Radio Nordpol – Gespräch mit Sidy und Lasanna auf Wolof

Diese Folge ist auf Wolof um die Stimmen von Sidy und Lassana zu dem Gerichtstermin und Mouhameds Fall in den Senegal zu transportieren.

Lu tollu ci benn at Radio Nordpol ci Dortmund mungi doon topp atte bu jigeen poliis yi faat Mouhamed Lamine Drame ci seeni jëf.

Fi ñu tolli nii ñungi doon joxe xibaar ci Allemand te deñoo bëgga tabax ab pont ci lakk yi ak waxtaan bu gàtt bii ak rak yu Mouhamed yi di Sidy ak Lassana.

Yoon ngir Mouhamed!

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Radio Nordpol – Beitrag zum 30. Prozesstag

In dieser Folge hat das Radio Nordpol mit Lisa Grüter, Anwältin der Nebenklage sowie Vertreter:innen des Solidaritätskreises Justice4Mouhamed, dem Arbeitskreis Kritischer Jurist:innen und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie e. V. zu den insgesamt sechs Plädoyers gesprochen.

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Radio Nordpol – Beitrag zum 29. Prozesstag

Am 02.12.2024 fand der 29. Prozess am Dortmunder Landgericht im Fall der Tötung Mouahmed Lamine Dramés statt. Neben den Aussagen der letzten beiden Sachverständigen, hat die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer verlesen.

Vielen Dank an das Radio Nordpol!

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Bericht vom 30. Prozesstag – 04.12.2024

Der 30. Prozesstag in Kürze:

  • Plädoyer der Nebenklageanwältin Lisa Grüter benennt strukturellen Rassismus in polizeilichem Erfahrungswissen und Handeln („shooting bias“), Fehler der Einsatzplanung, Folgen des Angriffs-Narrativs für die Familie Dramé. Für den Strafantrag unterhalb der Grenze zum Verlust des Beamtenstatus für Einsatzleiter H. habe sie „großes Unverständnis“. Sie fordert, anders als die Staatsanwaltschaft, auch für Jeanine B. und Markus B. Konsequenzen, die sich nicht auf Notwehr oder Annahme von Notwehr berufen könnten.
  • Alle fünf Verteidiger plädieren auf Freispruch ihrer Mandant*innen, einhergehend mit Schuldverschiebung auf Sozialarbeiter*innen oder LWL-Personal sowie teils langen Ausführungen über Gefahren für Polizeibeamt*innen und mediale „Vorverurteilung“.
  • Anwalt des Schützen führt Angriffsnarrativ wieder ein und streitet (auch unbewussten) Rassismus im Handeln seines Mandanten ab. Mehrmals fallen durch die Verteidiger rassistische und veraltete Begriffe wie „Ausländerfeindlichkeit“.
  • Schuldentlastung statt Entschuldigung: Im letzten Wort drückt Pia-Katharina B. unter Tränen ihre Trauer über den Einsatz aus – nur um sich dann von den „Rassismusvorwürfen [zu] distanzieren“. Ihre vorhergegangenen Worte wirken so hohl.
  • Urteilsverkündung am 12. Dezember erst um 13 Uhr!

Bericht vom 29. Prozesstag – 02.12.2024

Der 29. Prozesstag in Kürze:

  • Die Staatsanwaltschaft beantragt Freispruch für den Schützen und die drei Beamt*innen, die Mouhamed mit Pfefferspray und Tasern angriffen.
  • Die Freisprüche für die vier Beamt*innen begründet die Staatsanwaltschaft anhand des sogenannten Erlaubnistatbestandirrtums. So gesteht sie den Angeklagten eine fälschlich angenommene Notwehrsituation zu. Sie seien zu der Einschätzung gekommen, dass die fälschliche Wahrnehmung der Polizist*innen, sich in einer Notwehrsituation zu befinden, glaubhaft und plausibel seien.
  • Für den Einsatzleiter beantragt die Staatanwaltschaft 10 Monate Freiheitsstrafe, welche auf zwei Jahre Bewährung und eine Geldstrafe von 5.000€ an eine gemeinnützige Einrichtung der Jugendhilfe in Dortmund, ausgesetzt werden kann.
  • Der Einsatzleiter wird für die Verleitung von Untergebenen im Amt zu gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Tötung für schuldig befunden.
  • Die Staatsanwaltschaft benennt ganz deutlich, dass sich die Polizist*innen am 8.8.22 NICHT in einer Notwehrsituation befanden! Sie erkennt an, dass Mouhamed aus der Ecke und in Richtung der Polizist*innen ging, weil es der einzige Ausweg für ihn war – und NICHT um die Polizist*innen anzugreifen!
  • Aufgrund dieser klaren Einschätzung der Situation – eine statische, welche durch das Vorgehen der Polizei eskaliert wurde – sind die geforderten Freisprüche für die Angeklagten umso skandalöser! Denn es nimmt jegliche Verantwortung für das tödliche Geschehen von den Angeklagten. Und setzt ein klares Zeichen in Richtung der Polizei, dass jegliches falsches, brutales/gewalttätiges/tödliches Verhalten mit einer irrtümlichen Notwehrsituation gerechtfertigt werden kann.
  • Das geforderte Strafmaß für den Einsatzleiter erschüttert angesichts der Tatsache, dass sie ihm sehr klar die Verantwortung für den tödlichen Ausgang dieses Einsatzes zuschreiben. Er habe „salopp formuliert stumpf den ersten Plan von der Holsteinerstraße [Ort der Einsatzbesprechung] umgesetzt“ und ihn nicht erneut den gegebenen/örtlichen Umständen angepasst.
  • Zu Beginn des Plädoyers stellt die Staatsanwaltschaft den Prozess in den Kontext des öffentlichen Interesses. Dabei bedient sich der Oberstaatsanwalt der Hufeisentheorie, indem er linke Kritik an dem Einsatz und rassistische, rechte Hetze gegen Mouhamed gleichsetzt.
  • Vor dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft wurden die letzten beiden Zeugen vernommen. Ein Dolmetscher aus der LWL-Klinik, welcher Mouhameds Gespräch mit der Therapeutin am 7.8.22 übersetzte und ein Polizeibeamter der Polizeihochschule Köln waren geladen.
  • Das Verhalten des Richters Kelm gegenüber dem geladenen Dolmetscher war von Herabwürdigungen geprägt. Ungeduldig unterbrach er ihn mehrmals und erhob sehr laut seine Stimme gegen ihn, wenn ihm genannte Details des Zeugen unwichtig erschienen. Dem Zeugen war wichtig zu betonen, wie traurig Mouhamed in dem damaligen Gespräch wirkte. Am Ende seiner Befragung wollte er noch erzählen, dass Mouhamed zum Ende des Gesprächs ein Foto seiner Mutter auf dem Handy zeigte, was ihm wichtig war. Wirsch unterbrach Richter Kelm den Zeugen abermals, mit der Begründung, dass die Befragung zu Ende sei und ließ den Zeugen nicht mehr ausreden.

Bericht vom 28. Prozesstag – 26.11.2024

Im folgenden Bericht werden die Taten der angeklagten Polizist*innen benannt.

Info für Rollifahrer*innen: Beim heutigen Prozesstag haben wir erstmals erfahren, wie der Zugang für Menschen mit Rolli funktioniert. Dafür klingelt mensch frühzeitig vor Prozessbeginn an der Klingel beim Aufzug auf der rechten Seite des Gerichtsgebäudes vom Haupteingang aus (Kaiserstraße 34 – dort gibt es Parkplätze sowie wenige hundert Meter entfernt einen rollstuhlgerechten Aufgang aus der U-Bahn-Station „Ostentor“). Über diesen Eingang kommt man zur Sicherheitskontrolle hinter dem Haupteingang, wo es eine „Flughafenkontrolle“ gibt, und dann über Aufzug und Treppenlift zum Saal 130. Auf dem Weg gibt es eine rollstuhlgerechte Toilette. Es ist möglich, eine Begleitperson mitzubringen, was sich auch empfiehlt, da die Brandschutztüren im Gebäude, in dem mensch sich sonst ohne Begleitung bewegt, nicht automatisch sind. Im Gerichtsaal gibt es einen Rolliplatz zwischen den Sitzbänken. Wir wollen alle Menschen zur Teilnahme ermutigen und können auch für Begleitung und mehr Infos kontaktiert werden unter solidaritaetskreismouhamed@riseup.net oder über Instagram.

In Kürze:

  • Richter zieht Heruntersetzung der Anklagepunkte von Vorsatz auf Fahrlässigkeit wegen „Erlaubnistatbestandsirrtums“ bei drei der fünf Angeklagten als möglich an.
  • Die verbleibenden drei (!) Termine sind 2., 4. und 12. Dezember je ab 9:30.

Der heutige Prozesstag beginnt mit fast einer Stunde Verspätung und dauert wenige Minuten.

Beim Termin in der letzten Woche hatte die Staatsanwältin angeregt, eine Heruntersetzung der Anklagen aller fünf Angeklagten von vorsätzlichem auf fahrlässiges Handeln in Erwägung zu ziehen, was erheblich geringere Strafen zur Folge hätte. Darüber hatte Richter Kelm angekündigt heute zu entscheiden. Dafür verliest er einen Entscheid.

Hinsichtlich des angeklagten Einsatzleiters Thorsten H. sieht die Kammer keine Irrtumsmöglichkeit nach „Erlaubnistatbestandsirrtum“, also der irrigen Annahme einer Notwehrlage, da Mouhamed zum Zeitpunkt der Einsatzplanung und der Befehle ruhig saß und unansprechbar war. In diesem Fall käme eine eigene Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nach § 229 und § 222 Strafgesetzbuch (fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Tötung) wegen unzureichender Planung des Einsatzes in Betracht. Richter Kelm bezeichnet den Ausgang der Einsatzplanung als „eine Frage der Vorhersehbarkeit“. Allerdings würde, wenn die Handlungen der ihm untergebenen Beamt*innen nicht als Straftaten beurteilt werden, auch bei H. keine Anstiftung zu solchen mehr vorliegen.

Auch hinsichtlich der Angeklagten B., die Pfefferspray auf den ruhig sitzenden Mouhamed abgab, gebe es keine Möglichkeit des Irrtums über eine Notwehrlage. Es käme aber eine Rechtfertigung nach §34 StGB (Strafgesetzbuch) infrage, in dem der rechtfertigende Notstand festgelegt ist, in diesem Fall wegen der Abwendung von Suizidgefahr; ebenso § 8 bzw. § 59 PolG NRW (Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen), welche die allgemeine Befugnis der Polizei sowie das Anwenden unmittelbaren Zwangs erlauben (§ 59 PolG beinhaltet allerdings auch das Verbot, rechtswidrige Anordnungen zu befolgen und die Pflicht, Bedenken an der Rechtmäßigkeit einer Anordnung mitzuteilen („Remonstrationspflicht“), was durch Richter Kelm unerwähnt bleibt).

Hinsichtlich der anderen drei Beamt*innen B., B. und S. bestätigt Richter Kelm, dass, auch wenn keine tatsächliche Notwehrlage festgestellt wird, die Möglichkeit in Betracht käme, die Anklagen auf Fahrlässigkeit herunterzusetzen, da die drei Beamt*innen sich im Moment der Schussabgabe durch zwei Taser und die Maschinenpistole, in denen Mouhamed sich auf sie zubewegt haben soll, wenn auch möglicherweise irrtümlich, in einer Notwehrlage gesehen haben könnten (“Erlaubnistatbestandsirrtum”). Bei den beiden Taserschütz*innen würde dann über fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), beim MP5-Schützen Fabian S. um fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) entschieden werden, statt wie bisher um den Vorsatz dazu.

Richter Kelm trägt abschließend frei vor: „Der Hinweis wurde damit erteilt. Gerade zur Notwehrlage… was im Kopf des Geschädigten vorging, wissen wir nicht. Wir wissen nicht, warum er aus der Ecke rannte [sic]. Die Rechtsprechung macht hier in dubio für den Angeklagten – was ich zweifelhaft finde. Danach könnten wir hier Notwehr annehmen. In jedem Fall ist das so, dass die Angeklagten sich eine Notwehrlage vorgestellt haben, nach den Grundsätzen des Erlaubnistatbestandsirrtums, Herr Dramé wollte sie mit dem Messer angreifen. Das ist nach dem Antrag der Staatsanwaltschaft zu prüfen. Die Rechtsprechung zumindest ist, dass der Vorsatz dann nicht gegeben ist und es auf die Vermeidbarkeit des Erlaubnistatbestandsirrtums auf subjektiver Ebene ankommt.“

Weder Nebenklage noch Verteidiger haben hierzu Anmerkungen.

Richter Kelm informiert, dass am nächster Termin (2. Dezember ab 9:30) die letzten beiden Zeugen und das Plädoyer der Staatsanwaltschaft gehört werden.

Die Nebenklage wird am 4. Dezember ihr Plädoyer halten. Hier wird ein weiterer Termin, ebenfalls mit Beginn um 9:30, stattfinden.

Zuletzt verliest Richter Kelm die Bundeszentralregistereinträge der fünf Angeklagten, die allesamt ohne Einträge sind, vor.


Richter Kelm schließt die Sitzung nach knapp 10 Minuten.

Wir freuen uns auch beim kommenden Termin und insbesondere bei den wohl letzten Prozesstagen am 2., 4. und 12. Dezember sehr über solidarische Unterstützung, ob im Gerichtssaal oder an der Mahnwache vor dem Haupteingang.

Radio Nordpol – Beitrag zum 27. Prozesstag

An diesem Prozesstag wurde ein Interview, welches der Hauptangeklagte Fabian S. dem WDR im Sommer gegeben hatte, im Gerichtssaal gehört. In dem Radiobeitrag werden die Inhalte der abgespielten Podcast-Folge und dessen Relevanz für den Prozess analysiert. In einem Interview beleuchtet der Solidaritätskreis Justice4Mouhamed aus medienwissenschaftlicher Perspektive den WDR-Podcast.

Zum Ende des Verhandlungstages äußerte die Staatsanwaltschaft eine unerwartete neue Einordnung des Tatgeschehens. Wir haben mit der Anwältin Lisa Grüter dazu gesprochen.

Vielen Dank an das Radio Nordpol!

Der Link zum Radiobeitrag:

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Bericht vom 27. Prozesstag – 18.11.2024

Der folgende Bericht gibt die Perspektive des Schützen wieder, der Mouhamed Dramé tötete.

Der 27. Prozesstag, der ein Ersatztermin für den entfallenen Termin am 4. November ist, befasst sich mit der Folge des WDR-Podcasts “Mouhamed Dramé – Wenn die Polizei tötet”, in der der Schütze Fabian S. spricht. Sein fast einstündiges Interview in der Podcastfolge wird vom Gericht als seine Aussage vor Gericht am 22. Mai diesen Jahres zusätzliche Einlassung (“Aussage”) gewertet und zu diesem Zweck am heutigen Verhandlungstag vollständig im Gerichtssaal abgespielt. Vor Ort sind einige Besucher*innen, Presse, darunter auch die beiden WDR-Mitarbeitenden, die den Podcast produziert haben, als Prozessteilnehmende wie immer Fabian S. und die anderen Angeklagten sowie die Brüder Sidy und Lassana Dramé. Im Anschluss an das Hören, kurz vor Ende des kurzen Prozesstags noch eine überraschende Wortmeldung der Staatsanwältin Yazir: Eine Änderung des Strafmaßes für alle fünf Angeklagten wird erwogen. Bei allen fünf Angeklagten könnte von fahrlässigem statt vorsätzlichem Handeln ausgegangen werden. Damit könnte das Strafmaß deutlich geringer ausfallen.

Wie so oft beginnt die Verhandlung auch heute mit Verspätung gegen 10:10. Der versammelte Saal wartet zuletzt auf Verteidiger Brögeler, der noch ohne Robe hereinstürmt.

Für das Anhören des Podcasts nutzt das Gericht wie sonst selten den großen Bildschirm, der hinter dem Richterpult angebracht ist. Unmittelbar nach Beginn der Verhandlung wird die Folge gestartet (die Folge gibt es zum Anhören hier: https://www.ardaudiothek.de/episode/mouhamed-dram-wenn-die-polizei-toetet-wdr-lokalzeit/folge-7-der-schuetze/wdr/13539125/). Über die Dauer der Folge ist es im Saal ruhig. Die Simultanübersetzung des Übersetzers für Sidy und Lassana Dramé ist leise zu hören.

Die Podcastfolge bietet dem Schützen Fabian S., einem jungen Polizeibeamten, etwa eine Stunde Zeit, sich selbst, seine Lebenssituation, seinen Blick auf den Einsatz am 8. August 2022 sowie die „Belastung für ihn und seine Familie” durch die gesellschaftliche Aufmerksamkeit und den Prozess darzustellen. Er will zeigen, dass (auch) er ein Mensch ist und ihn das Getane bewegt. Zu Anfang des Interviews formuliert er, dass er „der Nebenklage nicht so ganz die Deutungshoheit überlassen” will. Er berichtet, wie gerne er wieder arbeiten würde, ist aber seit dem Einsatz, als einziger der fünf Angeklagten, „freigestellt”, also bei vollen Bezügen nicht arbeitend. Stattdessen, so im Podcast, renoviere er Haus und Garten seiner Familie.

Stellenweise spricht Fabian S. depersonalisiert von Getanem; etwa im Moment der Schüsse schwenkt er von der Ich-Erzählung ins anonyme „man”. Über die Anzahl der Schüsse sagt er, er habe so lang geschossen, bis Mouhamed „zum Stillstand gekommen” sei.

Er sagt, der Rassismus-Vorwurf gegen ihn „tat weh”, und dass glücklicherweise zumindest seine Freunde sich einig waren, dass sein Handeln im Einsatz „nichts mit Rassismus zu tun” gehabt habe. Er denke im Einsatz nicht über Hautfarbe nach, es sei ihm ganz im Gegenteil in seiner Arbeit in der Nordstadt wichtig, alle fair und gleich zu behandeln. Aus seiner Sicht erzählt scheinen diese Kritiken ihn zu verkennen, verletzen.

Auf die Frage nach Zweifeln am Einsatz verweist er auf die Entscheidungsstrukturen und die Rolle seines Einsatzleiters, dem Mitangeklagten Thorsten H. Nie aber führt er seine Kolleg*innen oder den Vorgesetzten vor, er nimmt sie eher in Schutz.

Die tödliche Folge seiner Schüsse tue ihm leid, bereuen würde er sein Handeln aber nicht – denn: wenn er nicht auf Mouhamed geschossen hätte, hätte dieser Kolleg*innen verletzten können, unter Umständen tödlich – und damit hätte er noch schlechter leben, sich das nie verzeihen können. Er wünscht sich abschließend „nicht mehr so viel böses Blut”, offen bleibt, ob gegen ihn persönlich, auch gegen seine Mitangeklagten, oder die Polizei insgesamt. Eigene Umgänge, wie eine organisierte Reflexion des Einsatzes oder Veränderungen der Polizei, nennt er nicht.

Im Ausklingen der Podcastfolge stoppt Richter Kelm die Aufnahme.

Da es sich um keine Aussage im herkömmlichen Sinne handelt, folgen keine Fragen an Fabian S.

Stattdessen ergreift Staatsanwältin Yazir das Wort: Die Angeklagten sollen darüber belehrt werden, dass die Staatsanwaltschaft eine Heruntersetzung der Anklage von Vorsatz auf Fahrlässigkeit in Bezug auf ihre jeweiligen Handlungen im Einsatz erwägt. Es könne sich, so Yazir, bei ihrem Handeln um einen Erlaubnistatbestandsirrtum gehandelt haben: Die Beamt*innen seien fälschlich von einer Notwehrsituation ausgegangen und haben dementsprechend gehandelt. In diesem Fall könnte das Strafmaß für die Angeklagten so viel geringer ausfallen, dass anders als beim Vorsatz nicht mit Konsequenzen für ihre berufliche Zukunft zu rechnen wäre. Richter Kelm lässt diesen Einwurf bezüglich einer eventuellen Neubewertung noch unkommentiert und will beim kommenden Prozesstag in der nächsten Woche darüber entscheiden.

Richter Kelm schließt mit der akustisch kaum verständlichen Information, dass der kommende Prozesstag, der 26. November, wegen der Anreise einer Schöffin statt um 14 Uhr erst um 15 Uhr beginnt. Dieser Termin solle wohl nur etwa eine halbe Stunde dauern. Für den darauffolgenden Termin, den 2. Dezember, seien die zwei vorerst letzten Zeug*innen geladen.
Gegen 11:10 endet die Verhandlung.

Wir freuen uns auch beim kommenden Termin und ganz insbesondere bei den beiden wohl letzten Prozesstagen am 2. und 12. Dezember sehr über solidarische Unterstützung, ob im Gerichtssaal oder an der Mahnwache vor dem Haupteingang.

Radio Nordpol – Beitrag zum 26. Prozesstag

Der Prozess nähert sich seinem Ende und wie so oft an den letzten Prozesstagen war auch dieser nach nicht einmal 30 Minuten wieder beendet. Ausgesagt hat an diesem Prozesstag der Unfallchirug, der Mouhamed im Klinikum Nord operierte.

Zu diesem Prozesstag hat das Radio Nordpol Lisa Grüter, die Anwältin der Nebenklage, interviewt. Außerdem wird mit den Brüdern Sidy und Lassane Dramé sowie ihrem Dolmeter Moustapha über deren Empfindungen und Eindrücke im Gerichtssaal 103 des Dortmunder Landgerichtes gesprochen.

Des weiteren wird in dieser Folge die Antwort des Presserats auf die Beschwerde beim Presserat über die mediale Berichterstattung zu diesem Prozess besprochen. Link zu dem Presseschau Radiobeitrag:
https://radio.nrdpl.org/2024/08/22/presseschau-zum-prozess-im-fall-der-toetung-von-mouhamed-lamine-drame/

Vielen Dank an das Radio Nordpol!

Der Link zur Folge:

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Bericht vom 26. Prozesstag – 28.10.2024

Hinweis zum Inhalt: Im folgenden Bericht werden die Notfallbehandlung an Mouhamed Dramé und sein Tod beschrieben. Das kann sehr belastend zu lesen sein. Bitte achtet auf Euch oder überspringt den Text.

Am heutigen 26. Prozesstag ist ein Arzt geladen, der Mouhamed am 08. August 2022 im Schockraum des Klinikums Nord behandelte.

Der Zeuge ist als Chirurg in der Unfallklinik der Klinik Nord tätig. Kurz vor dem regulären Feierabend am 8. August 2022 erreichte ihn die Vorankündigung eines schwerverletzten Patienten durch Schusswaffengebrauch. In solchen Fällen wartet ein großes, interdisziplinäres Team im Schockraum auf die Einlieferung des Patienten.

Die Ankunft von Mouhamed war laut Aussage des Zeugen chaotisch, unter anderem, weil die notärztliche Versorgung im Rettungswagen nicht funktioniert habe wie gewünscht. Mouhamed lebte zum Zeitpunkt des Eintreffens im Klinikum noch. Der Zeuge beschreibt Mouhamed als „unruhig“; die Behandler*innen hätten sich schwer getan, ihn zu beruhigen. Die Frage des Richters, ob Mouhamed geredet oder die Behandlung abgewehrt habe, bejaht der Zeuge.

Zuerst seien arterielle Blutmessungen in die Wege geleitet und versucht worden sein, eine Narkose zu verabreichen, woraufhin mit diagnostischen Maßnahmen begonnen wurde. Kurz darauf sei Mouhameds Kreislauf kollabiert und er reanimationspflichtig geworden. Eine Stunde lang sei versucht worden, ihn zu reanimieren, jedoch ohne Erfolg. Der Zeuge sagt: „Bei so einem jungen Mensch macht man sich das nicht leicht, die Reanimationsmaßnahme zu beenden. Doch es war aussichtslos.“ Die gesamte Behandlung bis zur Feststellung des Todes habe etwa eine Stunde und vierzig Minuten gedauert.

Der Zeuge berichtet von sichtbaren Verletzungen in der rechten Gesichtshälfte, Blut an der Vorderseite des Rumpfes, drei Taserpfeilen im Bauchbereich und Schussverletzungen an der Vorderseite des rechten Rumpfs. Mouhameds Kleidung sei schon vor dem Eintreffen in Teilen entfernt worden. Auf die Frage des Richters, welche Verletzungen seiner Meinung nach den Tod verursacht hätten, antwortet der Zeuge, dass er keine Verletzungen gesehen habe, die „unmittelbar todesursächlich“ waren. Er könne das aber auch nicht beurteilen, da er nicht den Obduktionsbericht gelesen habe.

Zu Beginn der medizinischen Versorgung wurde eine der tödlichen Schussverletzungen im Unterbauchbereich erst für eine Verletzung von einer der Taserspitzen gehalten, da diese „nach außen hin nicht offensichtlich geblutet“ habe. Richter Kelm unterstreicht dies suggestiv mit dem Kommentar: „Sah gar nicht so gefährlich aus, ne?“ Kelms einzige Frage zu den Treffern der Taser lautet: „Eine soll in der Penisspitze gewesen sein?“ Einige Male muss der Zeuge nachfragen, da er die Fragen von Richter Kelm nicht versteht.

Auf Nachfrage der Nebenklage hin erläutert der Zeuge, dass im Rettungswagen versucht worden sei, einen Zugang in Mouhameds Schienenbein zu legen, dieser aber insuffizient gewesen sei – die verabreichten Medikamente hätten nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. Ein Zugang im Schienbein werde in zeitkritischen Momenten oder nach zwei erfolglosen Versuchen von Venenzugängen gelegt. Dies sei bei Mouhamed der Fall gewesen.

Der Zeuge wird nach der 15-minütigen Befragung unvereidigt entlassen.

Zum Schluss des nur knapp fünfzehnminütigen Prozesstages erklärt Richter Kelm, dass es nicht möglich war, eine lehrende Person von der Polizeihochschule Gelsenkirchen als Zeug*in zu laden. Daher ist nun jemand aus Köln für den 2. Dezember geladen. Mit dem Termin möchte der Richter die Beweisaufnahme schließen und am selbigen Termin mit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft beginnen. Im darauf folgenden Termin (12. Dezember) sollen dann die Plädoyers der Angeklagten kommen. Zum Zeitpunkt des Plädoyers der Nebenklage und der Urteilsverkündung wurde nichts geäußert.

Weiter geht es am 04.11. um 13:00. Es wird wieder eine Mahnwache vor dem Haupteingang des Landgerichts geben. Wir freuen uns sehr über alle solidarischen Menschen, die vorbeikommen!