Bericht vom 20. Prozesstag – 14.08.2024

Im folgenden Bericht wird sehr versachlicht über die Maschinenpistole und ihre Untersuchung berichtet. Das kann belastend zu lesen sein.

Der 20. Prozesstag ist der letzte Schiebetermin. Es ist ein Kriminaltechniker des LKAs als Sachverständiger für die Gutachten der MP5 und der Pistole geladen.
Den Gutachten lagen drei Fragestellungen zu Grunde:
– Lässt sich feststellen ob mit der MP5 im Dauer- oder Einzelfeuer geschossen wurde?
– Können die am Tatort und in Mouhameds Körper gefundenen Patronen und Geschosse eindeutig der MP5 zugeordent werden?
– Kann ausgeschlossen werden, dass mit der Pistole, die der Einsatzleiter Thorsten H. auf Mouhamed gerichtet hatte, geschossen wurde?

In beiden Gutachten ließen sich keine technischen Defekte oder Funktionsstörungen der Waffen feststellen.
Zur Erstellung des ersten Gutachtens wurden 5 Geschosse und 6 Patronenhülsen untersucht. Geschosse eins und zwei wurden in der Missundestraße aufgefunden, Geschoss 3 im Oberarm von Mouhamed, Geschoss 4 in seinem Brustkorb und Geschoss 5 im Gesäß. Die Geschosse, welche in Mouhameds Körper stecken geblieben sind, waren stark verformt. Die Patronenhülsen wurden in der Missundestraße und im Gebüsch aufgefunden.
Um nachweisen zu können aus welcher Waffe die Munition stammt, hat der Sachverständige unbenutzte Patronen, mit denen aus dem Einsatz verglichen. Dazu wurde im Einzelfeuer von einer MP5 geschossen, um Vergleichsmunition erstellen zu können. Unter einem Mikroskop wurden diese dann miteinander verglichen. Bei den Geschossen war eine eindeutige Spurenzuordnung nicht möglich, da diese durch Fremdspurüberlagerungen (wie Blut) beeinträchtigt waren. Bei den Patronenhülsen wurde eine Übereinstimmung festgestellt. Daher kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass alle Munitionsteile aus der untersuchten, beim Einsatz verwendeten MP5 stammen. So konnte ausgeschlossen werden, dass die aufgefundene Munition aus der Pistole des Einsatzleiters stammt.
Anhand der Untersuchungen konnte nicht festgestellt werden, ob im Einzel- oder Dauerfeuer geschossen wurde.
Im Anschluss an den Bericht des Sachverständigen fragt die Nebenklagevertretung, warum kein Schussbild angefertigt wurde. Der Sachverständige entgegnet, dass die dynamische Situation nicht so einfach nachstellbar sei, außerdem Faktoren wie die psychische Belastung des Schützen nicht mit einbeziehe und somit sein Schussbild nicht auf die Einsatzsituation reproduzierbar sei. Auf Nachfrage der Nebenklage erklärt der Sachverständige, dass durch einen Sperrknopf an der Seite der MP5 die Schusseinstellung von Einzel- auf Dauerfeuer umgestellt werden kann. Dieser Knopf müsse einmal gedrückt werden. Die eingesetzte Waffe wurde gesichert an ihn übergeben und man könne im Nachgang nicht sehen, ob der Sperrknopf aktiviert wurde oder nicht.

Weiter geht es in zwei Wochen, am Montag, den 02. September ab 9:30. Es ist ein Gerichtsmediziner geladen. Ab dem nächsten Prozesstermin werden wir auch wieder mit einer Mahnwache vor dem Landgericht anwesend sein und euch mit Infos, Kaffee und Tee versorgen.
Wir freuen uns weiterhin bei jedem Termin über solidarische Begleitung des Prozesses!

Bericht vom 19. Prozesstag – 07.08.2024

Der heutige 19. Verhandlungstag war wieder ein kurzer Schiebetermin. Geladen war der Sachverständige Thomas F. des Bundeskriminalamts (BKA) zur Verlesung der Gutachten zum Pfefferspray (RSG-8).

Im Rahmen der Gutachten wurde ein neues RSG-8 mit einem abgelaufenen RSG-8 verglichen. Auf dem Boden der Sprühdosen ist beim RSG-8 ein Haltbarkeitsdatum aufgedruckt. Bei dem im Einsatz verwendeten RSG-8 war dieses Datum um einige Monate überschritten. Mit der Untersuchung sollte festgestellt werden, ob diese Überschreitung des Haltbarkeitsdatums einen Effekt auf die Funktionalität hatte. Daher wurden Tests und Analysen zu Reichweite und Wirkung gemacht. Bei diesem Gutachten kam heraus, dass das überschrittene Ablaufdatum des RSG-8 keine Auswirkungen auf dessen Funktionalität hatte. Sprühbild sowie Reichweite waren bei beiden Sprays normal. Außerdem wurde bei einer chemischen Analyse festgestellt, dass das Überschreiten der Haltbarkeit des im Einsatz verwendeten RSG-8 keinen Einfluss auf die Wirkung des Reizstoffs hatte.

Es ließ sich feststellen, dass bei dem Einsatz ca. 200 Gramm des Reizstoffs innerhalb von 6 Sekunden versprüht wurden. Das entspricht der Hälfte der Füllmenge beziehungsweise Sprühdauer. Der Polizei stehen unterschiedliche Pfeffersprays zu Verfügung. Im Einsatz wurde die größte Geräteklasse verwendet, welche nur für besondere Einsatzlagen vorgesehen ist.

Im zweiten Gutachten wurden der Sprühverlauf und die Verteilung der Flüssigkeit über die Reichweite untersucht. Die Flüssigkeit wird bei Verwendung des RSG-8 nicht zerstäubt, sondern tritt als Strahl aus. Innerhalb dieses Strahls kommt es zu Tröpfchenbildung, wodurch der Strahl mit zunehmender Distanz breiter wird. Es liegt zu keinem Zeitpunkt ein Sprühnebel vor. Damit das Reizgas wirkt, muss die Zielperson im Gesicht getroffen werden. Bis zu einer Reichweite von 6 Metern kann zielgenau getroffen werden, danach senkt der Strahl sich ab. Bei 4 Metern Distanz wird eine Fläche von 20 x 30 cm und bei 6 Metern Entfernung eine Fläche von 80 x 30 cm getroffen.

Nachdem der Gutachter unvereidigt entlassen wurde, spricht Richter Kelm noch die Prozessbeteiligten auf eine Abstimmung zu weiteren Prozessterminen an. Daraus können wir schließen, dass der Prozess nicht wie geplant am 11.09.2024 enden wird.

Nach nur 20 Minuten endet der 19. Verhandlungstag.

Weiter geht es am Mittwoch, den 14. August, am 9:30 vorm Dortmunder Landgericht. Für den nächsten Termin ist eine sachverständige Person für die MP5 (Maschinenpistole) geladen. Wir freuen uns weiterhin über solidarische Unterstützung im Saal. Alle kommenden Termine unter https://justice4mouhamed.org/prozessbegleitung/.

Bericht vom 18. Prozesstag – 24.07.2024

Der heutige 18. Verhandlungstag war ein kurzer Schiebetermin. Geladen war der Elektroingenieur Ralf I. als Sachverständiger des Landeskriminalamts (LKA), zur Auswertung der beiden eingesetzten Distanzelektroimpulsgeräte (DEIG, “Taser”).

Überraschenderweise aktiviert Richter Kelm zu diesem Anlass zum zweiten Mal im Prozess die Dokumentenkamera, sodass es allen Prozessbeteiligten und Zuschauenden möglich ist, die Fotos aus dem Gutachten zu sehen.

Der Sachverständige berichtet von der Auswertung der beiden Taser, erst durch die Herstellerfirma AXON, die die Protokolle der beiden Geräte auslas, dann durch das LKA.

Die knapp halbstündige Sitzung besteht zu großen Teilen daraus, dass Ralf I. technische Beschreibungen der Waffe aus dem polizeilichen Gutachten verliest. Dabei werden die entsprechenden Bilder aus der Akte von Richter Kelm auf dem Bildschirm gezeigt: die ineinander gewickelten Drähte aus dem Inneren des Tasers, die ca. 2 Zentimeter lange, metallene und mit Widerhaken versehene Pfeilspitze, die Nummerierungen und Messungen der Geräteteile. Genau wird erklärt, wie beim Abschießen die Drähte aus dem Inneren des Geräts hinausgeschossen werden und sich abwickeln. Wenn beide Pfeilelektroden einen Körper treffen, schließt sich der Stromkreis. Es konnte nachgewiesen werden, dass bei dem Taser Einsatz gegen Mouhamed einer der Taser über fünf Sekunden 109 elektronische Impulse abgegeben hat. Aktuell ist noch unklar, ob die andere Elektrode auch Mouhamed getroffen hat und der Stromkreis geschlossen wurde. Eine der Pfeilelektroden traf Mouhamed im Schritt. Auf zwei von vier Pfeilelektroden wurde sein Blut nachgewiesen. Die Pfeilelektroden können im Nachhinein nicht als Paar zugeordnet werden, wodurch nicht klar ist ob sie vom selben Taser stammen und somit ein Stromkreis geschlossen wurde.

Die Frage ob sich ein Stromkreis geschlossen hat oder nicht, ist insofern relevant, da die Polizei sowohl die zweiten DEIG-Schüsse als die Schüsse aus der MP damit rechtfertigen, dass Mouhamed nach dem ersten Tasereinsatz nicht stehen geblieben ist.

Einzelne Rückfragen kann der Sachverständige nicht beantworten, etwa, wann Fern- oder Nahkartuschen angewendet werden. In einem Taser sind immer beide eingesetzt und können, je nach Situation, ausgewählt werden. Die Frage der Nebenklage, ob im Einsatz gegen Mouhamed die falsche Kartusche eingesetzt wurde, bleibt ungeklärt.

In der Aussage unternimmt Ralf I., immer wieder die Perspektivübernahme eines DEIG-Schützen (also Polizisten), indem er formuliert: „Wenn ICH also schießen will,…“

Die gesamte Aussage ist sachlich, technisiert, und normalisiert die Waffe Taser. Dabei ist diese als “nicht-tödlich” geführte Waffe sehr umstritten und durchaus tödlich.  Schwangere, Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder mit Drogen-Intoxikation sind Risikogruppen: Immer wieder sterben Menschen nach Tasereinsätzen an Herz- oder Kreislaufstillstand, Organversagen oder Erstickung an Erbrochenem (https://polizeischuesse.cilip.de/taser). Alle Getöteten befanden sich in einer psychischen Ausnahmesituation oder standen unter Drogeneinfluss. Aus den vergangenen 6 Jahren sind 10 Todesfälle bekannt – einer davon durch die Dortmunder Polizei am 19.10.2022 (https://www.ruhrnachrichten.de/dortmund/ein-toter-nach-polizeieinsatz-in-dortmund-beamte-setzten-taser-ein-w1802755-2000656285/).

Strafprozessrechtler Andreas Ruch schreibt hierzu:

Bereits jetzt ist zu beobachten, dass Polizeibeamte gegenüber psychisch erkrankten Menschen häufiger unmittelbaren Zwang anwenden als dies gegenüber Personen ohne psychische Auffälligkeiten der Fall ist. Die angebliche Eignung des Tasers zur Lösung von Konflikten mit psychisch kranken Menschen verstärkt eine gewaltbetonte Einsatzbewältigung gegenüber dieser Personengruppe. Dabei droht aus dem Blick zu geraten, dass es sich um eine besonders vulnerable Gruppe handelt, auf deren Schutzbedürftigkeit die Polizei schon aus menschenrechtlichen Erwägungen besondere Rücksicht zu nehmen hat.” (Polizei und Taser, Andreas Ruch, 29. Mai 2024 Verfassungsblog, https://verfassungsblog.de/polizei-und-taser/, 25. Juli 2024).

Die Aussage des Sachverständigen wird immer wieder durch Einwürfe von Richter Kelm unterbrochen. Einmal zeigt sich Kelm irritiert, dass auf der Nebenklage drei Schwarze Menschen sitzen – und unterbricht sich dann selbst, als er sich wohl erinnert, dass seit Januar neben den beiden Brüdern Dramé auch ein Dolmetscher dort sitzt.

Nach dem kurzen Bericht endet der 18. Verhandlungstag. Weiter geht es am Mittwoch, den 7. August, am 9:30 vorm Dortmunder Landgericht. Für den nächsten, ebenfalls kurzen, Termin ist eine sachverständige Person für das RSG 8 (Pfefferspray) geladen. Wir freuen uns weiterhin über solidarische Unterstützung im Saal.

Alle kommenden Termine unter https://justice4mouhamed.org/prozessbegleitung/.

Bericht vom 17. Prozesstag – 05.07.2024

Der 17. Verhandlungstag am 5. Juli 2024 beginnt wie gehabt mit Verspätung und dauert weniger als 30 Minuten; es werden lediglich Teile der Akte durch den vorsitzenden Richter Kelm verlesen.

Insbesondere werden Teile der Auswertung von Mouhameds Handy verlesen. Der Fokus liegt dabei auf den Chatnachrichten aus den fünf Tagen vor dem tödlichen Einsatz am 8. August.

Aus den ausgewerteten Fotos, Nachrichten, Downloads und Dokumenten ließe sich laut Auswertung kein depressiver oder suizidaler Zustand ablesen – dabei lenkt selbst Richter Kelm ein, dass diese Art Daten ja nicht aussagekräftig für eine solche Beurteilung sei. Der Umstand, dass Mouhamed seinen Verwandten gegenüber nichts in Bezug auf seinen psychischen Zustand und seine Gefühle äußerte, könnte zudem auch den Grund gehabt haben, dass er sie nicht weiter besorgen wollte.

Einem Verwandten gegenüber schrieb er jedoch, dass er sich, bevor er in die LWL-Klinik kam, “fühlte, als ob er Malaria habe”. Die Nebenklage ergänzt einen von Richter Kelm ausgelassenen Satz aus der Auswertung, der besagt, dass die Handyauswertung keinerlei Hinweise auf aggressives Verhalten oder die Ablehnung von Sicherheitsbehörden gebe.

Zuletzt wird ein Aspekt aufgeklärt, über den zuletzt zu Prozessbeginn der Focus spekulierte (https://www.focus.de/politik/deutschland/prozess-beginnt-zwei-tage-vor-seinem-tod-erhielt-16-jaehriger-fluechtling-eine-drohung_id_259510620.html): Während hier dargestellt wird, dass Mouhamed von einem Verwandten wegen Geld für die vermeintlich erkrankte Mutter unter Druck gesetzt wurde und so vielleicht in den psychischen Ausnahmezustand gedrängt wurde, bezeugen die heute verlesenen Chatnachrichten, dass es sich bei dem Chatpartner gleichwohl nicht um einen nahen Verwandten handelte. Im Anschluss an die Nachricht schrieb Mouhamed seinem älteren Bruder Lassana, der nun auch am Prozess in Dortmund teilnimmt. Lassana verneinte, dass die Mutter krank sei, und versicherte, dass er eine so wichtige Information Mouhamed selbstverständlich mitgeteilt hätte. Dass die Mutter nicht krank war und Geld brauchte, wusste Mouhamed also am 8. August 2022.

Nach einem kurzen Termin, in dem es akustisch nur schwer möglich ist der Aktenverlesung zu folgen und auch Bilder nur den Prozessbeteiligten gezeigt werden, die schnell nach vorn zum Richtertisch eilen müssen, um sich die DIN A4-Ausdrucke anzusehen, endet der Verhandlungstag.

Weiter geht es in zwei Wochen, am Mittwoch, den 24. Juli ab 9:30, mit einem weiteren kurzen Schiebetermin am Landgericht. Es folgen zwei weitere Schiebetermine am 7. und 14. August, bevor in den Verhandlungstagen am 2., 4. und 9. September die Plädoyers und am 11. September womöglich die Urteilsverkündung erwartet werden.

Wir freuen uns weiterhin bei jedem Termin über solidarische Begleitung des Prozesses!

Radio Nordpol – Beitrag zum 16. Prozesstag

In dieser Podcastfolge hat das Radio Nordpol mit dem Solidaritätskreis Justice4Mouhamed, Backup sowie einem unabhängigen Journalisten gesprochen.

Darüber hinaus wird auf die Initative Herkesin Meydanı-Platz und ihre Engagement für die Solinger Familien, die vor kurzem Opfer von rassistischen Brandanschlägen wurden, aufmerksam gemacht.

Vielen Dank an das Radio Nordpol!

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Bericht vom 16. Prozesstag – 20.06.2024

Der 16. Prozesstag in Kürze

Im folgenden Bericht geht es um Suizidalität

  • Zeugenaussage der behandelnden Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychotherapie aus der LWL Klinik in Dortmund, welche Mouhamed am 07.08.2022 untersuchte.
  • Mouhamed wurde in der Nacht vom 06. auf den 07.08.2022 in der Klinik aufgenommen. Sie habe den Dienst um 10:00 auf der Station begonnen. Mouhamed wurde in einer ungeklärten Situation, als mutmaßlich suizidal, aufgenommen. Da eine Selbst- oder Fremdgefährdung nicht auszuschließen gewesen sei, war Mouhamed in einem sogenannten intensivierten Beobachtungsstatus. Daher stand er unter permanenter Begleitung durch das Krankenhauspersonal. Er zeigte keine suizidalen Handlungsabsichten, wies keine akuten Verletzungen auf, verhielt sich kooperativ, weshalb keine Medikamention erforderlich gewesen sei und habe die Nacht durchgeschlafen.
  • Die Zeugin führte einen psychopathologischen Befund durch, bei dem ein Dolmetscher anwesend war. In der Wartezeit spielte Mouhamed Fußball im Innenhof.
  • Bei der Anamnese erzählt Mouhamed, wie es dazu kam, dass er sich Hilfe holte. Er berichtet von lebensmüden Gedanken. Er habe Flashbacks und dadurch Schwierigkeiten einzuschlafen. Seine Gedanken waren immer wieder bei seiner Familie, wodurch er Unruhe verspüre und nicht mehr weiterleben wolle. 
  • Andrea W. ordnet den Schlafmangel einer möglichen posttraumatischen Belastungsstörung als Folge seiner Flucht zu.
  • Im Gespräch selbst habe Mouhamed sich von suizidalen Intentionen distanziert und versichert, er wolle sich nicht umbringen. Stattdessen habe er von Plänen für die Zukunft gesprochen: Er wolle zurück in sein Zimmer der Jugendhilfeeinrichtung und perspektivisch zurück in den Senegal. Er wolle nicht weiter stationär behandelt werden. Aufgrund dessen wurde er aus der Klinik entlassen. Sie habe ihn auf Hilfsangebote außerhalb stationärer Behandlungen hingewiesen. Er äußerte den Wunsch nach einer festen Ansprechperson in der Wohngruppe und dass er in schwierigen Situationen nicht alleine gelassen wird. Diese Wünsche habe die Zeugin der Wohngruppe per Telefon mitgeteilt. Danach wurde Mouhamed mit dem Taxi zur Wohngruppe gebracht.
  • Limberg, Verteidiger des Dienstgruppenleiters H., diskreditiert zuerst die Ergebnisse des psychopathologischen Befunds und fragt im Anschluss, ob sie in Anbetracht der darauf folgenden Geschehnisse denkt, in ihrer Behandlung etwas falsch gemacht zu haben. Die Zeugin verweigert die Aussage. 
  • Zeugenaussage des behandelnden Notarzt am 08.08.22:
    Der Zeuge schätzt Mouhameds Zustand im Krankenwagen als stabil ein. In der Notaufnahme angekommen sei er erschrocken gewesen, wie rapide sich Mouhameds Zustand „massiv“ verschlechterte.
  • Letzte Zeugenaussage: ehemalige Vormundin von Mouhamed aus Mainz
    Hat am 08.08. noch mit Mouhamed telefoniert. Ihm ging es nicht gut, er machte sich Sorgen über den weiteren Verlauf des Asylverfahrens, seinem Schulbeginn und fühlte sich nicht angekommen in der Jugendhilfeeinrichtung.
    Sie berichtet, dass Mouhamed mehrere Male abgängig war in Mainz um nach Dortmund zu Fußballspielen zu fahren. Daraufhin habe sie sich dafür eingesetzt, dass er nach Dortmund ziehen kann. Er habe über die Nachricht vor Freude getanzt. 

Weiter geht es am Freitag (!), den 05.07.2024 mit einem kurzen Termin. Es wird keine Mahnwache geben. Wir freuen uns wie immer über Teilnahme an der Prozessbeobachtung!

Radio Nordpol – Beitrag zum 15. Prozesstag

In dieser Podcastfolge zum 15. Prozesstermin hat das Radio Nordpol Team mit einer unabhängigen Prozessbeobachterin, einem freien Journalisten, Lisa Grüter als Vertreterin der Nebenklage sowie Fanny von NSU Watch NRW gesprochen.

Vielen Dank an das Radio Nordpol Team!

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Bericht vom 15. Prozesstag – 14.06.2024

Der 15. Prozesstag in Kürze:

Im folgenden Bericht werden Aspekte der Tat vom 8. August 2022 benannt.

  • Letzte Einlassung der Angeklagten: Taserschützin Pia Katharina B.
    Auch sie ist wegen schwerer Körperverletzung im Amt angeklagt. Die Angeklagte setzte den Taser gegen Mouhamed ein, als dieser in Richtung der Polizist*innen lief.
  • Die in Chatnachrichten geäußerten Zweifel an dem Vorgehen der Polizei bagatellisiert sie im Gerichtssaal als Gedanken, die man direkt nach „einem sehr belastenden Einsatz“ nun mal habe.
  • Auch sie bedient sich der Narrative der Schuldumkehr und der Notwehrlage. Mouhamed habe die „Ursache gesetzt“. Die Anweisung eine Maschinenpistole bei sich zu führen sei bei einer „Einsatzlage mit Messer“ nicht unüblich. Doch sei diese ja nur zur Eigensicherung da gewesen, auch wenn Mouhamed das Messer gegen sich selber richtete und es wurde „nie gesagt, dass die MP verwendet werden soll“. Man sehe ja, wozu das [Menschen mit Messern, Anm. d. Red.] führen könne (wahrscheinlich eine Anspielung auf den durch Messerstiche getöteten Polizisten in Mannheim). Richter Kelm pflichtet ihr bei. Die Angeklagte ergänzt: „Keiner von uns wollte ne Waffe einsetzen“. Doch sie würden gelehrt bekommen, dass „wenn jemand mit einem Messer auf uns zuläuft, dann soll man schießen“.
  • Pia B. rechtfertigt ihren Tasereinsatz in der Vorannahme nicht ausschließen zu können, dass Mouhamed das Messer gegen sie einsetzt.
  • Widersprüchlich: Als Mouhamed noch an der Kirchenmauer hockte, habe es für Pia B. nicht danach ausgesehen „als ob er in nächster Zeit die Position ändert“. Trotzdem habe sie einen Handlungsbedarf durch einen DEIG Einsatz gesehen.
  • Inszenierung als Retter*innen in Not: „…das möchte ich hier nochmal ganz deutlich sagen: Mouhamed war kein Angreifer für uns“. Sie wollten die Gefahr für ihn abwenden, wenngleich von einer Person mit Messer eine Gefahr ausgehen könne. Aber deswegen wurden auch Vorgaben, wie die 7-Meter-Regel, nicht eingehalten.
  • Erst hat man uns gesagt alles wird gut gehen und auf einmal sitzt man vor Gericht.“ Diese Aussage verdeutlicht die selbstverständliche Annahme, dass sie als Polizist*innen selten Konsequenzen zu befürchten haben nach (unrechtmäßiger) Gewaltausübung.
  • Ein Vorgesetzter traf sich inoffiziell in privaten Räumen mit den Angeklagten und weiteren Polizeizeug*innen, um ihnen mitzuteilen, dass am nächsten Tag die Rede des Polizeipräsidenten stattfinden wird und sie in andere Bereiche versetzt werden. In einer Chatnachricht bezeichnet die Angeklagte dieses Treffen selbst als „eigentlich nicht ganz erlaubt“ und dass sich der Vorgesetzte damit „auf dünnem Eis“ bewegt.
  • Die Angeklagte bestreitet, dass sie den Einsatz als Tutorin mit dem Polizeianwärter P. inhaltlich nachbesprochen habe. Sie habe ihm angeboten, dass er sich an sie wenden könne, wenn er über seine Gefühle reden wolle. Eine inhaltliche Vorbereitung auf seine Vernehmung habe es durch sie auch nicht gegeben. Das kann durch Vorhaltungen von Chatnachrichten widerlegt werden. Auch wird aus Chatnachrichten mit dem Dienstgruppenleiter Thorsten H. deutlich, dass es terminliche Absprachen mit der Polizei Recklinghausen gab zu den Vernehmungen der Polizeianwärter*innen – diese sind gesetzlich nicht erlaubt.
  • Eine weitere Polizistin wurde als Zeugin geladen. Sie war die Ansprechperson für Mouhamed in der Wache Nord am Vorabend des 08.08.2022, als er auf der Suche nach psychologischer Hilfe war.
  • Sie beschreibt Mouhameds Verhalten als sehr ruhig, abwartend. Mouhamed äußerte ihr gegenüber Suizidabsichten. Sie vermittelte ihn an die LWL-Klinik.

Weiter geht es am Donnerstag (!), den 20. Juni, ab 9:30. Es werden weitere Zeug*innen geladen. Wir freuen uns wie immer über solidarische Prozessbeobachter*innen (Eingang Hamburger Straße 11) sowie Teilnahme an unserer Mahnwache ab 7:30 vor dem Gericht (Kaiserstraße 34). Der Einlass zum Verfahren beginnt erfahrungsgemäß gegen 8:15. Alle Folgetermine bis September siehe https://justice4mouhamed.org/prozessbegleitung/

Radio Nordpol – Beitrag zum 14. Prozesstag

In dieser Podcast Folge kommen kritische Stimmen von Britta Rabe vom Komitee für Grundrechte und Demokratie, einer Person vom Arbeitskreis Kritische Jurist*innen Köln sowie Alex vom Solidaritätskreis Justice4Mouhamed zu Wort. 

Außerdem wird in dieser Folge den durch Polizeigewalt in Mannheim getöteten Ante P. und Ertekin Ö. gedacht: Die Angehörigen von Ante und Ertekin kämpfen, wie viele andere, für Anerkennung und Gerechtigkeit.

Vielen Dank an das Radio Nordpol Team!!

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Bericht vom 14. Prozesstag – 05.06.2024

Der 14. Prozesstag in Kürze:

Im folgenden Bericht werden Aspekte der Tat vom 8. August 2022 benannt.

  • Jeanine Denise B., angeklagt wegen schwerer Körperverletzung, gab heute ihre Einlassung. Sie hat das Pfefferspray gegen Mouhamed eingesetzt und so die statische Lage in eine Spirale der Gewalteskalation gebracht.
  • Bei ihrer Einlassung gibt sie an, einen Großteil des Geschehens im Innenhof weder gesehen noch gehört zu haben aufgrund des Gebüschs hinter dem Zaun. Bis sie an den Zaun herantrat um das Pfefferspray gegen Mouhamed einzusetzen, konnte sie laut eigener Aussage, Mouhamed noch nicht einmal sehen. Das bedeutet sie sah nicht in welcher Position er sich befand oder wie er sich verhielt. Dass er ein Messer in der Hand hielt, wusste sie nur aus Funksprüchen der Kolleg*innen. Das heißt, sie ist der Dienstanweisung gefolgt und hat das Pfeffer eingesetzt, ohne weder einen Überblick über die Gesamtsituation zu haben, noch eine Selbsteinschätzung zu Mouhameds suizidalen Absichten vornehmen zu können und dadurch die Angemessenheit der Anweisung hinterfragen zu können.
  • Ich frage mich täglich ob ich anders hätte reagieren können. Hätte ich besser treffen müssen mit dem Pfefferspray? Das fragen wir uns alle.“ Die Angemessenheit des Einsatzes hinterfragt sie nicht. Der Einsatz des Pfeffersprays sei „zweckmäßig“ gewesen.
  • Die Vertretung der Nebenklage fragt hartnäckig nach, warum B. den Einsatz nicht hinterfragt – aus Sorge als unkollegial zu gelten? Die Angeklagte weicht den Blicken der Nebenklage aus und bricht in Tränen aus. Nach kurzer Unterbrechung geht es weiter.
  • Die Vernehmung durch die Polizei Recklinghausen dauerte damals 2,5-3 Stunden. Angefertigt wurde ein 1,5 Seiten langes Protokoll. Darin stehen keine Fragen an die Angeklagte (damals als Zeugin vernommen). Es liest sich, laut Nebenklage, wie ein einziges Statement der Angeklagten. Auf die Konfrontation damit, hat diese keine Erklärung dafür.
  • Zwei Mitarbeiterinnen der Jugendhilfeeinrichtung sagen als Zeuginnen aus. Beide haben den Einsatz von dem Wohnzimmer der Einrichtung aus beobachtet.
  • Sie erzählen von der kurzen Zeit, die sie mit Mouhamed hatten. Gemeinsam haben sie einen Ausflug zu einer Trampolinhalle gemacht, wo Mouhamed sichtlich Spaß hatte und sich an der Slackline ausprobierte. Gerne saß er im Innenhof der Wohngruppe und hörte Musik über Lautsprecher. Sie erzählen auch, dass er sich jedoch auch viel zurück zog. In der Einrichtung war bekannt, dass bei Mouhamed „psychische und physische Spuren von der Flucht“ vorhanden waren – Symptome einer PTBS, sowie Verletzungen, welche medizinisch behandelt werden mussten.
  • Die Aussagen der beiden Zeuginnen werden von Staatsanwaltschaft sowie Verteidigung in Frage gestellt und ihnen ihre Glaubwürdigkeit abgesprochen. Kleinste Unstimmigkeiten in ihren Aussagen werden als Indiz für ihre Unglaubwürdigkeit genommen.
  • Beide Zeuginnen schätzen Mouhamed „zu keinem Zeitpunkt als Gefahr für andere ein, eher für sich“.
  • Am Ende des Prozesstages gibt Verteidiger Brögeler erneut eine Prozesserklärung ab. Er beschuldigt die Zeugin Kira H. der absichtsgeleiteten Falschaussage. Das macht er an angeblichen Widersprüchen in den Aussagen der Zeuginnen fest, sowie daran, dass eine „bestimmte Gesinnung“ der Zeugin sichtbar wurde, da sich scheinbar in einer Social Media bubble bewege, für die schon von vornherein klar war „was passiert ist, weil klar war, was nicht sein durfte“. Damit meint er, dass Mouhamed eine Gefahr für die Polizei gewesen sei. Er bezieht uns solidarische Prozessbeobachter:innen in seine Erklärung mit ein und wirft uns mediale Stimmungsmache gegen die Angeklagten vor. Wir hätten von vornherein gewusst was passiert sei „weil [wir] so schlau [sind]“ und nur ein gewünschtes Ergebnis zulassen könnten. Brögeler beendet seine Erklärung mit der Beleidigung einer Einzelperson aus dem Publikum. Daraufhin bricht Tumult im Gerichtssaal aus und Richter Kelm beendet eilig den Prozesstag.
  • Weiter geht es am Freitag (!), den 14. Mai, ab 9:30. Die letzte Angeklagte, Pia Katharina B. wird am kommenden Gerichtstermin ihre Einlassung machen. Wir freuen uns wie immer über solidarische Prozessbeobachter:innen (Eingang Hamburger Straße 11) sowie Teilnahme an unserer Mahnwache ab 7:30 vor dem Gericht (Kaiserstraße 34). Der Einlass zum Verfahren beginnt erfahrungsgemäß gegen 8:15. Um sicher einen Termin im Gerichtssaal zu bekommen lohnt es sich allerdings schon früher vor Ort zu sein. Alle Folgetermine bis September siehe:
    https://justice4mouhamed.org/prozessbegleitung/