Kämpferische Großdemo in Dortmund: 2500 Menschen fordern Gerechtigkeit für Mouhamed Lamine Dramé

Unter dem Motto „Es gibt 1000 Mouhameds. Sie verdienen Gerechtigkeit!“,
gedachten rund 2500 Menschen dem im August von der Dortmunder Polizei
ermordeten Mouhamed Lamine Dramé. Außerdem wurde deutlich gemacht: Es
handelt sich um ein strukturelles Problem, nicht um einen Einzelfall.

Friedlich, aber kraftvoll und lautstark kamen unterschiedliche
Initiativen aus dem ganzen Bundesgebiet zusammen, die sich kritisch mit
dem gewalttätigen Vorgehen der Polizei und den dahinterliegenden
rassistischen und autoritären Strukturen beschäftigen und Aufklärung für
zahlreiche, durch Einsätze verursachte Todesfälle fordern.

Die vom Bündnis Justice4Mouhamed organisierte Demonstration startete an
den Katharinentreppen gegenüber des Dortmunder Hauptbahnhofs mit einem
emotionalen Redebeitrag der Familie Dramé. Die Familie ist traurig und
schockiert. „Unsere Mutter ist seit Mouhameds Tod in einem Zustand der
Untröstbarkeit. Unser Vater ist nach seinem Verschwinden in einem
Schock.“ Dass der Fall Mouhamed die Dortmunder Stadtbevölkerung zutiefst
beschäftigt, wurde durch Redebeiträge der lokalen afrikanischen
Community deutlich. Auch nach drei Monaten trifft die Brutalität der
Polizei, insbesondere der Wache Nord, auf Unverständnis und Wut.

Die durch Hamburger Gitter abgeriegelte Nordwache ist war auch der erste
Stopp des Demonstrationszuges. Das Demobündnis fordert die Schließung
der Nordwache. Bereits seit längerer Zeit steht die Nordwache in der
Kritik für unverhältnismäßige verbale und physische Gewalt. Vor allem
Vorwürfe des Rassismus werden immer wieder aus dem Viertel erhoben.

Die Recherchegruppe Death in Custody betonte hier in ihrem Grußwort, wie
wichtig eine zivilgesellschaftliche Gegendarstellung zu den
polizeilichen Narrativen ist und dass Initativen hartnäckig den
öffentlichen Druck aufrecht erhalten müssen. Durch akribische
Dokumentionsarbeit zu rassistisch motivierten, tödlichen
Polizeieinsätzen trägt das Netzwerk maßgeblich zur Sichtbarkeit dieser
bei. Es wird deutlich: Es braucht Alternativen zur Polizei. Dies betonte
im Anschluss ebenfalls das Forum gegen Polizeigewalt und Repression,
welches keine Reformen, sondern transformative Gegenentwürfe fordert.

Unter lautstarker Begleitung durch Parolen, welche die Polizeipraxis
skandalisierten, ging es durch die Nordstadt Richtung Dortmunder U. Dort
folgte unter anderem eine beeindruckende Rede der Initiative Oury
Jalloh. Diese kämpft seit 17 Jahren für den in einer Gewahrsahmszelle
verbrannten Oury Jalloh. „Wir werden einen langen Atem brauchen, um
Missstände aufzudecken und die Öffentlichkeit zu erreichen. Dabei sehen
wir die Initiative Oury Jalloh als inspirierende Verbündete.“, äußert
Sarah Claßmann, Sprecherin des Solidaritätskreises.
Der kaum beachtete Todesfall eines Obdachlosen vor einem Monat, dessen
Name bis heute nicht bekannt ist, wurde durch die
Bürger*innen-Initiative „Schlafen statt Strafen“ aufgegriffen. Der Mann
starb nach dem Einsatz eines Tasers, die seit 2020 in Dortmund
regelmäßig Anwendung finden. Die Initiative macht deutlich, wie
unprofessionell die Institution Polizei mit Menschen in Krisen- und
Notsituationen umgeht. „Gerade vulnerable Gruppen, die keine Stimme
haben sind besonders heftig Polizeigewalt ausgesetzt. Diese
klassistische Praxis kritisieren wir zutiefst!“, skandalisiert die
Rednerin. Die Ermittlungen gegen die Polizei sind in diesem Fall
vorerst eingestellt.

Für viel Interesse der Innenstadtbesuchenden sorgte der
Demonstrationszug auf dem Westenhellweg. Die zahlreichen Schilder mit
den Gesichtern der Opfer und den Rufen nach Gerechtigkeit zogen die
Aufmerksamkeit von Passant*innen auf sich. Viele drückten ihre
Zustimmung aus und applaudierten.

Bei der Abschlusskundgebung auf dem Friedensplatz sprach die Mutter des
2020 in Amsterdam ermordeten Sammy Baker, mit welcher der
Solidaritäskreis im Austausch steht. Viele Menschen zeigten sich zu
Tränen gerührt. „Wir sind sehr ergriffen von den persönlichen Worten und
bewundern die Stärke und Ausdauer der Familie“, so Sarah Claßmann.

Der Solikreis resümiert: „Wir sind überwältigt von der großen
Beteiligung. Die bundesweite Vernetzung mit anderen Initiativen ist eine
gute Voraussetzung für Aufmerksamkeit unserer Anliegen. Auch in Zukunft
kämpfen wir gemeinsam gegen Polizeigewalt. Unsere Arbeit geht auch nach
der heutigen Demonstration weiter.“ 

Pressemitteilung zu den Berichten des WDR und SPIEGEL am 18.11.2022

 

Mouhamed stirbt ,planmäßig‘: Erschießung ohne Bedrohungslage

Presseartikel1 dokumentieren den aktuellen Ermittlungsstand um die Umstände, die zur Erschießung des 16-jährigen Jugendlichen geführt haben: Demnach ging von Mouhamed zu keinem Zeitpunkt eine Bedrohung aus. Vielmehr macht ein Artikel des Spiegel deutlich, dass es sich um die planmäßige Durchführung eines vierstufigen Einsatzplanes handelte, denn die Dramaturgie des Einsatzes gab die direkte Reihenfolge von Pfefferspray, Tasereinsatz und Erschießung vor. Ein solches planmäßiges Vorgehen kann nur mit Rassismus erklärt werden: Denn die Vorstellung einer Bedrohungslage ist bereits in den Köpfen der Beamt*innen, ehe sie den Hinterhof der Jugendhilfeeinrichtung erreichen.

Dieser Bericht, nur einen Tag vor der Großdemonstration, die in Gedenken an den von der Polizei ermordeten Mouhamed stattfinden soll, untermauert die Forderungen des Demobündnisses Justice4Mouhamed.

Einem weiteren Bericht des WDR2 zufolge, wurde keine Warnung vor dem Einsatz von Pfefferspray und Taser ausgesprochen. Mouhamed saß bis zu diesem Zeitpunkt noch ruhig auf dem Boden, ohne die Beamt*innen zu bedrohen. Zur Eskalation kam es einzig durch das unangemessene Vorgehen der Polizei. Standards, die bei Einsatz von Tasern gelten, wurden übergangen, der ganze Einsatz dauerte nur wenige Minuten. Mouhamed wurde weder adäquat angesprochen, noch gab es einen Warnschuss.

Diese neuen Erkenntnisse bestätigen unsere Forderungen, wie Pressesprecherin Sarah Claßmann betont: „Der Mord an Mouhamed muss lückenlos aufgeklärt und als solcher behandelt werden. Die am Einsatz beteiligten Polizist*innen müssen zur Verantwortung gezogen werden. Es braucht Alternativen zu einer gewaltvollen, hochgerüsteten Polizeipraxis und der Einsatz von Elektroschockern muss gestoppt werden.“

Doch nicht nur einzelne Beamt*innen haben das Leben Mouhameds auf dem Gewissen, sondern sein Tod ist die Konsequenz einer repressiven, rassistischen und diskriminierende Einsatzlogik der Polizei mit hohem Gewaltpotential. Mouhameds Tod zeigt, wie strukturell falsch eine stark militarisierte Polizei in Einsätze geht. 

In der Dortmunder Nordstadt kann dies besonders gut beobachtet werden, denn sie entwickelte sich zum Experimentierfeld verschiedenster Repressionsstrategien: Anlasslose „Schwerpunktkontrollen“, wöchentliche Razzien durch Hundertschaften, Zivilkräfte die außerhalb jeder Rechenschaft regelrecht Jagd auf Menschen machen; eine ‚Blackbox Wache Nord‘ in deren Gewahrsamszellen Menschen misshandelt werden, der Einsatz von Elektro-Tasern und Maschinenpistolen in Einsatzfahrzeugen, die Beamt*innen nach eigener Auslegung zum Einsatz bringen.

Nicht zuletzt zeigen die nun veröffentlichten Einsatzdetails, wie inadäquat eine auf repressives Vorgehen gedrillte Polizei mit Menschen in psychischen Krisen umgeht. Mouhamed hätte Hilfe gebraucht, keine Polizei die sich mit Pfefferspay, Tasern und Maschinenpistolen vor ihm aufbaut. 

„Die nun veröffentlichten Einzelheiten zum Tathergang im Innenhof der Jugendeinrichtung zeichnen das Bild eines desaströsen Polizeieinsatzes – sind jedoch bei etwas weiterer Betrachtung nur Symptome tieferliegender, systemischer Probleme“, so Sarah Claßmann, Pressesprecherin des Bündnisses. Von Mouhamed ging keinerlei Gefahr aus, dies scheint nun sogar die Aktenlage der Staatsanwaltschaft herzugeben. „Eskaliert hat hier einzig und allein die Polizei“, so Claßmann weiter.

Das Demobündnis fordert daher: „Der Fall von Mouhamed ist kein Einzelfall und darf auch nicht als solcher behandelt werden“. Offizielle Statistiken gibt es zwar nicht, aber durch die gute Dokumentationen von Recherchenetzwerken wie „Death in custody“, wird deutlich: People of Colour und Menschen in psychischen Ausnahmesituationen sind häufig Opfer von Polizeigewalt. Deswegen gehen wir morgen unter dem Motto „Es gibt 1000 Mouhameds. Sie verdienen Gerechtigkeit!“ umso entschlossener auf die Straße.

Ein liveübertragenes Gespräch mit der Familie von Mouhamed wird morgen zu Beginn der Demonstration geführt. Tausende Kilometer entfernt vom Todesort ihres Sohnes betrauern und verarbeiten sie seinen Tod und müssen sich darauf verlassen, dass die Umstände seines Todes nicht nur aufgeklärt werden, sondern auch Konsequenzen nach sich ziehen. Dem fühlt sich das Demobündnis seit Beginn der Arbeit verpflichtet und ruft jede*n dazu auf dabei zu unterstützen!

1 https://www.spiegel.de/panorama/justiz/dortmund-so-schildert-ein-augenzeuge-den-toedlichen-polizeieinsatz-last-man-standing-a-663c7d96-1272-45c9-959a-c588002ffe69

2 https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/neue-erkenntnisse-mouhamed-nicht-gewarnt-100.html

Praktische Hinweise

Hier sind noch ein paar wichtige praktische Hinweise für die Demo am 19.11. Falls euch noch eine Information fehlt, dann kontaktiert uns gerne über Social Media oder per E-Mail.

Hier geht es zur Demokarte mit Überblick über die Route und die anderen Stationen.

Zieht euch warm an!

Es wird voraussichtlich nur 3 °C warm werden, und die Demoroute ist lang! Zieht euch so an, dass ihr es einige Stunden aushaltet, ohne dass ihr friert. Falls ihr euch zwischendrin aufwärmen wollt, dann schaut am besten mal im Nordpol vorbei (Bornstr. 144). Hier könnt ihr euch hinsetzen und bekommt was warmes zu Trinken. Außerdem Gebäck und auch Kaltgetränke. Und die Tresencrew freut sich immer über einen netten Plausch!

Der Nordpol hat ab 11 Uhr geöffnet. Nach der Demo geht es dort nahtlos weiter mit dem Abendprogramm.

Ihr erreicht den Nordpol bequem zu Fuß von den Routenabschnitten in der Nordstadt, oder mit den U-Bahnlinien U42 und U46, Haltestelle Brunnenstraße (von dort weniger als 200 m zu Laufen).

Gute Schuhe? Oder lieber abkürzen?

Die Route ist lang – fast 5 km. Daher ist gutes Schuhwerk von Vorteil. Außerdem ist etwas zu Trinken im Rucksack auch eine gute Idee, da die Demonstration wahrscheinlich ungefähr 3 Stunden lang gehen wird.

Unsere grobe Zeitplanung (das kann sich aber noch ändern!):

13:30 Uhr: Auftaktkundgebung Hbf
14:15 Uhr: Zwischenkundgebung Nordwache
15:15 Uhr: Zwischenkundgebung Platz von Buffalo
16:30 Uhr: Endkundgebung Friedensplatz

Für Menschen, die nicht die ganze Strecke gehen können oder möchten, gibt es aber auch viele Möglicheiten, abzukürzen. Es gibt unterwegs einige U-Bahn-Stationen, unter anderem direkt am Ort der zweiten Zwischenkundgebung (Haltestelle Westentor) und nicht weit von der ersten Zwischenkundgebung (entweder Hauptbahnhof oder Haltestellen Brüggmannplatz und Leopoldstraße) und der Abschlusskundgebung (Haltestelle Stadtgarten). Wir werden auch noch einen groben Zeitplan veröffentlichen, wann wir ungefähr an welcher Kundgebung sein werden.

War noch was?

Ihr wisst ja, Corona. Und ihr kennt es ja, bitte vorher testen, gerne Maske tragen, bei Symptomen daheim bleiben. Es ist leider immer noch wichtig.

Demokonsens

Hier ein paar Bitten von uns an euch, damit wir die Demonstration für alle Teilnehmer*innen sicher gestalten und den Gedenkaspekt der Demo in den Vordergrund stellen können. Wir wünschen uns eine kämpferische, aber nicht aggressiv wirkende Atmosphäre. Bitte lest es euch alles durch!

Bitte respektiert folgende Punkte:

– Keine Fahnen oder Logos von Parteien und parteinahen Organisationen

– Keine Pyrotechnik etc.

– Kein Block mit schwarz vermummten Menschen

– Redebeiträge, Parolen, Transpis etc. bitte nur zum Thema passend

Gedenken im Vordergrund

Wir sind alle sehr wütend auf diese mörderische Polizei und wollen dieser Wut verbal Ausdruck verleihen. Wir bitten euch aber, den Aspekt des Gedenkens auch immer im Hinterkopf zu haben. Das Schlimmste, was passieren kann, ist dass die Polizei einen Vorwand findet, unsere Demonstration anzugreifen. Das wollen wir unter allen Umständen verhindern!
Wir bitten euch daher, nichts zu tun oder sagen, was als Vorwand für eine Eskalation seitens der Polizei herhalten kann.

Konzept ohne Demoblöcke

Es werden am Samstag Betroffene von (rassistischer) Polizeigewalt und deren Angehörige teilnehmen, außerdem andere Menschen, die berechtigte Sorge vor Übergriffen haben. Wir haben daher keine Blockbildung geplant, damit der komplette Demozug möglichst durchmischt ist. Das soll verhindern, dass die Polizei einzelne Blöcke zu Störer*innen erklärt und sie angreift.

Wir möchten, dass alle Menschen sich auf der Demo sicher und wohlfühlen. Falls sich spontan Blöcke beispielsweise aus PoCs oder FLINTA*s bilden, begrüßen wir das.

Fokus auf Polizeigewalt

Wir wünschen uns, dass alle Teilnehmer*innen das Thema tödliche Polizeigewalt in den Mittelpunkt stellen und keine Werbeplattform für die eigene Gruppe suchen.
Wir bitten euch, Fahnen und sonstiges Material mit Logos von Parteien und parteinahen Organisationen daheim zu lassen. Auch andere Gruppen bitten wir, das eigene Logo nicht dominieren zu lassen. Nationalfahnen möchten wir auf der Demo auch nicht sehen. Andere Fahnen mit nicht-gruppenbezogener politischer Symbolik wie z.B. Black Lives Matter, Antifa etc. sind ausdrücklich willkommen.
Redebeiträge, Parolen, Transparente etc. sollten bitte zum Thema passend sein und nicht beispielsweise allgemein klassenkämpferische Inhalte haben.

Sicherheit ist oberste Priorität

Unser wichtigstes Anliegen am Samstag ist, dass alle Menschen sicher teilnehmen und sich wohlfühlen können. Dafür soll eine große Anzahl an Ordner*innen sorgen, die ihr an Armbinden erkennt. Außerdem wird es ein Awareness-Team geben, an das ihr euch jederzeit wenden könnt. Der Nordpol dient als Rückzugsort für Menschen, die sich nicht wohl fühlen oder eine Auszeit brauchen.
Die Polizei, vertreten durch Polizeipräsident Lange und Einsatzleiter Pierenkemper, hat uns ausdrücklich versichert, dass sie ein deeskalatives Einsatzkonzept haben. Wir werden sie an diesen Worten messen!

Abschließende Worte

Auf Social Media haben wir für diesen Demokonsens schon sehr viel Zustimmung bekommen. Leider sind auch einige wenige Stimmen dabei, die ihr Unverständnis äußern und sich eine militante, aggressive Demonstation wünschen. Wir können eure Wut auf die Polizei gut verstehen, wir sind auch extrem wütend!

Trotzdem möchten wir euch bitten, euch noch einmal vor Augen zu führen, dass es sich hier um eine Gedenkdemo handelt! Es werden Menschen dabei sein, die Angehörige durch Polizeigewalt verloren haben. Es werden Menschen dabei sein, die selbst traumatische Erfahrungen mit Polizeigewalt gemacht haben. Es werden PoCs dabei sein, die unter Repression und Polizeigewalt besonders zu leiden haben, falls es sie gegen unsere Demo geben sollte. Es werden Menschen mit unklarem Aufenthaltsstatus dabei sein. Und es werden Menschen dabei sein, die noch nie auf einer Demonstration waren, die vielleicht noch sehr jung sind, und die eine dynamische Situation vielleicht nicht so gut einschätzen können wie Demo-Veteran*innen. Die Sicherheit all dieser Menschen ist unsere allerhöchste Priorität!

Natürlich können wir nicht ausschließen, dass die Polizei ihrerseits grundlos eskaliert, aus der Vergangenheit wissen wir, dass das sehr häufig passiert und meist ohne Konsequenzen für die Gewalttäter*innen bleibt. Das ist auch eines der vielen strukturellen Probleme der Polizei. Wir würden uns wünschen, darauf eine andere Antwort zu haben, als unsererseits möglichst friedlich (und gleichzeitig trotzdem laut, wütend und kämpferisch) zu agieren und zu erscheinen. Dennoch ist genau diese Strategie in dieser besonderen Situation der beste Weg, um die Gefahr von Übergriffen zu minimieren. Die Polizei ist gerade sehr in der Defensive und steht unter massivem Druck und medialer Beobachtung. Dieses mal kann sich die Polizei keinen Fehltritt unter den Augen der anwesenden Medien leisten, ohne dass das persönliche Konsequenzen für Innenminister, Polizeipräsident und Einsatzleiter hat. Die Gefahr von grundlosen Übergriffen ist viel geringer als sonst, solange die Polizei keinen Vorwand dafür findet.

Wir bitten daher die Menschen, die Kritik an unserem Demokonsens geäußert haben, trotzdem diesen Konsens zu beherzigen. Ihr gefährdet ansonsten nicht nur euch selbst, sondern vor allem auch genau die Menschen, für die wir am Samstag hauptsächlich auf der Straße sind. Es wird andere Anlässe geben, an denen militantes Auftreten eine gute Strategie ist, dieses mal ist es das nicht.

Demo-Livestream

Hier geht es zum Livestream: https://radio.nrdpl.org/live/

Für alle, die es dieses Wochenende nicht zum Abolitionismus-Vortrag in den Nordpol oder zur Demo schaffen, werden wir beide Veranstaltungen als Livestream bei Radio Nordpol begleiten.

Freitag, 18.11., ab 18 Uhr

Buchvorstellung und Diskussion „Abolitionismus – Die Abschaffung der Staatsgewalt“ mit Daniel Liock und Vanessa E. Thompson.

Mehr Infos hier: https://nrdpl.org/termine/?event_id2=4735

Samstag, 19.11., ab 13:30 Uhr

Demonstration gegen tödliche, rassistische Polizeigewalt: „Es gibt 1000 Mouhameds. Sie verdienen Gerechtigkeit!“

Hier geht es zum Livestream: https://radio.nrdpl.org/live/

Der Demotag

Der 19.11. wird ein langer Tag! Hier die Kurzübersicht über die wichtigsten Stationen:

  • 10:30 Uhr: Start der Mahnwache am Kurt-Piehl-Platz (Nähe Tatort)
  • 11 Uhr: Öffnung des Nordpol
  • 13:30 Uhr Start der Demonstration am Hbf
  • Ca. 17 Uhr: Ende der Demonstration am Friedensplatz
  • Nach der Demo: Tag ausklingen lassen im Nordpol

Hier geht es zur Demokarte mit Überblick über die Route und die anderen Stationen.

Für die aktuellsten Infos rund um den Demotag folgt uns auf Twitter (@solimouhamed) und Instagram (@solidaritaetskreismouhamed) oder checkt den Hashtag #do1911, unter dem wir live berichten werden. Wir können leider nicht garantieren, dass kurzfristige Änderungen des Programms es auf die Website schaffen werden, und bitten dafür um Verständnis.

Mahnwache am Kurt-Piehl-Platz

Von 10:30 bis 14:30 Uhr betreut der VVN-BdA Dortmund eine Mahnwache am Kurt-Piehl-Platz in der unmittelbaren Nähe des Tatorts. Das ist der beste Anlaufpunkt, wenn ihr schon früh in Dortmund seit und euch letzte Infos zum Ablauf abholen wollt. Ihr bekommt hier auch heißen Tee.

Vor dort sind es zu Fuß ungefähr 2 Minuten bis zum Tatort in einer Seitenstraße. Bevor ihr dorthin geht, redet bitte mit den Menschen, die die Mahnwache betreuen. Der Tatort ist direkt am Gelände der Jugendhilfeeinrichtung, in der Mouhamed die letzten Tage seines Lebens verbrachte, und aus Rücksicht auf die anderen Bewohner*innen der Einrichtung und die anderen Anwohner*innen der Straße, die teilweise auch Zeug*innen des Mordes wurden, bitte wir euch, nur dorthin zu gehen, wenn die Menschen an der Mahnwache sagen, dass es gerade okay ist.

Öffnung des Nordpol vor und während der Demo

Der Tag wird lang und anstrengend, und vermutlich wird es sehr kalt. Deshalb ist es gut, einen Rückzugsort zu haben, für alle die sich mal aufwärmen müssen, eine Weile hinsitzen möchten, eine Auszeit vom Trubel brauchen, oder sich auf der Straße gerade unwohl fühlen und in einer geschützten Umgebung abhängen wollen.

Zum Glück gibt es den Nordpol! Hier, in der Bornstr. 144 (gebt bitte die genaue Adresse in euer Handy ein, wenn ihr nach „Nordpol Dortmund“ sucht, kommt ihr vielleicht am alten Laden in der Münsterstraße raus) findet ihr all das. Das wunderbare Team des Nordpol versorgt euch mit Kaffee, Tee, Keksen und anderem Gebäck. Außerdem natürlich auch Kaltgetränke von der Karte. Dazu entspannte Atmosphäre und etwas Musik.

Der Nordpol öffnet um 11 Uhr seine Tür und bleibt während der gesamten Demo offen. Ihr kommt von der Mahnwache am Kurt-Piehl-Platz innerhalb von 5 Minuten dorthin, außerdem ist es nicht weit von Teilen der Demostrecke in der Nordstadt, und die Haltestelle „Brunnenstraße“ der U-Bahn-Linien U42 und U46 ist nur 200 m entfernt (von hier kommt ihr ohne Umsteigen zur Abschnlusskundgebung, und mit Umsteigen zu allen Abschnitten der Route)

Website des Nordpol: https://nrdpl.org/

Die Demonstration

Der Sammlungspunkt befindet sich gegenüber vom Ausgang des Hauptbahnhof auf dem Platz der Deutschen Einheit, also unterhalb der Katharinentreppen und zwischen Fußballmuseum und Bibliothek.

Um 13:30 Uhr beginnt die Startkundgebung. Anschließend stellt sich der Demozug auf und zieht zunächst in die Nordstadt. Hier gibt es in unmittelbarer Nähe der Nordwache eine erste Zwischenkundgebung. Die Nordwache ist in Dortmund berühmt-berüchtigt, da es von hier aus schon seit vielen Jahren und regelmäßig zu Übergriffen und rassistischer, sexistischer und klassistischer Polizeigewalt kommt. Auch die Polizist*innen, die Mouhamed ermordet haben, kamen von dort. Wir fordern aus diesem Grund die Schließung der Nordwache und eine umfassende, unabhängige Untersuchung der dortigen Machenschaften! Es gibt keinen besseren Ort, an dem wir unserer Wut Ausdruck verleihen könnten! Dann geht es weiter durch die Nordstadt, auch vorbei an dem Ort, an dem der NSU am 4.4.2006 Mehmet Kubaşik ermordete. Vor dem Dortmunder U wird es die zweite Zwischenkundgebung geben. Von dort gehen wir durch die Dortmunder Innenstadt bis zum Friedensplatz, wo die Abschlusskundgebung stattfinden wird.

Nach der Demonstration

Es ist der ausgesprochene Wunsch von Mouhameds Familie, dass wir an diesem Tag nicht nur unsere Trauer und Wut über den Mord an Mouhamed zum Ausdruck bringen, sondern ihn und sein Leben auch gebührend feiern. Also lasst uns bis in die Nacht tanzen, essen und trinken!

Alle Menschen, die nach der Demo noch Lust auf geselliges Beisammensein haben, sind herzlich in den Nordpol eingeladen. Wir möchten den Tag dort in entspannter und fröhlicher Atmosphäre ausklingen lassen. Es wird Musik und etwas zu Essen geben, außerdem Getränke von der Karte des Nordpol.

Pressemitteilung: Großdemonstration in Gedenken an Mouhamed Lamine Dramé

Das Solidaritätsbündnis Justice4Mouhamed ruft am 19. November zur
Großdemonstration auf, um des von der Polizei erschossenen 16-Jährigen
zu gedenken. An der Demo werden auch Familien von anderen Opfern von
Polizeigewalt sowie Initiativen aus ganz Deutschland teilnehmen.

Zum Hintergrund:
Am 08.08.2022 wurde Mouhamed, der sich in einer Jugendhilfeeinrichtung
in der Dortmunder Nordstadt aufhielt, von der Polizei erschossen. Der
zuvor aus dem Senegal geflohene Jugendliche befand sich in einer
psychischen Krise und seine Betreuungspersonen verständigten aus der
Sorge heraus, dass er sich das Leben nehmen würde, die Polizei.

Insgesamt waren 12 schwer bewaffnete Beamt*innen vor Ort, die Mouhamed
zuerst Pfefferspray ins Gesicht sprühten und kurz darauf Taser und eine
Maschinenpistole einsetzten. Der Jugendliche hielt sich ein Messer an
den Bauch und befand sich zum Zeitpunkt des Einsatzes auf einem
umzäunten Hof. Eine Gefahr für andere Personen bestand damit nicht.
Mittlerweile konnte anhand von Audioaufnahmen rekonstruiert werden, dass
der Einsatz von Taser und Maschinenpistole fast zeitgleich erfolgte.
Dies bedeutet, dass unmittelbar nach Einsatz des Elektroschockers, der
einem Menschen bereits stärkste Schmerzen zuführt und kurzfristig außer
Gefecht setzt, geschossen wurde. Mouhamed verstarb kurz darauf an den
schweren Verletzungen. Ein Bemühen der Polizei, das Leben von Mouhamed
zu schützen, ist nicht erkennbar.
Nachdem seitens der Polizei und des Innenministeriums zunächst an der
Rechtmäßigkeit des Einsatzes festgehalten wurde, werden die
Darstellungen der Polizei, in eine Notwehrlage geraten zu sein, immer
unglaubwürdiger. Auch Innenminister Reul äußerte Zweifel an der Version
der Beamt*innen der Nordwache. Gegen die am Einsatz beteiligten
Polizist*innen laufen derzeit Ermittlungsverfahren und auch der
nordrhein-westfälische Landtag befasst sich in drei Ausschüssen mit dem
Fall von Mouhamed.

Mit der Kampagne „Es gibt 1000 Mouhameds. Sie verdienen Gerechtigkeit!“
fordern wir als Solidaritätsbündnis nicht nur die Aufklärung des Mordes
an Mouhamed, sondern auch eine Aufklärung der zahlreichen weiteren
Polizeieinsätze, bei denen Menschen zu Tode gekommen sind. „Wir
betrachten den Tod von Mouhamed nicht als tragisches Einzelschicksal,
sondern exemplarisch für strukturelle Polizeigewalt“, so Sarah Claßmann,
Aktivistin im Solidaritätsbündnis. Rassistische Strukturen, fehlende
Deeskalationsstrategien im Umgang mit psychisch erkrankten Personen,
Ableismus und Sexismus führen dazu, dass die Polizei vielen Menschen
nicht die versprochene Sicherheit bietet, sondern Polizeieinsätze
gewaltvoll – oder wie in Mouhameds Fall sogar tödlich – verlaufen.
Wir als Solidaritätsbündnis wollen wissen, warum ein verzweifelter
Jugendlicher durch die Polizei mit dieser Brutalität erschossen wurde
und fordern Konsequenzen für die am Einsatz beteiligten Beamt*innen
sowie eine komplette Schließung der Polizeiwache Nord. In Fällen
tödlicher Polizeigewalt muss es unabhängige Beschwerde- und
Ermittlungsstellen geben.
Außerdem unterstützen wir die Familie von Mouhamed bei der Nebenklage
gegen die Beamt*innen und durch Spenden. Wir wollen alle Familien und
Freund*innen, die Angehörige durch Polizeigewalt verloren haben, bei
ihrem Kampf um Gerechtigkeit bestärken.

Die Demonstration startet am 19. November 2022 um 13:30 Uhr an den
Katharinentreppen gegenüber dem Dortmunder Hauptbahnhof und endet am
Friedensplatz in der Innenstadt.

Pressekontakt:
solidaritaetskreismouhamed@riseup.net

Stand der Aufklärung des Mordes an Mouhamed Lamine Dramé durch die Dortmunder Polizei

Wie ist es überhaupt zum tödlichen Polizeieinsatz am 08.08.2022 gekommen?

Der Jugendliche Mouhamed Dramé ist 2019 aus dem Senegal über das Mittelmeer nach Europa geflüchtet, kam über Spanien und Frankreich erst im April diesen Jahres nach Deutschland, zunächst nach Rheinland-Pfalz, in ein Erstaufnahmelager. Dort ist Mouhamed offenbar gefragt worden, wo er hin wolle. Als Fußballfan hat Mouhamed Dortmund angegeben. Er kannte wahrscheinlich niemanden in dieser Stadt. Er wurde dann allein in einen Zug nach Dortmund gesetzt – das ist so üblich in Deutschland. In der katholischen Jugendhilfeeinrichtung in der Holsteiner Straße 21 der Dortmunder Nordstadt war zufällig ein Platz frei. Wenige Tage später wurde er im Innenhof dieser Einrichtung durch die Polizei getötet.
Schon die Behörden in Rheinland-Pfalz hatten wahrgenommen, dass die Flucht Spuren hinterlassen hatte. Es war davon auszugehen, dass Mouhamed schwer traumatisiert war. Die Akte, die sie über Mouhamed angelegt hatten, befand sich zum Zeitpunkt seiner Ermordung noch nicht einmal in Dortmund.
Zwei Tage vor dem tödlichen Polizeieinsatz ist Mouhamed in einer Dortmunder Psychiatrie gewesen in akuter psychischer Notlage. Dort hat man ihn nicht aufgenommen und ihm nicht geholfen – auch das ist so üblich.
So spiegelt die Geschichte Mouhameds, seiner psychischen Notlage, die dem tödlichen Polizeieinsatz vorausging, die Tausender anderer Menschen mit Fluchterfahrungen: Staat, Behörden und Gesundheitssystem versagen.
Am späten Nachmittag des 08. August hat Mouhamed Anzeichen gezeigt, sich selbst zu verletzen und sich das Leben zu nehmen. Die Jugendhilfeeinrichtung tat, was sie mangels Alternativen tun muss: Sie rief die Polizei. Sie informierten über die Umstände und teilten der Polizei mit, welche Sprachen Mouhamed sprach. 
Die Nordwache rückte mit massivem Aufgebot an und umstellte den umzäunten Hof der Einrichtung, in welchem sich Mouhamed alleine befand und sich ein Küchenmesser an den Bauch gehalten haben soll: 12 Polizeibeamt*innen und schwere Ausrüstung. Zu diesem Zeitpunkt war die Lage statisch, Mouhamed kauerte in einer Ecke und bewegte sich nicht. Es gab keinen Grund, nicht auf eine*n Übersetzer*in und eine*n Psycholog*in zu warten. Dennoch entschied sich die Polizei nach kurzer Zeit, die Situation zu eskalieren. Der Einsatz dauerte nur wenige Minuten. Sie sprachen Mouhamed nur in Sprachen an, die er nicht verstand. Sie versuchten nicht, die Lage zu deeskalieren und Mouhamed zu helfen. Stattdessen setzten sie Pfefferspray in so großer Menge ein, dass es Mouhamed über den Kopf lief. Er fasste sich daraufhin wahrscheinlich an den Kopf: Umgehend wurden zwei Schüsse aus einem Taser (Elektroschocker) abgesetzt, von denen einer traf. Vermutlich machte er eine Seitwärtsbewegung in Reaktion auf die schmerzhaften Schüsse. Unmittelbar danach müssen die tödlichen Schüsse aus der Maschinenpistole gefallen sein. Die Maschinenpistole wurde durch den Zaun abgefeuert. Sehr kurze Zeit später blieben alle lebensrettenden Maßnahmen im Klinikum Nord erfolglos: Mouhamed Lamine Dramé stirbt. Es ging von ihm keine Gefahr für andere aus. Deswegen war es Mord.

Wie ist der Stand polizeilicher und staatsantwaltlicher Ermittlungen und politischer Verantwortungsübernahme?

Zunächst haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenministerium NRW ein Narrativ entworfen, nach welchem der polizeiliche Einsatz rechtmäßig gewesen sei. Sogar eine Anzeige wegen Bedrohung ist gegen Mouhamed ausgestellt worden. 
Seit Mouhameds Tod sind nach und nach selbst bei Staatsanwaltschaft und im Innenministerium Zweifel an der formalen Rechtmäßigkeit des Einsatzes aufgekommen. 
Inzwischen wird immer klarer, dass das Notwehrnarrativ der Dortmunder Polizei in sich zusammenfällt. Einige Elemente dieses Notwehrnarrativs sind inzwischen widerlegt: Nachweislich hatte Mouhamed keine Drogen und keinen Alkohol konsumiert. Er hat sich nicht auf die Einsatzbeamt*innen zubewegt. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass eine Bedrohung für andere von Mouhamed ausging. 
Derzeit laufen die Ermittlungen weiter: So sollen die Einsatzbeamt*innen ihre Aussagen untereinander abgesprochen haben, auch mit Polizeipräsident Lange gab es im Nachgang der Tat eine Dienstbesprechung. Wichtig ist die Rekonstruktion einer Timeline des Einsatzes zwischen Eintreffen der Polizei und den tödlichen Schüssen: Sie dokumentiert, dass es faktisch keine Bemühungen der Polizei, keine Handlungen, die dem Schutz des Lebens Mouhameds gegolten hätten, gegeben haben kann. Die tödlichen Schüsse fielen entweder so kurz nach dem Taser-Einsatz, dass Mouhamed keinerlei Chance hatte, darauf zu reagieren, oder eventuell sogar zeitgleich. Inzwischen wird gegen den Einsatzleiter und mehrere Polizist*innen ermittelt, gegen den Todesschützen wegen Totschlags.Zumindest der Einsatz des Pfeffersprays und des ersten Tasers werden höchstwahrscheinlich zu Strafverfahren führen. Ob die Staatsanwaltschaft hier die Folgerung zieht, dass diese Handlungen auch unmittelbar zum Tod Mouhameds geführt haben ist noch unklar.  Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsergebnis ist für November angekündigt. 
Nebenher beschäftigt sich das Landesparlament NRW in verschiedenen Ausschüssen mit Mouhameds Tod. Der politische Druck wächst, das Innenministerium und leitende Polizeibeamt*innen reagieren mit Beschwichtigungen und (bisher leeren) Reformversprechen.

Update vom 09.11.22: Im Rechtsausschuss des Landtags ist ein Ermittlungsdetail thematisiert worden: Es ist nachgewiesen, dass die Schüsse Taser und Maschinenpistole quasi zeitgleich ausgelöst worden sind – nachdem das Schussgeräusch des Tasers wahrnehmbar wurde, fiel mit einem Abstand von 0,717s der erste Schuss aus der Maschinenpistole. Wir fordern vor diesem Ermittlungsergebnis die Mordanklage.

Welche Konsequenzen folgen daraus?

Verzweiflung und Trauer trifft Mouhameds Familie, die für Aufklärung und Gerechtigkeit kämpft und ein Nebenklageverfahren aufgenommen hat. Wir unterstützen die Familie darin und wünschen uns, dass Mouhameds Name und seine Geschichte in Erinnerung bleiben werden. Verzweiflung und Wut treffen auch die vielen Menschen in der Dortmunder Nordstadt und in Deutschland, die täglich struktureller und rassistischer Gewalt durch die Polizei ausgesetzt sind. Wir fordern, dass Mouhamed nicht zu einem der vielen namenlosen Deaths in Custody wird, die durch Polizei und Staat vergessen gemacht werden, als würden ihre Leben nicht zählen.

Unsere wichtigsten Forderungen sind daher:

Wir fordern die Schließung der Nordwache!

Wir fordern eine lückenlose Aufklärung der Umstände um Mouhameds Tod und Konsequenzen für alle beteiligten Beamt*innen!

Wir fordern eine polizeiunabhängige Aufklärungsinstanz und unabhängige Beschwerdestellen

Demilitarisierung der Polizei: keine Taser, denn die sind auch tödlich, keine Maschinenpistolen! 

Wir fordern Alternativen zur Polizei: fachliche Krisenintervention für Menschen in akuter Notlage und mit multiplen Krisen-, Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen!

Weiterer Tod in Polizeigewahrsam in unserer Stadt – Wir trauen und fordern Konsequenzen

Dortmund, 19.10.

Am 19.10.2022 erreichte uns die Nachricht, dass im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld erneut ein Mensch im Rahmen eines Polizeieinsatzes verstorben ist. 

Zunächst einmal möchten wir unsere Trauer über den Tod eines Menschen ausdrücken. Wir sind fassungslos, dass es schon wieder soweit gekommen ist. Wir hoffen, dass dieser Tote nicht namenlos bleiben muss und seine Geschichte nicht vergessen gemacht wird.

Wir können aktuell nicht die genauen Umstände dieses Todes in Polizeigewahrsam einschätzen. Zeug*innenaussagen berichten aber glaubwürdige von einer bekannten, wohnungslosen, männlichen Person, die sich in einer akuten und durchaus aggressiven Krise befunden hat. Daraus entsteht das typische Bild  des politischen Versagens der Polizei: 

Umgang mit Menschen in psychischer Ausnahmesituation

Ein Großteil der Menschen, welche in Polizeieinsätzen ums Leben kommen, befinden sich in psychischen Ausnahmesituationen und/oder leiden an psychischen Erkrankungen. Oft handelt es sich hierbei um Personen, in deren Umgang eine besondere Sensibilität und Kenntnis der Krankheits- oder Gemütslage erfordert. Die Berichte über die Tathergänge, in denen Menschen durch die Hand der Polizei starben, machen deutlich, dass es hier an Kenntnis und Fachkompetenz im Umgang mangelt. Der Umgang mit psychisch erkrankten Menschen gehört zu den alltäglichen Herausforderungen der Polizei. Diese sollte über entsprechende Kompetenzen verfügen, um Herausforderungen, wie beispielsweise aggressives Verhalten und Eigengefährdung, zu begegnen. Hierzu gehört auch das Wissen über verschiedene Erkrankungen sowie die solide Ausbildung in Gesprächsführung und Deeskalations- und Präventionsstrategien und regelmäßiges Training. Auch das Erlernen von sicheren Fixierungsmethoden, die auch in psychiatrischen Kliniken zum Einsatz kommen, sollten zum Repertoire von diensthabenden Polizist*innen gehören, um eine Beruhigung der Situation und die Sicherheit und den Schutz aller Beteiligten zu ermöglichen.

Der Einsatz von Tasern

Nach jetzigem Wissensstand können wir den Zusammenhang des Todes des Opfers zum Einsatz eines Tasers annehmen. Der Einsatz von Elektroschockern, sogenannten Tasern, ist bundesweit kein Standard. Dortmund ist hier ein Experimentierfeld, in welchem der Einsatz dieser Distanzwaffen erprobt wird. Eigentlich besteht die Annahme, dass es sich bei Tasern um eine nicht-tödliche Distanzwaffe handelt. Bereits vor Einführung gab es Proteste gegen den Einsatz von Tasern, da es weil bekannt ist, dass deren Einsätze tödlich verlaufen können, wenn beispielsweise Vorerkrankungen vorliegen. Der heutige Fall  erinnert daran: Der Einsatz von Tasern kann zum Tod eines Menschen führen! Es muss Schluss sein, dass Polizeitaktiken und Waffen an der Gesellschaft im Rahmen unsicherer Feldstudien ausgetestet werden.

Während eine Abkehr von der Benutzung des Tasers vor diesem Hintergrund angebracht wäre, so ist die Verlängerung seines Einsatzes bis 2024 verlängert. Auch in anderen Städten, wie Bochum und Wuppertal, werden die Taser derzeit getestet. Bedingung dafür sei allerdings eine Einschaltung der Bodycams bei Einsatz. Im aktuellen Fall gibt es dazu bis dato keine Hinweise.

Die Betroffenen als marginalisierter Teil der Gesellschaft

Es handelt sich hierbei eigentlich um den offensichtlichsten der Kritikpunkte an tödlicher Polizeigewalt. 

Wenn Menschen durch die Hände der Polizei sterben, handelt es sich nahezu ausschließlich um marginalisierte Gruppen der Gesellschaft. Auch in diesem Fall handelt es sich um eine wohnungslose Person, offensichtlich psychisch beeinträchtigt. Menschen, die Opfer von Polizeigewalt werden, haben oft keinen politischen oder öffentlichen Rückhalt. Eine psychisch kranke wohnungslose Person hat in der Öffentlichkeit und gesellschaftlich kaum Zuwendung und Hilfe zu erwarten. Diese Unterdrückungsstrukturen spiegeln sich im Handeln der Polizei wider, denn sie reproduziert die gesellschaftliche Ablehnung dieser Bevölkerungsgruppen. 

Dieser Fall ist Ausdruck eines erkrankten und diskriminierenden Systems ist und für uns auch deshalb ein Grund, weiterhin die Kritik an der tödlichen Polizeipraktik öffentlich zu machen und zu thematisieren. Denn die Perspektive der Opfer und ihrer Angehörigen wird oft nicht gehört. 

Wir trauern um einen weiteren verstorbenen Menschen. Wir fordern Aufklärung der Umstände seines Todes und Konsequenzen für ein Ende der tödlichen Polizeipraktik.