wir trauern um einen weiteren verstorbenen Menschen. Wir fordern Aufklärung der Umstände seines Todes und Konsequenzen für ein Ende der tödlichen Polizeipraktik.

Mitteilung zum Tod von Kupa Ilungo Medard Mutombo

WIR TRAUERN!

Die Initiative ReachOut veröffentlichte am 06. Oktober 22 eine Pressemitteilung, in welcher sie die Umstände des Todes von Kupa Ilunga Medard Mutombo aus Berlin erläutert. Der 64-jährige psychisch vorerkrankte POC sollte am 14.09. wegen seiner Erkrankung in ärztlicher und polizeilicher Begleitung in eine psychiatrische Klinik gebracht werden. Als er sich zunächst weigerte, drückten ihn die Beamt*innen zu Boden. Kupa wurde daraufhin reanimationspflichtig und musste 20 Minuten wiederbelebt werden!
Er verstarb nun Wochen später an den Folgen im Krankenhaus.

Erneut ist ein psychisch kranker Mensch an den Folgen eines Polizeieinsatzes verstorben.
Erneut handelt es sich um eine Person of Colour.
Erneut handelt es sich für uns hier nicht um einen Einzelfall, sondern um ein Opfer der tödlichen Polizeipraxis!

Die aktuellen Schilderungen beschreiben die bereits bekannten Muster, welche oft mit tödlicher Polizeigewalt einhergehen. So wurde auch hier eine Person in tiefer psychischer Krise der Konfrontation mit insgesamt einem ganzen Einsatzteam ausgesetzt. Da es sich außerdem um eine Person of Colour handelte, ist auch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese bereits traumatische Begegnungen mit der Polizei erfahren musste. Unabhängig von der offensichtlich schweren psychischen Erkrankung ist die Abwehr von Kupa Mutombo sicher verständlich.
In der Arbeit mit psychiatrisch erkrankten Menschen ist diese Abwehr oder auch „Fremdaggression“ Alltag. In den Kliniken müssen täglich Menschen, welche eigen- oder fremdgefährdendes Verhalten zeigen, leider fixiert werden oder aus der psychischen Krise herausgeführt werden.
Es ist daher unserer Auffassung nach unbegreiflich, dass die Beamtinnen mit der Ankündigung einer fremdaggressiven und traumatisierten Person nicht in der Lage sind, den Einsatz deeskalierend und professionell durchzuführen. Laut Angaben der Polizei ist Kupa Mutombo ohne Zutun der Polizei leblos zusammengesackt. Diese Angaben halten wir für nahezu unhaltbar. Denn sollte es sich wie vorangegangen tatsächlich um eine derart gefährdende Person gehandelt haben, dass 13 Beamtinnen zur Fixierung notwendig waren; wie kann die Person dann Minuten später in einen lebensbedrohlichen Krankheitszustand übergehen?
Nach den vorliegenden Berichten und Fakten gehen wir davon aus, dass es sich -ähnlich wie im Falle des von der Polizei ermordeten Afroamerikaners George Floyd- um eine direkte Folge der Fixierungstaktik der Polizei (Druck durch das Knie auf den Nacken einer Person) handelt.
Die Polizei ist unserer Ansicht nach daher voll umfassend für den Tod der Person verantwortlich, zu dessen eigenem Schutz sie gerufen worden waren!

Die Parallelen zu den Ereignissen in Dortmund vom 08.08.22 sind offensichtlich. Auch Mouhamed sah sich in psychischer Krise einem gesamten Einsatzkommando gegenüber. Auch er wurde Opfer von ungerechtfertigtem Gewalteinsatz. Auch in seinem Fall gibt es keine Verantwortungsübernahme durch die Polizei.

Kupa Ilunga Merdad Mutombos Name ist nur einer von vielen. Seine Geschichte ist beispielhaft für das Schicksal derjenigen, die Diskriminierung und Rassismus durch die Polizei ausgesetzt sind.

Wir trauern um Kupa Ilunga Merdad Mutombo. Wir trauern um die Opfer einer fehlerhaften Institution.
Diese Opfer verdienen Gerechtigkeit! Die Polizei muss Verantwortung für ihre tödlichen Strukturen übernehmen und Konsequenzen ziehen!

#JUSTICE4KUPA
#JUSTICE4ALLMOUHAMEDS